Für die Anbindung von Erneuerbaren-Anlagen ans Stromnetz sind enorme Mengen an Kupfer und Aluminium notwendig. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE macht nun einen Vorschlag, wie sich dieser Rohstoffbedarf reduzieren ließe: Die Systemspannung innerhalb von Erneuerbare-Energien-Großkraftwerken soll erhöht werden. Insbesondere bei Solarparks gebe es durch höhere Systemspannungen ein sehr großes Einsparpotenzial.
Das Fraunhofer ISE verweist auf den „Global Critical Minerals Outlook 2024“ der Internationalen Energie-Agentur IEA, demzufolge der Kupferbedarf das angekündigte Angebot ab 2025 übersteigen werde. „Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier Abhilfe schaffen. Denn durch das damit verbundene gleichzeitige Absinken der Ströme können erhebliche Rohstoffeinsparungen erzielt werden“, erklärt Andreas Hensel, Gruppenleiter „Hochleistungselektronik und Systemtechnik“ am Fraunhofer ISE.
Einsparung beim Kabelquerschnitt um circa 75 Prozent
Eine Erhöhung der Ausgangsspannung von 800 VoltAC auf 1.500 VoltAC führt dem Fraunhofer ISE zufolge bei gleicher Leistung zu einer Einsparung beim Kabelquerschnitt um circa 75 Prozent. Zudem sei die Verlegung und der Anschluss kleinerer Kabelquerschnitte deutlich einfacher. Das senkt die Installationskosten. „Nachdem die Photovoltaik-Modulkosten seit 2010 durch technologischen Fortschritt und Skaleneffekte um 90 Prozent gesunken sind, bieten Installation und Balance-of-System-Komponenten nun die größten Einsparungshebel“, so Hensel.
Durch den Schritt aus der Nieder- in die Mittelspannung könne auch die Leistung der Subsysteme erhöht werden: Bei einer Spannung von 1.500 Volt seien bereits 10 bis 12 Megavoltampere statt der heute üblichen 3 bis 5 Megavoltampere in einem Transformator möglich. Bei gleicher Kraftwerksgröße bedeute das eine geringere Anzahl an Transformatoren und Schaltanlagen, was die Bau- und Installationskosten verringert.
Weltweit erster Mittelspannungs-Photovoltaik-Stringwechselrichter in Betrieb
Technisch gesehen seien die Weichen für den Schritt in die Mittelspannung mit der Entwicklung hochsperrender Siliziumkarbid-(SiC)-Bauelemente mit hohen Schaltgeschwindigkeiten bereits gestellt. Inzwischen seien SiC-Bauteile bis zu 3,3 Kilovolt am Markt verfügbar.
Das Fraunhofer ISE hat 2023 im Projekt »MS-LeiKra« den weltweit ersten Mittelspannungs-Photovoltaik-Stringwechselrichter entwickelt und am Netz in Betrieb genommen. Der zweistufig aufgebaute Wechselrichter hat eine Ausgangsspannung von 1.500 VoltAC bei einer Leistung von 250 Kilovoltampere.
„Wir sind überzeugt davon, dass es aufgrund des enormen Materialbedarfes nicht mehr darum geht, ob die Technologie Einzug halten wird, sondern wer die ersten Akteure an diesem aussichtsreichen Markt sind“, erklärt Christian Schöner, Projektleiter „Mittelspannung“ am Fraunhofer ISE. Eine erste Photovoltaik-Pilotanlage auf Basis des Mittelspannungs-Photovoltaik-Stringwechselrichter ist aktuell in Planung.
Konsortium soll Voraussetzungen für Anschluss an Mittelspannung untersuchen
Im Zuge eines Mittelspannungs-Photovoltaik-Workshops im vergangenen April wurde ein europäisches Konsortium mit Vertretern aller an einem Photovoltaik-Großkraftwerk beteiligten Gewerke gebildet, das die für den Sprung in die Mittelspannung nötigen technologischen und normativen Voraussetzungen untersuchen soll. „Als schlagkräftiges Konsortium, das offen ist für weitere Mitstreiter, können wir die bestehenden Hürden gemeinsam angehen und eine Optimierung für das komplette Kraftwerk erzielen“, sagt Schöner.
Photovoltaik-Großkraftwerke sind aber erst der Anfang, ist das Fraunhofer ISE überzeugt: Auch Ladeinfrastruktur, Industrienetze, Großwärmepumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure oder Windkraftanlagen seine interessante Anwendungsgebiete für die niedrige Mittelspannungsebene. Denn höhere Systemspannungen ermöglichen neben erheblichen Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen auch völlig neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben am 21. Juni 2024 eine fehlerhafte Darstellung bei der Einspeiung korrigiert.
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Elektrolokomotiven können seit Jahrzehnten Mittelspannung elektronisch für eine sanfte Anfahrt von Motoren regeln. Die Technik sollte keine Raketenwissenachaft für den Alstom und Co sein, eine 10kV-Einspeisung hinzubekommen. Selbst mit 50Hz statt 16 2/3… 🙂
Ja, aber 800VDC sind in fast jedem Wald- und Wieseninverter zu finden. Das ist Hardware von der Stange. Bei 1,5kV DC wird es mit Komponenten schnell recht dünn. Bis 500V (Bank +500V, -500V => 1000V DC) kann ich noch überall die benötigten Kondensatoren bestellen. Darüber muss ich entweder Serienschaltung (riskant) oder spezielle Hardware in Kauf nehmen. Ein möglicher Ausweg wäre, Induktoren und schnelle Schalter zu nutzen, um die benötigte Glättung zu reduzieren und die Effizienz zu erhöhen.
Ein Sanftanlauf ist übrigens eher weitläufig verwandt und meist auf reinen Kurzfristbetrieb ausgelegt.