SASV droht mit Klage gegen Meyer Burger – Unternehmen weist Vorwürfe als haltlos zurück

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Die Zeiten für europäische Photovoltaik-Hersteller sind hart. Für die Meyer Burger Technology (MBT) AG könnte es jetzt ganz dick kommen. Der Schweizerische Anlegerschutzverein (SASV) hat rechtliche Schritte gegen den Hersteller von Heterojunction-Solarzellen und Solarmodulen angekündigt. Es hätten sich in den vergangenen Wochen mehrere Aktionäre gemeldet, die sich von derMeyer Burger-Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat getäuscht sehen. Die Interessen dieser Aktionäre will der SASV vertreten. Dafür würden rechtliche Schritte vorbereitet und mögliche Schadenersatzansprüche geprüft, teilte der Anlegerschutzverein am Freitag mit.

Bei Meyer Burger kennt man den Verein. „Meyer Burger sieht sich seit mehreren Wochen direkten und indirekten Angriffen durch den Schweizerischen Anlegerschutzverein ausgesetzt“, heißt es in einem Statement. „Die aktuellen Behauptungen des SASV weist die Gesellschaft als haltlos zurück. Diese sind darüber hinaus bereits aus vergangenen Generalversammlungen der Gesellschaft und aus Medienberichten bekannt“, so das Unternehmen weiter.

Brisante Vorgeschichte

Zwischen Meyer Burger und dem SASV gibt es eine brisante Vorgeschichte, so etwa aus dem Sommer 2021. Auch Schweizer Medien berichteten bereits weitläufig über den Verein mit dem wohlklingenden Namen. Er sei im Juli 2021 von Personen gegründet worden, die dem damaligen Meyer-Burger-Verwaltungsratsmitglied Urs Fähndrich nahestanden. „Dieser hatte sein Mandat im März 2021 nach Vorwürfen aufgegeben“, erkärte Meyer Burger. Danach begann sein Feldzug gegen das Photovoltaik-Unternehmen. Bereits im Jahr 2021 sorgten Fähndrich und die Investorengruppe Sentis für eine Strafanzeige wegen Bestechung, wie unter anderem Schweizer Medien wie die „Handelszeitung“ oder „tippinpoint.ch“ berichteten.

Meyer Burger kündigte aktuell erneut an, sich ebenfalls rechtliche Schritte gegen Urs Fähndrich und den SASV vorzubehalten. „In der Kampagne des SASV wird in den Augen der Gesellschaft der Versuch unternommen, ihr kurz vor wichtigen politischen Entscheidungen schweren Schaden zuzufügen. Dies ist zum Nachteil unseres Unternehmens und unserer Aktionäre, unserer Mitarbeitenden, Kunden sowie des Produktionsstandortes Europa“, erklärte Meyer Burger.

Vorwürfe von Seiten des Anlegerschutzvereins

Worum geht es bei den Vorwürfen von SASV konkret? „Der SASV sieht einen dringenden Verdacht, dass MBT den Kapitalmarkt in der Vergangenheit wiederholt falsch oder zu spät informiert und den eigenen wirtschaftlichen Ausblick zu positiv dargestellt hat“, heißt es. Dies betreffe zum einen den erklärten Technologievorsprung von Meyer Burger, zum anderen einen 2021 geschlossenen Abnahmevertrag mit DESRI für den US-Markteintritt.

Bezüglich des Technologievorsprungs moniert der SASV eine im Juli 2020 veröffentlichte Roadmap. Darin stellte Meyer Burger für das Jahr 2024 Wirkungsgrade von 22,4 Prozent für die Heterojunction-Smartwire-Module, 24,5 Prozent für IBC-Module und 28,3 Prozent für Heterojunction-Perowskit-Tandemmodule aus eigener Produktion in Aussicht. Diese Werte seien jedoch bis jetzt nicht erreicht. So liege der höchste Wirkungsgrad für die Heterojunction-Module bei 21,8 Prozent, während die anderen Technologien noch nicht produziert würden, so der SASV. Gleichzeitig seien die technologischen Fähigkeiten der Konkurrenz unterschätzt worden, die mittlerweile Module mit bis zu 23,6 Prozent Wirkungsgrad herstelle. Zudem sei durch die Meyer-Burger-Führung die Geschwindigkeit der Umstellung von Perc- auf Topcon-Module unterschätzt worden, die vergleichbare Wirkungsgrade wie die Heterojunction-Solarmodule von Meyer Burger erreichen, so der Verein.

„Der angebliche technologische Vorsprung von MBT entpuppte sich somit als Illusion“, erklärt der SASV. Er habe jedoch als Basis für die Kapitalerhöhung und den finanziellen Ausblick im Juli 2020 gedient sowie als Argumentation für eine zu erwartende Preisprämie für die eigenen Module. Daher erwartete Meyer Burger zu diesem Zeitpunkt bereits ein ausgeglichenes EBITDA auf Basis eines Produktionsvolumens ab 400 Megawatt jährlich. Für 2023 prognostizierte der Vorstand damals einen Umsatz von 400 bis 450 Millionen Schweizer Franken bei einer EBITDA-Marge von 25 bis 30 Prozent.

In der Folge, so der SASV weiter, hätten Aktionäre immer wieder kritische Fragen zur technologischen Roadmap und dem finanziellen Ausblick gestellt. Diese seien jedoch von Unternehmenszeite nur verzögert und unzureichend beantwortet worden, erklärt der Verein. In der Folgezeit zeigte sich, dass die Ergebnisprognosen – die dann auch teilweise reduziert wurden – nicht zu erreichen waren.

Mitte Januar habe Meyer Burger schließlich ein vorläufiges EBITDA für das Geschäftsjahr 2023 von -126 Millionen Schweizer Franken verbucht und kündigte einen kurzfristigen Kapitalbedarf von 450 Millionen Schweizer Franken an.

Markteintritt in den USA

Als zweiten Punkt monieren einige Aktionäre, dass Meyer Burger durch das Vorziehen des Markteintritts in den USA im März 2021 schon für das zweiten Halbjahr 2021 erste Umsätze aus dortigen Modulverkäufen versprochen habe. Im Mai 2022 habe Meyer Burger jedoch unter Verweis auf Geschäftsgeheimnisse keine Auskunft auf eine Aktionärsfrage, wann und wie die Module in den USA bezogen werden könnten, gegeben. Bis jetzt gebe es keine Auskunft darüber, wie hoch der Absatz von Meyer Burger in den USA sei, so der SASV. Unklar sei den Aktionärsschützern auch, warum Meyer Burger trotz der Abschottung des US-Marktes gegenüber chinesischen Modulen seine dortigen Lagerbestände von rund 360 Megawatt im vergangenen Jahr nicht habe absetzen können.

Unstimmigkeiten gibt es nach Ansicht des SASV auch bezüglich des im August 2022 geschlossenen Abnahmevertrags mit dem US-Unternehmen D. E. Shaw Renewable Investments (DESRI). Darin sind die Abnahme von 3,75 Gigawatt von in den USA produzierten Solarmodulen von Meyer Burger enthalten sowie ein Vorkaufsrecht oder eine Option auf weitere 1,25 Gigawatt. Gestritten wird nun über die genaue Formulierung, ob es nun ein Vorkaufsrecht oder eine Option ist. Verwaltungsrat Urs Schenker habe erklärt, dass zwei Begriffe für dasselbe verwendet worden seien.

Dies sei jedoch unzutreffend, so der SASV. Ein Vorkaufsrecht („right of first refusal“) und eine einseitige Option („unilateral option“) seien klar voneinander zu unterschieden. Eine einseitige Option würde Meyer Burger verpflichten, die Module zu einem festgelegten Preis zu liefern, wenn DESRI davon Gebrauch macht. Im Gegensatz zu einem Vorkaufsrecht würde Meyer Burger damit ein „substanzielles Preisänderungsrisiko“ tragen. Zudem wirft der SASV dem Verwaltungsrat vor, dass er abweichende Antworten zu der Frage gegeben habe, wie Meyer Burger von den Steuergutschriften in den USA profitieren werde. „Es ist ein bedeutender Unterschied, ob nun der größte Teil oder bloß voraussichtlich ein Teil der Steuergutschriften bei MBT verbleiben.“ Ersteres soll Schenker auf der Generalversammlung im Oktober 2022 gesagt haben, letzteres steht in dem dazugehörigen Protokoll, wie der SASV argumentiert.

Als dritten Punkt fügt der Verein noch die Unklarheiten über die Bezahlung eines Finanzbloggers an. Die Aussagen von Meyer Burger, dass es keine vertragliche Beziehung und Bezahlung gebe, sind nach Ansicht des Vereins falsch. Er habe Belege, dass der Energieblogger auf Wunsch von Sentis-Geschäftsführer Anton Karl von Meyer Burger beauftragt wurde, Videos zu erstellen. Damit sei unter Privatanlegern große Aufmerksamkeit erzielt worden. In den Videos und Beiträgen habe es jedoch keine Hinweise auf die Beauftragung durch Meyer Burger gegeben. Der Energieblogger wiederum erklärte gegenüber pv magazine, er mache in seinen Videos kenntlich, dass er selbst in Meyer Burger als Aktionär investiert sei.

Der SASV bereitet aufgrund der mangelhaften Transparenz und den wiederholten Verfehlungen von MBT Anzeigen wegen Verdachts auf Verletzung von Ad-hoc-Publizitätspflichten sowie wegen Verdachts auf Marktmanipulation vor“, erklärte der Verein am Freitag weiter. Er behalte sich auch vor, Strafanzeige wegen Verdachts auf Kursmanipulation einzureichen. Zudem würden weitere rechtliche Schritte, wie Zivilklagen gegen einzelne Mitglieder der Geschäftsführung und des Verwaltungsrats, geprüft.

Kommt es zu den Klagen, dürfte sich die Situation bei Meyer Burger weiter verschärfen. In Kürze will der Photovoltaik-Hersteller klären, ob er seine Modulproduktion im sächsischen Freiberg über den April hinaus fortführt oder zu dem Zeitpunkt einstellt. Die Zellfertigung in Bitterfeld-Wolfen wird zunächst weiterlaufen, weil die dortigen Zellen auch für das Anlaufen der Modulproduktion in den USA genutzt werden. Mittlerweile konzentriert sich Meyer Burger ganz auf den Aufbau seiner Produktionskapazitäten in den USA. Dort gibt es durch den Inflation Reduction Act (IRA) großzügige Anreize zum Aufbau von Produktionsstätten.  Der SASV verweist in seiner Mitteilung dennoch auf einen kürzlich veröffentlichten Bericht der Zürcher Kantonalbank. Darin heiße es, dass das Überleben von Meyer Burger am seidenen Faden hänge. Ohne umfangreiche Rekapitalisierung könnte demnach bereits in diesem Frühjahr eine Insolvenz des Unternehmens drohen.

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