Start-up des Monats: Durch Photovoltaik-Modulrecycling Silber und Silizium zurückgewinnen

Fridolin Franke (r.), zuständig für Business Development, Operations & Finance bei Solar Materials, auf dem Foto der Gründer mit Jan-Philipp Mai (l.) und Jan Bargel.

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Wer seid ihr?

Fridolin Franke: Solar Materials ist Vorreiter für nachhaltiges Recycling in der Solarindustrie. Seit unserer Gründung im Jahr 2021 verfolgen wir unsere Mission, das Recycling in der Solarindustrie zu revolutionieren und die Photovoltaik zur nachhaltigsten, erneuerbaren Energieform zu machen.

Wer sind eure Kunden?

Wir haben ein zweiseitiges Geschäftsmodell und dadurch auch zwei große Kundengruppen: Einerseits bieten wir Solarparkbetreibern, Sammelsystemen und Solarmodulherstellern das Recycling ihrer defekten oder alten Solarmodulen an. Andererseits verkaufen wir unsere zurückgewonnenen Rohstoffe Glas, Aluminium, Kupfer, Silizium und Silber wieder zurück an die Industrie, damit daraus neue Produkte entstehen können.

Start-up des Monats von pv magazine und Vireo Ventures

In Kooperation mit Vireo Ventures, einem Frühphasen-Investor für eine vollständig elektrifizierte Welt, präsentieren wir monatlich ein aufstrebendes Unternehmen, das an Innovationen für die Solarbranche arbeitet und das wir für interessant halten. Wir wollen aufzeigen, was die Visionen der Unternehmer sind, aber auch wo diese Start-ups heute stehen und wo es konkrete Möglichkeiten für Kooperationen gibt.

Wenn du dein Start-up als Start-up des Monats präsentieren möchtest, kontaktiere uns gerne. Ebenso für Rückmeldungen zum vorgestellten Unternehmen, zu dessen Fragen (siehe ganz unten) und zu unserer Auswahl. Kontakt per Email an pv magazine und Vireo: Start-up-des-monats@vireo.vc

Hier finden Sie die bisherigen Start-Up des Monats

Welches Problem und welche Herausforderung haben eure Kunden?

Aktuell erreichen vermehrt große Solarparks ihr technisches Lebensende oder müssen aufgrund von Qualitätsmängeln ehemaliger Hersteller sogar vorzeitig erneuert. Solarmodule sind dadurch der am stärksten wachsende Elektroschrott-Abfallstrom. Unsere Kunden suchen nach einer Möglichkeit Solarmodule nicht nur kostengünstig, sondern auch nachhaltig zu recyclen. Rohstoffseitig haben viele Produzenten in Deutschland mit hohen Energiepreisen und Dekarbonisierungsdruck zu kämpfen. Recycelte Rohstoffe sind hier ein wichtiger Baustein, da sie durchschnittlich 80 Prozent weniger Energie in der Produktion benötigen und damit Kosten als auch den CO2-Fußabdruck senken. Unsere Kunden bieten wir somit eine sowohl wirtschaftlichere als auch grünere Alternative im Vergleich zu Primärrohstoffen.

Welche Lösungen gibt es dafür bisher auf dem Markt?

In Deutschland ist neben unserer Technologie das mechanische Zerkleinern und Sortieren das einzige kommerziell genutzte Recyclingverfahren für Solarmodule. Der Vorteil des Verfahrens liegt in der universellen Anwendbarkeit, insbesondere auch bei sehr stark beschädigten Solarmodulen. Der Nachteil liegt in der geringeren Rohstoffausbeute und -qualität. Silizium und Silber gehen bisher verloren, wobei diese Rohstoffe circa 50 Prozent des Rohstoffwertes ausmachen.

Ein nicht unbedeutender Teil der teils sogar defekten oder minderwertigen Solarmodule verschwindet aktuell noch über graue Kanäle in Drittländer wie Afrika sowie den Nahen und Mittleren Osten. Diese Solarmodule werden als gebrauchte Solarmodule gekennzeichnet, wirklich getestet werden sie leider häufig nicht.

Welche Lösung bietet ihr euren Kunden an und gibt es bei euch ein Alleinstellungsmerkmal?

Unser patentiertes Recyclingverfahren ist eher ein Reverse-Production-Process. Hierbei zerlegen wir jedes Modul schichtweise in dessen Komponenten und gewinnen dadurch die einzelnen Rohstoffe in höherer Qualität als mit dem Stand der Technik zurück. Das schrittweise Delaminieren des Glas-Folien-Verbunds ermöglicht uns, Silizium und das wertvolle Silber energieeffizient und damit wirtschaftlich zurückzugewinnen. Dadurch können wir unseren Kunden das Recycling günstiger als Wettbewerber anbieten.

Für größere Modulmengen bieten wir neben dem Recycling auch das Testen für Second-Life-Anwendungen an. Für Solarmodule, die unsere Prüfkriterien erfüllen, erhalten unsere Kunden eine Vergütung, wodurch sich die Entsorgungskosten für Solarparks rechtssicher reduzieren lassen.

Das heißt, ihr schreddert die Solarmodule nicht zunächst, sondern delaminiert thermisch?

Nachdem wir Anschlussdose und Rahmen mechanisch entfernt haben, nutzen wir einen thermo-mechanischen Prozess, um das Glas und die Kunststofffolie auf den Zellen zu entfernen. Das ermöglicht uns einerseits die Rückgewinnung sehr hochwertigen Glases und andererseits den Zugang zu dem wertvollen Silber auf den Solarzellen.

Wenn Photovoltaik-Anlagen repowert werden, müssen Solarmodule an anderer Stelle weiterverendet oder recycelt werden.

Foto: Solar Materials

Gibt es bereits Nachweise, dass die Lösung funktioniert, und Referenzen? Wenn ja, welche?

Als zertifizierte Erstbehandlungsanlage recyceln wir seit November 2023 Solarmodule an unserem Standort in Magdeburg und sind somit erfolgreich mit unserer Technologie in den Markt eingetreten. Bis Sommer 2025 werden wir unsere Kapazität der Pilotlinie von derzeit 3000 Tonnen auf über 10.000 Tonnen beziehungsweise 500.000 Solarmodule pro Jahr erhöhen. Hierfür bauen wir unser erstes industrielles Recyclingwerk und befinden uns bereits mitten in der Konstruktions- und Genehmigungsphase.

Ist das wiedergewonnene Silizium und Silber so rein, dass sich damit direkt wieder eine Solarzelle fertigen lässt und wenn ja, wurde das schon durchgeführt?

Die Wertschöpfungskette von Solarmodulen ist zu überwiegendem Teil in China und es ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, unsere zurückgewonnenen Rohstoffe von hier nach China zu transportieren. Wir fokussieren uns daher für diese beiden Rohstoffe auf andere Anwendungen. Sofern die Photovoltaik-Produktion ihren Weg zurück nach Europa findet, freuen wir uns diese durch unsere Sekundärrohstoffe grüner zu machen.

Lässt sich mit der Wiedergewinnung der Rohstoffe das Recycling finanzieren, oder kostet es zusätzlich?

Wir können bereits heute eine günstigere Recyclinggebühr als Wettbewerber anbieten und planen diese nach dem Hochlauf unseres ersten industriellen Recyclingwerks zu senken. Kostentreiber sind die rechtlichen Anforderungen an die Lagerung von Solarmodulen als Elektroaltgeräte, die insbesondere bei der Anlieferung großer Parks eine Herausforderung darstellt, sowie nicht ordnungsgemäß abgebaute Solarmodule, die uns das Handling erschweren. Hier setzen wir auf die Zusammenarbeit mit unseren Kunden, um Ihnen eine möglichst günstige Entsorgung anbieten zu können.

Wir haben in der Vergangenheit über einige weitere Ansätze berichtet. Flaxres nutzt eine plötzliche Erwärmung, um den Materialverbund zu sprengen, Reiling PV Recycling schreddert alles und reinigt hinterher physikalisch und chemisch. Beide erhalten die Komponenten nach eigener Aussage in hoher Reinheit. Nach welchen Kriterien, wie zum Beispiel Kosten, Energie- und Zeitaufwand, kann man diese und euren Prozess bewerten und wo steht ihr da?

Die Firma Reiling ist heute neben uns das einzige Recyclingunternehmen am Markt, dass nennenswerte Mengen annimmt. Hier setzt man weiterhin auf das bekannte Schreddern und Sortieren mit seinen Vorteilen wie einem hohen Durchsatz, nimmt aber die geringe Qualität von Rohstoffen in Kauf. Das Potenzial Recyclingkosten für die Kunden zu senken ist daher begrenzt.

Unternehmen wie Flaxres sind bisher noch nicht im Markt aktiv, so dass es hier schwerfällt, den genauen Stand der Technik einzuschätzen. Allerdings müssen auch die Rohstoffe bei Flaxres weiter gereinigt werden. Den Einsatz von Chemikalien halten wir trotz der erzielbaren Reinheit der Rohstoffe für teuer und technisch aufwändig, so dass wir hier wenig Potenzial für eine kostengünstige Skalierung sehen.

Das ist auch der Grund, weshalb wir am Ende unseren thermo-mechanischen Ansatz gewählt haben. Eine hohe Rohstoffqualität bei geringen Kosten und guter Skalierbarkeit.

Inwiefern bringt diese Lösung die Energiewende voran?

In der Solarindustrie wurde die Wertschöpfungskette lange Zeit nur bis zum Betrieb der Solarmodule gedacht und das Lebensende der Solarmodule außer Acht gelassen. Mit einer technischen Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren lag das Problem zu weit in der Zukunft. Das effiziente Recycling ist jedoch ein wichtiger Puzzlestein, um die Photovoltaik zur einer wirklichen grünen Energieform zu machen.

Der Boom der Solarindustrie geht zudem mit einer stark steigenden Nachfrage nach Rohstoffen einher. Um diesen Ressourcenhunger zu stillen und gleichzeitig Europas Abhängigkeit von anderen Regionen der Welt zu verringern, sollten wir die Rohstoffe, die schon hier sind, unbedingt zurückgewinnen.

Wie seid ihr finanziert?

Wir finanzieren uns bisher vor allem durch unsere Venture Capital-Investoren bmp Ventures, First Imagine! und Katapult. Gerade haben wir unsere Series A-Finanzierungsrunde abgeschlossen. Zusätzlich konnten wir mehr als 6,5 Millionen Euro Fördermittel wie zum Beispiel den EIC Accelerator gewinnen.

Habt ihr Fragen an die Leser des pv magazine?

Uns würde interessieren, wer in den Augen der Öffentlichkeit für das Recycling der Solarmodule aufkommen soll. Sollte hier der Staat klare, auch finanzielle Vorgaben machen, oder überlasst man die konkrete Lösung den Herstellern und Nutzern?

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