Die Photovoltaik-Branche in Deutschland und Europa ist aktuell gespalten. Auf der einen Seite stehen vor allem viele Photovoltaik-Hersteller, die Resilienzauktionen und -boni fordern, um am Markt gegen die chinesische Übermacht zu bestehen. Auf der anderen Seite befinden sich viele Vertreter des Downstream-Bereichs, die unbedingt eine Einführung von Importzöllen auf chinesische Photovoltaik-Produkte verhindern wollen, also auf freiem Handeln bestehen. Nach eigenen Aussagen geht es ihnen dennoch auch darum, „den fairen Wettbewerb für alle Marktteilnehmer zu fördern und eine resiliente europäische Solarwirtschaft aufzubauen“. Zumindest ist dies bei der Allianz „Solar Economy Europe“ (SEE) so, die jüngst von 15 Unternehmen gegründet wurde, darunter große Projektierer wie Baywa re, Enerparc, EnBW, Maxsolar und Wattner, aber auch Installationsunternehmen wie Enpal, 1Komma5° oder Zolar.
Die Allianz sieht sich als Gegengewicht zum ESMC (European Solar Manufacturer Council), der sich für Schutzmaßnahmen für die europäischen Photovoltaik-Hersteller stark macht, die er in einem unfairen Wettbewerb mit der Konkurrenz aus China sieht. Die ganze Situation erinnert an die Zeit vor mehr als zehn Jahren – damals waren nur die Abkürzungen anders. Der Downstream-Sektor versuchte in der Vereinigung SAFE, die vom Upstream-Pendant EU Prosun erreichten Minimumimportpreise für kristalline Solarmodule und Solarzellen aus China in der EU wieder rückgängig zu machen. Was schließlich auch im September 2018 gelang.
In der aktuellen Situation gebe es erneut „wachsende protektionistische Tendenzen“, die das Erreichen der CO2-Einsparziele in Europa ernsthaft bedrohten, heißt es von der Allianz „Solar Economy Europe“. Sie lehnt „handelspolitische Schutzmaßnahmen“ ab und verweist auf die Jahre 2012 und 2013, als diese zu einem Einbruch des Photovoltaik-Zubaus um bis zu 75 Prozent geführt und zwei Drittel der Arbeitsplätze in der europäischen Solarwirtschaft vernichtet hätten.
Konkret heißt es von SEE weiter, dass Handelsmaßnahmen höhere Einzelhandelspreise verursachen würden. So würde ein Zoll von 25 Prozent den Preis für Solarmodule um 3,75 Cent pro Watt und bei 50 Prozent um 7,50 Cent pro Watt erhöhen. Überdies würden die fragilen globalen Lieferketten gestört. Bereits ohne Handelsmaßnahmen seien Bestände von Photovoltaik-Komponenten stark zyklisch und Lieferzeiten könnten sich dann wieder deutlich verlängern. Zudem sieht SEE zehntausende Jobs in der Solarbranche in Europa erneut gefährdet, ebenso wie den weiteren Anstieg der Beschäftigung in der Photovoltaik-Wirtschaft.
Die Allianz bekundet jedoch, dass sie auch die Bemühungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der europäischen Solarwirtschaft einschließlich der Hersteller von Photovoltaik-Komponenten unterstützt. Dazu sollte es „ein flexibles und zielgerichtetes Capex-Opex-Fördermodell“ geben. „Die Einführung eines zeitlich befristeten Capex-Opex-Fördermodells für die europäische Solarwirtschaft würde es den Unternehmen ermöglichen, die Mittel strategisch einzusetzen und die Risiken für Investitionen zu verringern“, heißt es weiter. Damit wäre eine bessere Finanzplanung gegeben und gleichzeitig das weitere Wachstum des Photovoltaik-Marktes sichergestellt. Darüber hinaus setze sich SEE auch „uneingeschränkt für die Menschenrechte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen“ ein.
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Zur Einordnung von „Solar Economy Europe“:
2015 gehörte ich zu den Gründern der Anti- Zollallianz „SAFE“.
„SAFE“ war es schließlich im September 2018 nach über drei Jahren sehr deftiger Kämpfe gelungen die seit 2013 gültigen Zölle auf Solarmodule abzuschaffen.
Damit endete die schlimmste Solarkrise der bisherigen Geschichte: https://www.pv-magazine.de/2023/09/18/totales-desaster-wie-solar-zoelle-zehntausende-arbeitsplaetze-und-existenzen-in-deutschland-vernichteten/
In 2023 haben sich rund 1% der Beschäftigten in der EU- Solarwirtschaft erneut auf den Weg gemacht und mit vielen bisher heute unbelegten Behauptungen Zöllen und anderen harten Maßnahmen einem neuen Protektionismus das Wort zu reden. Und dabei immer wieder so zu tun, als würden sie gar keine Zölle fordern. Ihre rigorosen Forderungen gefährden dabei einen großen Teil der anderen 99% aller EU- Solarbeschäftigten. https://www.pv-magazine.de/2023/09/28/zoelle-wie-ein-prozent-der-solarjobs-die-zukunft-der-99-prozent-aufs-spiel-setzen/
Bereits im September 2023 habe ich gegen dieses rücksichtlose Vorgehen deutlichen Widerspruch geäußert. Siehe die beiden blogs vorher und weitere zum Thema auf pv-magazine.de
Gleichzeitig habe ich im Herbst 2023 viel Zeit in der direkten politischen und medialen Arbeit damit verbracht ein Gegengewicht gegen die immer neuen – unbelegten- Behauptungen von Seiten des Umfeldes „der Zollfreunde“ zu schaffen.
Dabei haben wir parallel die Grundlagen für „Solar Economy Europe“ gelegt. Diese neue Allianz ist klar fokussiert auf die Verhinderung jeglicher neuer Protektionistischen Maßnahmen. Es ist eindeutig kein neuer Verband, sondern ein auf unbestimmte Zeit angelegtes Zweckbündnis wie es einst „SAFE“ war.
„Solar Economy Europe“ ist mit sachlicher Hintergrundarbeit (und lange ohne Namen) als Gruppe bereits seit Herbst 2023 sehr aktiv. Was auch bitter nötig war und weiterhin ist- denn die Gefahr von „Fallbeilprotektionismus“ ist nicht gebannt.
Meine Warnungen an die Branche vor der Gefahr von Zöllen besteht unvermindert weiter.
und wer die Website der Alliance Solar Economy Europe sucht, dem nenne ich sie doch einfach:
Solar Economy Europe“ (SEE) – https://www.solar-economy.eu/
Leider habe ich keine Idee, was man unter einem „Capex-Opex-Fördermodell“ verstehen könnte. Googeln hat auch nicht geholfen: Capex steht für „Investitionsausgaben“, Opex für „Betriebsausgaben“. Durch Miet- oder Leasingverträge lässt sich die Kostenstruktur von Capex zu Opex verschieben. Aber Fördermodell?
Unabhängig davon habe ich mich bemüht, noch selber etwas zu denken: Es besteht ja eine gewisse Angst, China könne uns erpressen mit der kurzfristigen Beendigung von Lieferungen, weshalb es sinnvoll wäre, das Knowhow und Keimzellen zum Aufbau einer eigenen Fertigung in der EU zu halten. Meiner Meinung nach könnte es auch reichen, weltweit Fertigungsstätten anzuregen, die neben der Produktion für den heimischen Markt auch gewisse Liefermengen für uns erzeugen. Wir müssen nicht alles selbst machen, dafür fehlen uns auch die Arbeitskräfte. Ansonsten brauchen Produktionsstätten eine gute Verkehrsanbindung, der Rohstoffbedarf ist gering und auch der Energiebedarf ist nicht außergewöhnlich. Im Grunde kann man Modulfabriken überall in der Welt aufbauen.
Des weiteren würde mich noch interessieren, wie weit chinesische Module nur deshalb so billig bei uns angeboten werden können, weil der Transport um die halbe Welt von uns subventioniert wird. Würde man diese Subventionen beenden, hätte es zwar Kostensteigerungen bei den Installationen hier zur Folge, man würde aber die Mehrkosten 1:1 bei den Transportsubventionen sparen. Und die teurere Fertigung hier wäre dann vielleicht konkurrenzfähig?
Um Unregelmäßigkeiten in den Lieferketten auszubügeln, könnte die EU auch nach dem Fifo-Prinzip bewirtschaftete Zwischenlager betreiben, in denen der Bedarf für ein paar Monate bis zu zwei Jahren lagert. Mit diesem Puffer ließen sich auch Zeiten des Lieferausfalls von einem großen Handelspartner ausgleichen. Bei Öl und Gas hat man solche „strategischen Reserven“ auch betrieben. Damit würde das Erpressungspotential erheblich sinken.
Die einfachen Antworten („Wir kaufen dort, wo es am billigsten ist, damit schaffen wir am meisten“) sind nicht immer die besten. Andere Aspekte wie Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit sind auch Werte, die es zu berücksichtigen gilt. Subventionen sind immer gefährlich: Sie gefährden die Kostenwahrheit. Das Gegenteil, Zölle nur um die eigene Industrie vor Konkurrenz zu schützen, tun das natürlich genauso. Aber Zölle um Schweinereien wie Menschenrechtsverletzungen auszugleichen sind akzeptabel.
Das Problem des Einbruchs der Installationszahlen ab 2013 waren im übrigen nicht die Zölle, sondern die Absenkung der Einspeisevergütungen. Und dieser Einbruch war politisch gewollt. A. Merkel beschrieb ihn mit dem schönen Wort „Atempause“, nicht für die gestressten Installateure, sondern für die gejagten Anbieter alter Energien. Erhöht man das Preisniveau für Module in der EU, und gleichzeitig die Einspeisevergütungen, sollten die Installationszahlen nicht einbrechen. Die Sicherheit kann einem das wert sein. Nur das Märchen von der billigen Energie bekäme einen Kratzer. So billig ist sie dann doch nicht, wie es zeitweise erschien.