Vorschlag des Fraunhofer ISE für die Ausgestaltung von Resilienzboni

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Nichts spaltet und treibt die Solarbranche in Deutschland aktuell so um, wie die Resilienzboni, mittlerweile auch als Produktionsbonus bezeichnet. Worum geht es überhaupt? Aufgrund von Marktverzerrungen ist eine wettbewerbliche Produktion von Solarmodulen in Europa gegenüber China nicht mehr möglich. Die Produktionskosten in China sind aufgrund marktverzerrender Subventionen und Skaleneffekte einfach geringer. Um sich dennoch von einer fast 100-prozentigen Abhängigkeit zu lösen, wird beim Net-Zero Industry Act (NZIA) der Europäischen Kommission gefordert, dass 40 Prozent des eigenen Bedarfs bis 2030 in der EU produziert werden sollen.

Nun stellt sich die Frage, wie dies realisiert werden kann. Der Resilienzbonus setzt hier an und zielt darauf ab, die Mehrkosten bei der europäischen Produktion in jeder Produktionsstufe letztlich auf die Stromgestehungskosten umzulegen. Um dies gerecht zu realisieren, erfolgt die Zahlung des Bonus auf die produzierte Kilowattstunde und nicht auf die eingespeiste Kilowattstunde. Dies bedeutet, dass der Kunde bei europäischen Produkten höhere Investitionskosten hat, die über die 20 Jahre EEG-Vergütung wieder ausgeglichen werden. Eine kostenneutrale Alternative für den Kunden ist, dass er bei chinesischen Produkten weniger Kosten hat, dafür aber auch keinen Aufschlag auf die EEG-Vergütung erhält. Am Ende sind die Kosten für beide Ansätze für den Endkunden gleich. Kauft sich der Kunde ein System, das zusätzlich einen Speicher hat, so rechnet sich das nach wie vor durch den höheren Eigenverbrauch und den reduzierten Strombezug.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) sowie der VDE werben für das Konzept und wollen es noch im „Solarpaket 1“ platzieren. Große Installationsfirmen wie Enpal und 1Komma5° laufen indes dagegen Sturm. Die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP konnten sich bislang nicht auf eine gemeinsame Linie bei den Resilienzmaßnahmen einigen. Daher verschiebt sich die Verabschiedung des „Solarpakets 1“ im Bundestag noch mindestens bis in den März. Als Konsequenz aus der weiter fehlenden Unterstützung für die heimischen Photovoltaik-Hersteller wird Meyer Burger sein Modulwerk im sächsischen Freiberg zu Ende April schließen.

Beide Seiten hantieren dabei mit Zahlen, um ihr Pro und Kontra zu unterlegen. Öffentlich präsentiert wurde das Konzept der Resilienzboni bislang allerdings nicht. pv magazine liegt eine Kurzstudie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE vor, mit der die Einführung eines „Resilienzbonus Photovoltaik“ empfohlen wird und an dessen Nachweisverfahren auch der VDE, TÜV Rheinland, Kiwa und der BSW-Solar beteiligt waren. Der Resilienzbonus soll ergänzend zu dem bereits laufenden Interessenbekundungsverfahren zum Aus- und Aufbau einer europäischen Photovoltaik-Industrie führen, wobei vor allem mittelständische Unternehmen entlang der gesamten solaren Wertschöpfungskette – also Silizium- bis Modul- und Wechselrichterhersteller, Material- und Komponentenhersteller sowie Maschinenbauer – beteiligt sind.

Mit seinem Konzept empfiehlt das Fraunhofer ISE, für die Inanspruchnahme des Bonus zwei Mindestvoraussetzungen zu erfüllen: Anfänglich müssen, bezogen auf das Gesamtsystem, 50 Prozent europäischer Wertschöpfung vorhanden sein. Dieser Anteil sei durch Wechselrichter und Modul erreichbar. Zudem soll dieser Grenzwert mit den Jahren ansteigen, so dass am Ende die gesamte Wertschöpfung für die Photovoltaik-Anlage aus Europa stammen muss, um für den Bonus zugelassen zu werden. Darüber hinaus plädieren die Freiburger Wissenschaftler dafür, einen Minimumwert für den CO2-Fußabdruck der Module festzulegen, der sich aus dem Energiemix am Produktionsstandort nach einer einfachen Tabelle für den CO2-Fußabdruck für jede Wertschöpfungsstufe errechnet. Auch dieser Schwellenwert wird über die Jahre angepasst, in diesem Fall abgesenkt.

„Ein kontinuierlich absinkender Schwellenwert stellt eine klimafreundliche Produktion sicher und setzt wichtige Anreize, den eigenen Fußabdruck zu verbessern“, so die Forscher des Fraunhofer ISE. Sie sehen diesen Vorschlag im Einklang mit den NZIA-Vorgaben der EU. „Eine kluge Vorwegnahme des NZIA kann den in Deutschland operierenden Produzenten, internationalen Investoren und künftigen PV-Gigafabs noch rechtzeitig signalisieren, dass eine Renaissance der PV-Produktion in Deutschland möglich ist“, so die Forscher weiter.

Höhe abhängig vom Anteil europäischer Produkte

Doch wie stellen sie sich die Ausgestaltung der Resilienzboni genau vor? Zunächst einmal sollten sie auf das Segment der Photovoltaik-Anlagen für Gebäude und Lärmschutzwände bis ein Megawatt Leistung angewendet werden. Dies sei das Stammsegment der in Europa noch vorhandenen Photovoltaik-Hersteller und könne ihnen trotz volatilem Marktumfeld eine Perspektive geben. Nach Einführung und Validierung des Konzeptes sollten die Boni dann auch auf das Ausschreibungssegment anwendbar sein.

Resilienzbonus, Fraunhofer ISE
Der maximale Resilienzbonus würde für Modul und Wechselrichter bei 3,42 Cent pro Kilowattstunde liegen, wird aber nicht erreicht werden, da nicht alle Wertschöpfungsstufen mit europäischen Produkten abzudecken sind. (aktualisiert)

Quelle: Fraunhofer ISE

Für die Jahre 2024 bis 2026 berechnet das Fraunhofer ISE dabei einen maximalen Resilienzbonus von 3,42 Cent pro Kilowattstunde, sofern vom Polysilizium über Wafer und Zelle bis zum Modul und Wechselrichter alles aus europäischer Produktion stammt. Anzumerken ist dabei, dass dies zum aktuellen Zeitpunkt nicht realisierbar ist und somit die Zuschlagskosten bei der EEG-Vergütung in Realität deutlich niedriger sein werden. Würden  alle Komponenten eines Moduls in Europa gefertigt, wäre eine Zusatzvergütung von  2,74 Cent pro Kilowattstunde vorgesehen. Damit soll die angenommene Differenz bei den Herstellungskosten zu chinesischen Solarmodulen annähernd kompensiert werden. Die Rechnung zeigt dabei, dass die Forscher für chinesische Photovoltaik-Module Kosten von 11,87 Cent pro Watt annehmen und für Produkte deutscher Hersteller 36,89 Cent pro Watt, wenn alle Komponenten aus europäischer Fertigung kommen, also vom Polysilizium bis zum Solarmodul. Die Differenz wird über 20 Jahre auf die Stromgestehungskosten umgerechnet, wobei hierbei die Finanzierungskosten mitberücksichtigt werden.

Tatsächlich erwarten die Freiburger Forscher zum Anfang einen realisierbaren Resilienzbonus zwischen 1,48 und 2,53 Cent pro Kilowattstunde – dies ist erreichbar, wenn das Solarmodul und der Wechselrichter oder zusätzlich auch noch das Solarglas aus Deutschland oder Europa stammen.

Sukzessive Degression des Resilienzbonus bis 2030

Für die Jahre 2027 und 2028 schlägt das Fraunhofer ISE ein Absinken des Bonus für das vollständig in Europa gefertigte Modul auf 2,03 Cent pro Kilowattstunde vor. 2029 soll dieser Resilienzbonus dann noch 1,21 Cent pro Kilowattstunde betragen und 2030 schließlich auf null sinken.

Zahlungen, Resilienzboni, 2024, nach Wertschöpfungsstufen
In diesem Jahr würden die Ausgaben für den Resilienzbonus nach Berechnungen des Fraunhofer ISE bis zu 47 Millionen Euro erreichen.

Grafik: Fraunhofer ISE

Die veranschlagten Kosten für Bonuszahlungen haben die Freiburger Forscher mit 47 Millionen Euro für dieses Jahr errechnet. Sie steigen jährlich an und erreichen 2029 dann 436 Millionen Euro, die jedes Jahr bis 2043 fällig würden. Danach sinkt der Betrag bis 2048 wieder. Ab 2049 würde der Resilienzbonus dann keine Kosten mehr verursachen. Die maximalen Höhen würden erreicht, wenn 40 Prozent des Zubaus in dem Segment Dachanlagen/Lärmschutzwände mit dem Resilienzbonus erfolgen würde. Die Gesamtkosten lägen damit bei 8,7 Milliarden Euro über die gesamte Laufzeit.

Das Fraunhofer ISE geht davon aus, dass durch einen solchen Zuschuss eine Fertigungskapazität von 26,4 Gigawatt pro Jahr – 4,4 Gigawatt pro Photovoltaik-Wertschöpfungsstufe und inklusive Wechselrichter – bis 2030 in Europa gefördert wird. Das Geld würde zudem unmittelbar den europäischen Mittelstand mit tausenden Arbeitsplätzen unterstützen. Zur Umsetzung des Systems plädiert das Fraunhofer ISE dafür, die Herstellernachweise des etablierten Zertifizierungssystems von VDE und TÜV zu nutzen.

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