Die Schweiz hat im vergangenen Jahr 1,5 Gigawatt Photovoltaik zugebaut, wobei nur ein Bruchteil auf Freiflächenanlagen entfällt. Einige davon befinden sich im Hochland, denn seit Oktober 2022 werden alpine Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz im Hinblick auf die Energiestrategie sowie die sichere Stromversorgung auch im Winter speziell gefördert. Mit der Einführung des Art. 71a im Energiegesetz erleichterte die Schweiz die Bewilligung dieser Photovoltaik-Anlagen unter der Bedingung einer Mindestproduktion von 10 Gigawattstunden jährlich, und einer Winterstromproduktion von mindestens 500 Kilowattstunden pro 1 Kilowattpeak installierte Leistung (bezogen auf die Periode vom 1. Oktober bis 31. März). Mit einer Einmalvergütung von maximal 60 Prozent der Investitionskosten werden diese Projekte gefördert, wenn sie bis spätestens 31. Dezember 2025 zumindest zehn Prozent der geplanten Leistung am Netz sind und Solarstrom einspeisen. Nicht zuletzt deshalb nennt sich das Gesetz wohl auch „Solarexpress„.
Obwohl sich laut Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE über 30 solcher Projekte in unterschiedlichen Phasen von der Idee bis zur Planung befinden, wurden nach Angaben des Bundesamts für Energie (BFE) bisher nur für acht Projekte Baugesuche eingereicht. Diese Projekte eint vor allem eines: Ein hohes Potenzial, und hohe Kosten. Eine Studie des VSE kam zum Ergebnis, dass optimierte Standorte im Hochgebirge im Durchschnitt 20 Prozent höhere Erträge pro installierter Modulleistung über den gleichen Zeitraum bieten wie Anlagen in Städten. Darüber hinaus könnte in den Schweizer Bergen Anlagen mit mehr als einem Gigawatt installiert werden. Deren Erträge könnten rund 33 Prozent höher ausfallen als bei vergleichbaren Anlagen im Mittelland. Doch auch die Baukosten dafür sind deutlich höher. Geschätzt kostet diese Anlagen etwa das Dreifache wie vergleichbar große Freiflächenanlagen an anderen Standorten. Auch die Zeit zur teilweisen Fertigstellung der Projekte bis Ende 2025 ist knapp bemessen, sofern sie von der Förderung profitieren wollen.
Anlaufschwierigkeiten im Bereich alpine Photovoltaik-Anlagen
Einige der alpinen Photovoltaik-Anlagen kamen nicht über die Hürde der Zustimmung durch die Bevölkerung in der Gemeinde hinaus und nur wenige Großanlagen, wie „Alpin Solar“ an der Muttsee-Staumauer, sind bereits in Betrieb und liefern Erfahrungswerte.
Die Erfahrungen von Axpo am 2500 Meter hoch gelegenen Muttsee zeigen, dass eine gewissenhafte Planung der Anlage unabdingbar, und dennoch nicht alles vorherzusehen ist: „Trotz Einbeziehung von langjährigen Messdaten aus einer nahegelegenen Wetterstation mit Schneehöhenmessung wurden die Solarmodule recht bodennah montiert. Dies führte zu Schäden an Modulen und Unterkonstruktionen der untersten Reihe durch Schneeablagerungen im Kurvenbereich der Mauer, denn. der Abstand vom Boden war trotz der schneearmen vorletzten Winter nicht ausreichend groß. “, erklärte Axpo auf Nachfrage von pv magazine, „Vom tiefen Potenzial her sind Anlagen an Staumauern keine bedeutsame Lösung. Muttsee wurde als Demonstrationsprojekt gebaut. Künftig werden wir uns auf Freiflächenanlagen auf steilen Hängen und mit ausreichend Abstand zum Boden konzentrieren. “
Diesen Trend bestätigt auch Annelen Kahl, deren Firma Sunwell sich auf die Standortbewertung im Hochgebirge spezialisiert hat: „Im Moment erhalten wir überwiegend Anfragen von Projektentwicklern und Energieversorgern zu Freiflächenanlagen. Für die angestrebte alpine Produktion von zwei Terawattstunden pro Jahr sind allemal genug Flächen vorhanden. Die Flächen auf südausgerichteten Staumauern, die für solche Installationen geeignet wären, sind hingegen eher klein. Floating PV-Anlagen kommen wegen der schwierigen und teuren Umsetzung aufgrund wechselnder Pegelstände und Überfrierung im Winter kaum in Frage.“
Die richtige Dimensionierung: Ein Balanceakt
Die Wetterbedingungen sind eine der größten Herausforderungen bei Planung und Konstruktion von Photovoltaik-Anlagen im Hochgebirge. In höheren Lagen können die Temperaturen stark schwanken, von eisigen Kälteperioden im Winter bis zu intensiver Sonneneinstrahlung im Sommer. Hinzu kommt der höhere UV-Anteil, sodass die Degradation der Module und der den Umweltbedingungen ausgesetzten Komponenten beschleunigt wird. Auch sind die Standorte oft von starken Winden mit Staudruck bis zu 3,3 Kilonewton pro Quadratmeter betroffen, welche die Anlagen beschädigen können. Dabei ist zu beachten, dass die Unterkonstruktionen in der Regel mehrere Meter- oft sechs bis acht Meter – hoch sind, denn auf 2500 Höhenmetern kann die 50-jährliche Schneehöhe über vier Meter betragen. Zum Beispiel werden auch die Unterkonstruktionen für das alpine Photovoltaik-Kraftwerk „Prafleuri Solaire“ laut Projektentwickler Alpiq teilweise deutlich höher sein als die zunächst angesetzten 2,50 Meter. Dies hat konstruktionsbedingt eine höhere Windlast als bei niedrigeren Freiflächenanlagen zur Folge.
Die Unterkonstruktionen bestehen meist aus Stahlprofilen, und die Träger, Stützen und Verankerungen werden bei starkem Wind auf die Module besonders belastet. Dazu kommen Kräfte durch den Schneedruck, für welche die Unterkonstruktionen oft noch nicht ausreichend ausgelegt sind. Obwohl in der Schweiz das relevante Wissen aus der Konstruktion von Lawinenverbauungen vorhanden ist, wird bei der Planung der Unterkonstruktion auch zu Standardprodukten gegriffen, welche den alpinen Umweltbedingungen vielleicht nicht genügen, denn auf die Konstruktion wirkt in schneereichen Wintern großer Schneedruck. Dieser stellt eine in Talrichtung wirkende gleichförmig verteilte Belastung dar, welche durch die lokale Abbremsung des am Hang nach unten gleitenden Schnees hervorgerufen wird. Dabei bremsen die Stützen und Träger der Unterkonstruktionen den Schnee nicht nur lokal dort, wo er diese berührt, sondern auf einer Breite von rund zwei bis drei Metern.
An steilen Hängen führt dies zu einem Schneedruck von ein bis zwei Tonnen pro Quadratmeter, und bis zu mehreren Tonnen an den Verankerungen der Unterkonstruktionen. Letztlich kann im Perimeter durch die Verringerung der Windgeschwindigkeit durch die Module dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zufolge lokal bis zu 20 Prozent mehr Schnee abgelagert werden. Im alpinen Gelände kann die Schneehöhe, die für die Planung von Photovoltaik-Anlagen entscheidend ist, aufgrund der Topographie lokal stark variieren. Solche Variationen können mit fotogrammetrisch erstellten Schneehöhenkarten erfasst werden. All diese Faktoren sollten in der Berechnung von zu erwartender Schneehöhe und Schneedruck berücksichtigt werden. Das Problem: Für die meisten Standorte gibt es noch keine lokalen Messdaten. Erste Versuche vor Ort mit Testanlagen würden mehr Klarheit über die lokalen Schneeverhältnisse bringen. Mittels einer Abschätzung aus Daten umliegender Messstationen sowie aus Satellitendaten lassen sich keine ausreichend genauen Schneehöhen für einen spezifischen Standort ermitteln.
Steile Hänge haben erhöhte Lawinengefahr
In steilem Gelände ab 30 Grad Hangneigung besteht das Risiko direkter Lawinengefahr für die Photovoltaik-Kraftwerke. Große Lawinen können jedoch auch weit in flache Bereiche auslaufen. Um das Risiko zu minimieren, dass eine Anlage durch eine Lawine beschädigt oder zerstört wird, müssen die Gefahrenzonen für den individuellen Standort bewertet und sollten von der Planung ausgeschlossen werden.
Photovoltaik-Anlagen auf bestehenden Lawinenverbauungen hätten zwar einen hohen Winterstromanteil, bringen jedoch den Nachteil mit sich, dass diese, obwohl langlebig und auf rund 80 Jahre ausgelegt, nicht für zusätzliche Kräfte durch die zusätzlich montierten Module gedacht sind. In der Regel sollen diese außerdem ein bestimmtes Schutzziel, wie etwa eine Straße oder eine Siedlung, schützen. Die Schutzwirkung darf durch die Installation von Solarmodulen nicht verkleinert werden. Bei der Planung muss daher besonders vorsichtig vorgegangen werden. Und ob oberhalb einer Photovoltaik-Anlage eine Lawinen-oder Steinschlagverbauung zum Schutz derselben angelegt werden soll, dürfte vor allem eine ökonomische Frage sein.
Um der Summe an Herausforderungen zu begegnen, müssen Photovoltaik-Anlagen im Hochgebirge besonders robust und widerstandsfähig gegenüber den extremen Wetterbedingungen sein. Aus diesem Grund sind nur Spezialkonstruktionen für alpine Photovoltaik-Anlagen geeignet, was allerdings die Kosten maßgeblich in die Höhe treibt. Die Konsequenzen der stark variierenden Böenspitzen des Windes auf die Konstruktionen sind dabei schwierig vorherzusagen. Es gilt: Je flacher und schneeärmer ein Hang, desto kleiner die Schneedruckkräfte sowie die erforderliche Konstruktionshöhe, was zu geringeren Erstellungskosten führt. Als präventive Maßnahme ist es wichtig, die Standorte der Anlagen sorgfältig zu evaluieren, um die Gefahr von Lawinen sowie die Einwirkungen durch Schneedruck und Wind zu minimieren. Es muss ein Kompromiss zwischen steilen Hängen mit minimaler Selbstverschattung und höherem Schneedruck und größerer Lawinengefahr sowie reduzierter Hangneigung gefunden werden.
Der Umgang mit Naturgefahren im Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren von alpinen Photovoltaik-Anlagen ist momentan nicht geklärt.
Auch die Auswahl der Komponenten ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung einer Anlage. Hohe UV-Belastung wird zu schnellerer Degradation der Module und anderer Komponenten wie Kabelbindern führen. Zuweilen gibt es eine Beschränkung der Herstellergarantien auf den Einsatz in bestimmten Umgebungen. Um die schwankenden Umwelteinflüssen auf die Komponenten zu verringern, hat beispielsweise Axpo am Muttsee soweit als möglich alle Komponenten in der Technikzentrale platziert. Für die Solarmodule geht Axpo von einer durchschnittlichen Lebensdauer von rund 30 Jahren aus.
Zugänglichkeit als Herausforderung
Die Zugänglichkeit zu den Standorten in vielen Hochgebirgsregionen ist individuell unterschiedlich, doch häufig sind sie nicht einfach zu erreichen, sondern oft nur über steile Wege oder Seilbahnen. Dieses Problem betrifft auch alpine Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz. Hinzu kommt, dass die Anlagen regelmäßig gewartet und überprüft werden müssen, um sicherzustellen, dass sie den widrigen Bedingungen standhalten.
„Bauen im alpinen Gelände heißt, dass die Rahmenbedingungen extrem und oft außergewöhnlich sein können. Die Bausaison ist viel kürzer als im Flachland, oft nur von Juni bis Oktober, und auch im Sommer kann es schneien. Im steilen Gelände mit mehr als 30 Grad Hangneigung kann es Lawinen und Steinschlag geben, oder es besteht Absturzgefahr für Arbeiter und Maschinen. Dazu kommt der aufwändigere Einsatz von Helikopter und Materialseilbahnen“, erläutert Stefan Margreth, Leiter der Forschungsgruppe Schutzmaßnahmen am Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. „Die Bauarbeiten können meist nur von spezialisierten Firmen ausgeführt werden, die jedoch nur beschränkte Kapazitäten zur Verfügung haben. Dieser Aufwand wird von den Projektierern meist unterschätzt. Wären die alpinen Photovoltaik-Anlagen nicht so stark subventioniert, würde es sie kaum geben.“
Der schwierige Transport von Baumaterialien, Ausrüstung und Arbeitskräften zu den Baustellen oder bestehenden Anlagen erhöhen weiterhin die Kosten und den Aufwand für Bau, Betrieb und Wartung. Sinnvoll in Bezug auf die Zugänglichkeit erscheint die Wahl von Flächen mit bestehender Straßenverbindung etwa in der Nähe von bestehenden Kraftwerken, und geringer Hangneigung. Ohne ausreichend Erfahrung ist die Planung schwierig, weshalb unter anderem spezialisierte Ingenieurbüros aus dem Bereich Steinschlag- und Lawinenschutz herangezogen werden, deren Kapazitäten natürlich beschränkt sind. Aufgrund der kurzen Bausaison kann es zusätzliche Schwierigkeiten geben, Anlagen fristgerecht ans Netz anzuschließen, insbesondere wenn die Auswertung von Daten aus einer Testanlage und die Anfertigung von Spezialkonstruktionen miteinbezogen werden.
Projektentwickler betrachten nüchtern die Wirtschaftlichkeit einer Anlage. Die Frage, ob die hohen Kosten für die Realisierung einer alpinen Photovoltaik-Anlage verhältnismäßig sind, müssen auch die die Standortgemeinden selbst beantworten. Auf der Sonnenseite alpiner Photovoltaik-Anlagen steht deren vergleichbar hohe Produktion. So wird beispielsweise erwartet, dass die 18.5 Megawatt Anlage „Prafleuri Solaire“ an ihrem Standort auf etwa 2700 Höhemetern rund 25 Gigawattstunden jährlich produzieren wird. Dies sind etwa 1350 Kilowattstunden pro Kilowattpeak im Jahr.
Notwendige Expertise muss sich entwickeln
Um gute Gesamtlösungen zu erreichen, ist die Zusammenarbeit mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen von Seiten der Projektentwickler notwendig. Ebenfalls ist eine Testanlage an vielen Standorten essenziell, um überhaupt notwendige Informationen zu erlangen. So hat Alpiq bereits in den letzten beiden Wintern eine Testinstallationen am Standort des Projekts „Prafleuri Solaire“ installiert, und ist überzeugt, dass sich die geplante Photovoltaik-Anlage wirtschaftlich rechnen wird. Die Firma ist aus diesem Grund an drei weiteren alpinen Photovoltaik-Anlagen beteiligt: Gondosolar, Grimentz Grands Plans Solar, und Schiltsolar.Die Investitionssumme für das 18,5 Megawatt-Projekt wird mit immerhin 65 Millionen Schweizer Franken angegeben. Herausfordernd bleibt jetzt vor allem die zeitnahe Umsetzung des Projekts.
Die ersten alpinen Großprojekte haben experimentellen Charakter und werden es erlauben, viele Kenntnisse für Anlagen in ähnlicher Umgebung zu gewinnen. Spezielle Richtlinien von Seiten des BFE, Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Kantone als Bemessungsgrundlage für alpine Photovoltaik-Anlagen gibt es momentan nicht, doch befinden sich diese in Vorbereitung. (Hannah Bergler)
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Sehr guter und interessanter Artikel. Merci.