Einheitlich standen die Redner der 22. Schweizer Photovoltaik-Tagung hinter dem im Herbst 2023 vom Parlament beschlossenen Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, kurz Stromgesetz, über das am 9. Juni in einem Referendum abgestimmt wird. Zwei neue Verordnungsentwürfe befinden sich aktuell in der Vernehmlassung und wurden den über 1000 Teilnehmern vom Bundesamt für Energie präsentiert.
Die Rahmenbedingungen des neuen Stromgesetzes, die Konsequenzen für die Solarbranche, Netzbetreiber und Verbraucher, sowie die Umsetzung und Anwendungsbeispiele aus der Schweiz standen im Mittelpunkt der zweitägigen Tagung in Lausanne. Einig waren sich alle beim Ja zum Stromgesetz: Ab dem 1. Januar 2025 soll es die Grundlage für eine verbesserte Versorgungssicherheit, den Ausbau von erneuerbaren Energien und deren Integration ins Schweizer Stromnetz sowie eine verbesserte Energieeffizienz bilden. Jetzt sind 35 Terawattstunden bis zum Jahr 2035 und 45 Terawattstunden bis 2045 als verbindliche Zubauziele für erneuerbare Energien ohne Wasserkraft schriftlich fixiert. Aus Sicht des Solarbranchenverbands Swissolar wird die Hälfte des Stroms bis 2050 aus Schweizer Photovoltaik-Anlagen stammen.
„Wir werden von heute 60 auf 90 Terawattstunden Strom gehen. Es wird niemand etwas verlieren, das ist die gute Botschaft. Die Verlierer sind fossil“, sagte Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. „Wenn ich meinen Eigenverbrauch optimiere, mit freien Preisen, ohne irgendwelche Subventionen, optimiere ich auf meiner Seite und kriege noch etwas Unabhängigkeit.“ Der Anreiz zu möglichst hohem Eigenverbrauch aus Photovoltaik-Anlagen sei sowohl für den Produzenten wie auch den Verteilnetzbetreiber von Vorteil, sagte Michael Frank weiter, denn „der beste Netzbetreiber kann nichts machen, wenn es keine Intelligenz im Haus hat. Dann kann er nur noch Kupfer bringen“. Die Flexibilität gesteht das Stromgesetz den Endverbrauchern, Erzeugern und Speicherbetreibern zu. Prinzipiell dürfen Netzbetreiber Anlagen nur bei Engpässen im Netz abregeln.
Einfamilienhäuser haben überproportional hohen Anteil an Photovoltaik-Anlagen
„Der Kunde ist Teil der Lösung“, betonte auch Véronique Athané, Direktorin Netzmanagement der Services Industriels de Genève. Bisher können sich mehrere Verbraucher in einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) auch über mehrere Grundstücke hinweg zusammenschließen und gegenüber dem Energieversorger als ein Kunde auftreten. Um dieses Konzept zu fördern, wird die neue Verordnung um die virtuellen ZEV sowie um Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) erweitert, die sich bis auf Gemeindeebene oder höchstens Ebene 5 des Stromnetzes erstrecken dürfen. Für die virtuelle ZEV muss künftig der Netzbetreiber seine Daten zur Verfügung stellen. Auch ist die Nutzung von Anschlussleitungen des Verteilnetzbetreibers nun erlaubt. Die LEG bringen dieses Konzept auf eine höhere Ebene: Sie dürfen das Verteilnetz nutzen, solange Sie auf der gleichen Netzebene sind und Ihre Photovoltaik-Anlage mindestens 20 Prozent der Nennleistung aller Mitglieder erzeugt.
Mehr Zubau – weniger Einmalvergütung und Einspeisevergütung
Neben Solarstrom aus dem Quartier standen auch Erfahrungen aus alpinen Photovoltaik-Projekten auf dem Programm. Der Kanton Bern stellte seine Strategie vor, die Bewilligungsverfahren für alpine Photovoltaik-Anlagen mittels prioritärer Verfahren zu beschleunigen. Der Zeitdruck, bis Ende 2025 Strom produzieren zu müssen, erschwert die Realisierung alpiner Photovoltaik-Projekte.
Mit dem Stromgesetz sollen solche Photovoltaik-Anlagen von nationalem Interesse sein, wenn Ihre Produktion von Oktober bis März mindestens 5 Gigawattstunden beträgt. Für solche Anlagen geeignete Gebiete werden von den Kantonen festgelegt, und sie haben grundsätzlich Vorrang gegenüber anderen nationalen Interessen.
Auch in Bezug auf die Förderung und Baubewilligungen gibt es zukünftig einige Veränderungen. Neben dem Absenken der Einmalvergütung können alle Anlagen ab 150 Kilowatt Leistung ohne Eigenverbrauch die gleitende Marktprämie über 20 Jahre und bis zu einem Markpreis von 10 Prozent über dem Vergütungssatz erhalten. Die Vergütungssätze werden per Auktion festgelegt werden und alternativ zur hohen Einmalvergütung angeboten.
Für Photovoltaik-Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung an Parkplätzen ist ein neuer Bonus von 250 Schweizer Franken pro Kilowatt vorgesehen. Dazu kommt ein höherer Neigungswinkelbonus für Anlagen mit mehr als 75 Grad Neigung. Fassadenanlagen werden zudem weitgehend bewilligungsfrei.
Umsetzung der Zubauziele erfordert kundenfreundliche Lösungen
Nach wie vor wird ein Großteil der Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz auf Einfamilienhäusern gebaut. Mit den verbesserten Bedingungen erhofft man sich eine Zunahme an gemeinschaftlichen Projekten. „Das Problem ist, dass die dezentrale Energieversorgung zwangsläufig zu einer höheren Komplexität führt. Das darf aber nicht dazu führen, dass es für den Kunden komplizierter wird. Die Kunden brauchen einfache Lösungen“, sagte Frank Rutschmann, Leiter erneuerbare Energien des Bundesamtes für Energie. „Komplexität ist ein Hemmnis auf der Kundenseite.“ Es sei die Aufgabe der Solarwirtschaft, solche Lösungen zu ermöglichen. (Hannah Bergler)
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Wenn die Schweizer die Komplexität von Eigenverbrauchslösungen beklagen, kann ich das nachvollziehen. Man hat dann drei Arten von Strom: Den, den man aus dem Netz bezieht, den, den man aus der PV-Anlage bezieht, und den, den man aus der PV-Anlage ins Netz abgibt. Das kann man ganz klar vereinfachen: Den, den man aus der PV-Anlage bezieht, speist man statt dessen auch ins Netz ein, und schon gibt es eine Sorte weniger, die Komplexität ist um 33% reduziert. Die Komplexität nähme weiter zu, wenn man noch einen Hausspeicher betriebe, der von PV-Anlage oder Netz geladen werden kann, und seinen Strom ins Haus oder ins Netz abgibt. Auch das kann man sich sparen, wenn es Hausspeicher aus Versicherungsgründen praktisch nicht gibt.
Die Schweizer erhoffen sich eine Disziplinierung der Stromkunden, wenn die sich Vorteile verschaffen können, indem sie ihren Eigenverbrauch an die Eigenproduktion anpassen, obwohl die Schweiz doch gerade die besten Möglichkeiten hat, mit ihren Pumpspeicherkraftwerken die untertägigen und zum Teil auch längerfristigen bis hin zu saisonalen Ungleichgewichte zu kompensieren.
Tatsächlich hat man in der Schweiz erhebliche Angst, im Spätwinter von Stromimporten abhängig zu werden, wenn man keine fossil-nuklearen Kraftwerke mehr in Betrieb hat. Deshalb auch die überproportionale Förderung von steil aufgestellten PV-Anlagen, die zu gunsten einer höheren Winterproduktion auf Gewinne im Sommer verzichten.
In Gänze werde ich die Seelenlage der Schweizer wohl nicht verstehen, weshalb die bei besten Bedingungen mit vielen Pumpspeicherwerken und vielen Nachbarn so Angst vor saisonalen Importbedarfen haben. Zum Teil ist es wohl einer imperialistischen EU-Politik zu verdanken, die Garantien für den Zugang zu ihrem Strommarkt abhängig macht von Zugeständnissen der Schweiz im sonstigen Handel. Diese EU-Politik ist natürlich sehr unglücklich. Die Unabhängigkeit von Diktaten von außen ist den Schweizern viel wert. Die EU verspielt dabei gleichzeitig die Möglichkeit, von den Möglichkeiten zur saisonalen Speicherung und zum Ausgleich anderer Erzeugungsungleichgewichte durch die Schweiz hindurch zu profitieren. So sind sie halt, unsere Politiker – immer mit dem Kopf durch die Wand, die vernünftigen Lösungen müssen dahinter zurücktreten.