Ein verfrühter, dem Bedarf nicht korrekt angepasster Ausbau des Wasserstoffkernnetzes und ein daraus resultierender Leerlauf der Pipelines kann dazu führen, dass die geplante Finanzierung des Kernnetzes auf wackligen Beinen steht und der Bund mit 20 Milliarden Euro fördern muss. Das stellt ein Gutachten, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz das Finanzierungsmodell des Wasserstoffkernnetzes überprüfen soll, fest. Ohne staatliche Förderung wird der Aufbau des Netzes kaum zu stemmen sein, so das Fazit.
Das Wasserstoffkernnetz soll nach den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums vollständig aus privatwirtschaftlichen Mitteln finanziert werden, wobei die Kosten durch bundeseinheitliche Netzentgelte wieder eingebracht werden sollen. Bis zum Jahr 2038 sollen die Netzentgelte gedeckelt sein. Nur so ließen sich genügend Anschlussnehmer finden und ein Absatzmarkt schaffen. Bis dahin soll ein Amortisationskonto bereitgestellt werden.
Versteckte Förderung
Dabei handelt es sich um eine Art Darlehen vom Bund, aus dem die Wasserstoffnetzbetreiber ihre hohen Investitionskosten bezahlen können. Sukzessive sollen die Netzentgelte neuer Anschlussnehmer dazu genutzt werden, das Amortisationskonto auszugleichen. Was bis 2055 nicht angeglichen ist, trägt der Bund, wobei Netzbetreiber 24 Prozent der Kosten selbst tragen müssen. Wenn das Konto früher aufgelöst wird, sinkt die Selbstbeteiligung der Netzbetreiber.
Die Autoren des Gutachtens spielten eine Reihe von Markthochlauf-Szenarien durch und berechneten auf dieser Grundlage, welche marktlichen Risiken sich für Bund und Netzbetreiber ergeben. Vor allem sollte geklärt werden, wie hoch die Netzentgelte ausfallen müssen, um den Bau der Infrastruktur zu finanzieren, und ob die Höhe der Netzentgelte wiederum durch Marktteilnehmer überhaupt getragen werden kann. Im sogenannten sehr adversen Szenario verzögert sich der Ausbau, Speicherkosten fallen, und Komponentenkosten für das Netz steigen. Kurz: alles, was schiefgehen kann, geht schief.
In so einem Fall kann es sein, dass der Bund mit 18 Milliarden Euro einspringen muss. Die Autoren berechnen dafür einen Amortisationskontostand von 21,87 Milliarden Euro im Jahr 2039. Wählen die Netzbetreiber die Selbstauflösung des Kontos in diesem Jahr, müssen sie sich nur zu 16 Prozent selbst beteiligen. Der Rest müsste dann vom Bund getragen werden.
Hauptgefahr Leerlauf
Eine erhebliche Gefahr für das Finanzierungsmodell ergibt sich den Autoren zufolge aus einer Nichtnutzung der Infrastruktur. „Diese Gefahr ist leider sehr real“, warnt der Leiter des Gutachtens, Benjamin Pfluger, vom Fraunhofer IEG. „Die neue Kraftwerksstrategie sieht vor, dass die H2-ready-Kraftwerke erst zwischen 2035 und 2040 auf Wasserstoff umstellen.“ Daraus ergebe sich ein anfänglicher Leerlauf des Netzes, so Pfluger. Diesen müssen alle Netzkunden dann lange abbezahlen, was ohne Förderung nicht zu stemmen sein dürfte. Durch eine bedarfsorientierte zeitliche Verschiebung von Baumaßnahmen könnte und sollte solch teurer Leerlauf aber reduziert werden.
Im vorgeschlagenen Finanzierungsmodell müssen alle Kosten durch Endverbraucher getragen werden. Legt man alle Kosten inklusive der Netzkosten für Speicherung und Elektrolyse auf Netzentgelte für Endverbraucher um, ergeben sich daraus etwa 37 bis 44 Euro pro Megawattstunde in Abhängigkeit davon, ob man den Brennwert oder den Heizwert von Wasserstoff betrachtet. Das könnte im europäischen Wettbewerb und um Wettbewerb mit Gas zu viel sein und zu Leerläufen führen.
Hinzu kommt, dass Wasserstoffkraftwerke, die auf nur 500 Vollbenutzungsstunden im Jahr kommen, zwischen 86 und 101 Euro pro Megawattstunde an Netzkosten verursachen würden. Zumindest in Norddeutschland könnten die Anlagen über Kavernenspeicher versorgt werden und müssten gegebenenfalls nicht an ein Wasserstoffnetz angeschlossen werden.
Vermeidbar durch flexible Planung
Der Ausgleich des Amortisationskontos durch den Bund kann vermieden werden, wenn dieser sich in Sachen Wasserstoff ausreichend für die Förderung von Nachfrage und Speicherung einsetzt. Wenn der Bund frühzeitig dafür sorgt, dass Märkte und Abnehmer geschaffen werden, wird der Ausgleich der Kosten durch öffentliche Gelder nicht notwendig, so die Gutachter.
Dazu gehört aber auch eine kontinuierliche Anpassung der Bedarfspläne und Ausbaupläne der Netze entsprechend der Marktlage. Die Autoren schlagen vor, dass periodisch Neubewertung stattfinden. Allerdings müssten Wasserstoffnetzbetreiber willens sein, bereits genehmigte Projekte im Lichte neuer Erkenntnisse anzupassen oder gar einzustellen.
Das Gutachten erstellten die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) sowie die Beraterfirmen Congas und Consentec.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Die Denkrichtung, die aus dieser Darstellung hervorgeht, gefällt mir nicht. Wenn norddeutsche Wasserstoffkraftwerke besonders kostensparend arbeiten können, wenn sie Elektrolyse, Speicherung und Rückverstromung an einem Ort konzentrieren und deshalb nur das Strom- aber nicht das Wasserstoffnetz in Anspruch nehmen müssen, dann ist das doch gesamtwirtschaftlich gesehen ein Vorteil. Wasserstoffverbraucher, die nicht so arbeiten können, müssen auch bereit sein, selbst die Kosten dafür zu tragen, und sollten nicht versuchen andere Verbraucher zu finden, die sich nicht dagegen wehren können, wenn sie an Kosten beteiligt werden sollen, die sie nicht haben müssten. Wenn die für diese Wasserstoffverbraucher notwendige Infrastruktur teuer ist, wird das der Anreiz sein, auch dafür die wirtschaftlichste Lösung zu suchen.
Einen wirtschaftlichen Wettbewerb mit Erdgas wird Wasserstoff nur bestehen können, wenn das Erdgas mit einer CO2-Abgabe belegt wird, die die Kosten der Klimaveränderung widerspiegelt. Diese Abgabe muss so hoch sein, dass sie einerseits die Maßnahmen bezahlt, die zur Kompensation der unweigerlich eintretenden Folgen des Klimawandels notwendig ist. Das sind beispielsweise Kosten für Küstenschutz, Landverluste und Migrationskosten. Wenn dann noch etwas übrigbleibt, kann es zur Förderung der Wasserstoffinfrastruktur eingesetzt werden. Wir sind in den vergangenen Jahrzehnten immer ganz gut damit gefahren, wenn Abgaben mit klarer Verwendung erhoben wurden. Das war so mit der EEG-Umlage, auch die gesetzliche Krankenversicherung ist so ein Beispiel. In Länder, in denen das anders gemacht wird, werden Einnahmen schnell mal zweckentfremdet, weil die Politik in Demokratien gerne den Weg des geringsten Widerstandes geht. Wenn das dank klarer Regelungen nicht möglich ist, entlastet es die politische Diskussion und fördert gleichzeitig die Kostenwahrheit, was immer hilfreich ist, wenn es darum geht, die wirtschaftlich beste Entscheidung (unter Berücksichtigung anderer Staatsziele, wie Menschenrechte) zu treffen.
Ein Negativbeispiel in dieser Hinsicht ist die Mineralölsteuer. Die geht einfach in den Staatshaushalt und dient dort zur Deckung beliebiger Ausgaben. Das hat dann zur Folge, dass der Staat sogar ein Interesse hat, den Mineralölverbrauch hoch zu halten, um keine Finanzierungseinbußen zu erleiden.
Jetzt könnte mensch ja zu dem Schluss kommen, dass die ganze Wasserstoffplanung für’n Arsch – genauer gesagt natürlich für die Fossilindustrie, was auf’s Gleiche hinausläuft – ist. Wozu ein Wasserstoffnetz aufbauen, wenn jetzt schon klar ist, dass das nicht nur nicht gebraucht wird, sondern dass es der Energiewende – nicht aber den Konten der Fossilindustrie, versteht sich – schadet?
Bei der Gelegenheit… Wird eigentlich Habecks Hausausweis für den Bundestag in der Liste der Abgeordneten oder in der Liste der Lobbyisten geführt?
Es wird aber auch nicht mal ansatzweise genug H2 zur Verfügung stehen, damit dieses Thema irgendwann mal Relevanz erlangt. Wer mal zurückrechnet, wie viele kWh Strom man denn für 1 kg H2 benötigt (es sind 53 kWh für EIN kg H2) weiß, dass das Thema H2 Hirngespinste von mathematisch randbegabten Spinnern sind.
Wenn wir nur 100TWh einsetzen um H2 zu produzieren, dann werden daraus 2 Mrd kg H2. 100 TWh wären gerade mal 20% unseres heutigen Stromverbrauchs. Die 2 Mrd kg wird man kaum per LKW oder Bahn transportieren wollen. Und ein Vielfaches davon soll aus dem Ausland importiert werden, entweder gleich per Pipeline, oder wie derzeit das Flüssigerdgas per Tankschiff und dann innereuropäisch per Pipeline. Das Wasserstoffnetz wird also gebraucht werden. Nur wer glaubt, dass die ganze Energiewende nicht klappen wird, der bekommt schon bei einem einzigen kg H2 weiche Knie. Ich gebe ja zu: Die Hochrechnung von dem, was für den eigenen kleinen Lebensbereich fassbar ist, auf ein Volk von über 80Mio ist schwierig. Vorstellen kann man sich das nicht, man muss den Zahlen schon glauben. Das macht ja auch den umgekehrten Fall so problematisch: Wenn sich ein einzelner als Umweltsünder verhält, dann ist das wurscht. Das Problem ist, dass wir so viele sind, und die wollen alle die gleichen Rechte zum Fehlverhalten haben.
Womit sie recht haben: Beim Bau von Elektrolyseanlagen wird immer noch viel zu klein gedacht. Jetzt werden viel Batteriespeicher gebaut, die den Vorteil eines hohen Speicherwirkungsgrades haben. Sie haben aber den Nachteil, dass sie für die Langzeitspeicherung zu teuer sind. Da sieht es bisher so aus, als ob nur Wasserstoff (und alpine und skandinavische Speicherkraftwerke mit leider begrenzter Speicherkapazität und Leistung) zur Verfügung stehen. Die Produktion und Installation von Elektrolyseanlagen für die künftig erforderliche Speicherkapazität muss jetzt schon im industriellen Maßstab hochgefahren werden, damit dann, wenn sie gebraucht werden, auch die Produktionskapazität vorhanden ist. In Deutschland läuft alles immer noch auf dem Niveau „Versuchsanlagen“. Die Zeit wird langsam knapp.