Net-Zero Industry Act: Resilienzausschreibungen – was kommt auf die Solarwirtschaft zu?

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Net-Zero-Industry-Act (NZIA) und die Plattform Strategische Technologien für Europa (STEP) sollten die europäische Antwort auf den milliardenschweren IRA der USA werden, um eine heimische Solarindustrie aufzubauen. Während über STEP zusätzliche Fördermittel generiert werden sollten, setzte der NZIA auf Local-Content Vorgaben, um europäische Hersteller zu unterstützen. Da STEP nun aber ohne zusätzliche Mittel ausgestattet ist, müssen es die ordnungsrechtlichen Local-Content-Maßnahmen alleine reißen. Für die Photovoltaik ist besonders relevant, dass künftig bei 30 Prozent der Ausschreibungsvolumina PV-Technik aus der EU zum Einsatz kommen soll. Dabei sollen Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien, wie etwa der CO2-Fußabdruck, angelegt werden. Die wichtigen Details wird die EU-Kommission erst in einem Implementierungsakt innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten des NZIA festlegen. Damit ist bis zum Jahresende zu rechnen. Bis dahin werden sehr viele relevante Fragen rund um die Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien noch ungeklärt sein.

Danach ist es Aufgabe der Mitgliedsstaaten, die neuen Regelungen umzusetzen. Das EEG wird folglich im ersten Halbjahr 2025 angepasst werden müssen. Im Herbst ist dann Bundestagswahl.

Was bedeutet die 30 Prozent-Vorgabe für Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien?

30 Prozent Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien bedeutet zunächst, dass 70 Prozent der Ausschreibungsvolumina nicht betroffen sind. Ebenfalls außen vor sind sämtliche PPA-Anlagen, die ohne Ausschreibungszuschlag errichtet werden. Anlagen, die Vergütungen und Prämien außerhalb der Ausschreibungen erhalten, sind ebenfalls nicht betroffen.

Ein wichtiger Punkt ist, dass sich das 30-Prozent-Kriterium übergreifend auf alle Erneuerbaren bezieht. Die Bundesregierung hat demnach Spielraum, die Resilienz-Ausschreibungsvolumina nach Sinnhaftigkeit zu verteilen. Da bei der Photovoltaik auf absehbare Zeit die Produktionsvolumen nicht vorhanden sein werden, um die 30 Prozent abzudecken, ist anzunehmen, dass die Bundesregierung hier zunächst weniger zuteilen wird.

Welche Teile der Lieferkette werden zu Grunde gelegt?

Eine spannende Frage wird auch sein, welche Teile der Photovoltaik-Lieferkette konkret einfließen. In Europa gibt es bekanntlich keine Ingot-Produktion. Die Wafer-Produktion ist homöophatisch und mit der gesamten aktuellen Zellproduktion ließe sich die Nachfrage Deutschlands gerade einen Monat lang abdecken. Auf die EU-Nachfrage bezogen, entspricht die Zellproduktion zwei Prozent der jährlichen Nachfrage. Die Modulproduktion wiederum ist zwar deutlich höher. Aber die allermeisten Zellen für die Module werden importiert. Und wo ist der Resilienz- oder Nachhaltigkeitsvorteil, wenn die Zellen weiterhin aus China kommen? Wie  Jenny Chase von BloombergNEF zu Recht betont, liegt der technologische Kern der Photovoltaik nicht im Modul, sondern in der Zelle. Der größte europäische Zellhersteller hat aber kürzlich damit gedroht, seine Zell-Produktion in die USA zu verlagern.

Die EU-Kommission wird in ihrem Durchführungsakt sicher schon Antworten geben, welche Teile der Lieferkette wie zu gewichten sind. Welche Spielräume dann noch bei den Mitgliedern verbleiben, wird sich nach Vorliegen des Durchführungsaktes zeigen.

Wie werden die NZIA-Kriterien bei der Bezuschlagung gewichtet werden?

Der NZIA gibt vor, dass Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien jeweils mit mindestens 5 Prozent in die Zuschlagsgewichtung der Resilienzausschreibungen einfließen sollen; in Summe sind es 15 bis 30 Prozent. Die Mitgliedsstaaten haben entsprechend Spielraum in der Auslegung. Damit die Kosten nicht zu sehr steigen, können die Mitgliedsstaaten die Zusatzkosten bei 15 Prozent je Ausschreibung deckeln. Angenommen, der Spielraum würde ausgeschöpft, würde dies bei Umlegung auf die 30 Prozent Ausschreibungsvolumen eine Kostenerhöhung von maximal 4,5 Prozent bedeuten (30 mal 15 Prozent).

Die NZIA-Resilienzausschreibungen der Bundesnetzagentur werden damit drei Kriterien enthalten: Mindestens 70 Prozent entfallen auf die Gebotshöhe, mindestens 5 Prozent jeweils auf Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien – in Summe 15 bis 30 Prozent. Die Ausschreibungen werden damit für alle Beteiligten deutlich komplizierter, sowohl für die Teilnehmer als auch für die Bundesnetzagentur, die die Ausschreibungen rechtssicher konfigurieren und auswerten muss.

Welche Gebote mit welchen Kombinationen sich am Ende in den Ausschreibungsrunden durchsetzen werden, ist allerdings offen. Wenn die Bieter mit Resilienz- und Nachhaltigkeitsaspekten zu hoch bieten, können sie immer noch in der Bezuschlagungs-Merit-Order hinter der Bezuschlagunsgrenze landen. Das wird Druck entfalten, wettbewerbsfähige Gebote abzugeben und auch entsprechend einzukaufen. Hersteller, die auf Wettbewerbsfähigkeit abzielen, werden folglich über den NZIA Rahmenbedingungen finden, die ihnen Investitionssicherheit geben.

Resilienzausschreibungen kommen früher oder später

Eine Frage, die aktuell im Bundestag rund um das Thema Resilienz kontrovers diskutiert wird, hat der Trilog-Beschluss zum NZIA immerhin beantwortet. Es wird Resilienzausschreibungen geben. Offen ist nur, ob es vorgeschaltete Resilienzausschreibungen im Rahmen des „Solarpakets 1“ gibt, die eine Brücke bis zu den NZIA-Resilienzausschreibungen schlagen. Diese hätten dann Übergangscharakter.

Die NZIA-Resilienzausschreibungen werden einen sicheren Rahmen für die europäische Photovoltaik-Produktion bieten. Zölle und andere diskutierte Handelshemmnisse würden bekanntlich große Schäden bei der Solarwirtschaft anrichten; durch die Local-Content-Vorgaben des NZIA ist deren angedachter Sinn des Schutzes der heimischen Solarindustrie jetzt endgültig hinfällig.

Auch ob die europäische Photovoltaik-Produktion perspektivisch von europäischen Herstellern, von angesiedelten chinesischen Herstellern oder im Rahmen von Joint Ventures erbracht werden wird, muss sich erst noch zeigen. Der NZIA könnte die Motivation außereuropäischer Hersteller jedenfalls erhöhen, in der EU Produktionsstätten für vom NZIA betroffene Teile der Lieferkette aufzubauen.

Für den Downstreambereich der Solarwirtschaft bedeutet der NZIA eine teilweise Verkomplizierung von Ausschreibungen. Das hält sich allerdings in einem Rahmen, mit dem die Solarwirtschaft wird leben können.

— Der Autor Carsten Pfeiffer ist Leiter Strategie & Politik des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Er gehörte zu den Autoren des Ursprung-EEGs im Jahr 2000 und ist Gründungsmitglied des PV Think-Tank. —

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