Mythen rund um Elektroautos: Was ist dran?

Elektroauto, Herz, Pixabay

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2035 soll Schluss sein: Im vergangenen Jahr hat die Europäische Union das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor besiegelt. Ab 2035 dürfen nur noch Autos neu verkauft oder zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Nach jetzigem Stand der Technik werden das vor allem Elektroautos und in geringerem Umfang auch Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb sein. Dennoch halten sich einige Argumente gegen die Elektromobilität weiterhin hartnäckig – auch bei fragwürdigem Wahrheitsgehalt. EFAHRER.com hat sich diese Argumente genauer angeschaut.

1. Elektroautos führen zum Zusammenbruch der Stromnetze

Eins der wohl häufigsten Argumente gegen Elektroautos: Wenn der Großteil der Bevölkerung elektrisch fährt, soll das die Stromnetze überlasten und zusammenbrechen lassen. Die Wahrheit: „Perspektivisch sind durchaus Anpassungen des Stromnetzes nötig, um das gleichzeitige Laden vieler Elektroautos zu ermöglichen“, räumt das Bundesumweltministerium ein. Das gilt besonders für örtliche Stromnetze, also die sogenannten Verteilnetze. Ziel ist es, örtliche oder zeitliche Spitzenbelastungen der Netze auszugleichen, wie sie etwa abends entstehen, wenn viele Menschen zu Hause sind, ihr Auto laden und zudem weitere elektrische Verbraucher verwenden. Dazu muss das Netz „smart“ werden, zum Beispiel durch die Installation und den Einsatz von Speichertechnologien.

Das Umweltministerium gibt auf seiner Website Entwarnung: Die Entwicklung unseres Stromnetzes zum Smart Grid ist aufgrund der Energiewende ohnehin bereits in vollem Gange, da die Einspeisung von Energie immer mehr von Sonne und Wind abhängig wird und zunehmend dezentral erfolgt, etwa aus Photovoltaik-Dachanlagen. Damit sind intelligente Netztechnologien schon jetzt unverzichtbar. Elektrofahrzeuge, die dank bidirektionalen Ladefähigkeiten als „flexible Stromabnehmer“ laden, könnten langfristig zum stabilisierenden Teil des Smart Grids werden – das funktioniert dank smarter Wallboxen schon heute. Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA konnten mit einem Computermodell zudem zeigen, dass sich Spitzenlasten auch ohne technologische Neuerungen vermeiden lassen könnten, zum Beispiel wenn Elektrofahrzeuge auch tagsüber auf dem Firmenparkplatz geladen werden, statt nur nach Feierabend.

2. Das Stromangebot reicht nicht aus für Elektroautos

Ein ähnlich gelagertes Argument, das sich nicht auf das Stromnetz, sondern auf die Menge verfügbaren Stroms stützt: Elektroautos sollen angeblich dafür sorgen, dass uns der Strom ausgeht. Fakt ist: Selbst wenn die Elektromobilität sich schneller als geplant durchsetzt, sind bereits genug erneuerbare Energien vorhanden. Wenn alle derzeit rund 45 Millionen Pkw auf deutschen Straßen weitgehend elektrisch fahren würden, so wären dafür gut 100 Terawattstunden im Jahr nötig, rechnet das Bundesumweltministerium vor. Das entspricht nur einem Sechstel dessen, was Deutschland heute pro Jahr insgesamt an Strom verbraucht. 2019 wurde aus Erneuerbaren eine Strommenge von 244 Terawattstunden erzeugt, also mehr als doppelt so viel wie der Bedarf einer komplett elektrischen Fahrzeugflotte. Gleichzeitig schreitet der Ausbau erneuerbarer Energien weiterhin zügig voran – an Strom wird es also nicht mangeln.

3. Elektroautos sind umweltschädlicher als die klassischen Verbrenner

Immer wieder hört man, dass Elektroautos bei der Produktion und im Betrieb sogar mehr CO₂ und CO₂-Äquivalente ausstoßen sollen als vergleichbare Verbrenner-Pkw. Diese Aussage ist allerdings unpräzise: Tatsächlich ist die Produktion von Elektroautos aufgrund der Antriebsakkus recht ressourcenintensiv und erfordert den Abbau von teils kritischen Stoffen wie Lithium oder Kobalt. Das führt dazu, dass Elektroautos mit einem größeren „CO₂-Rucksack“ vom Band rollen als reine Verbrenner-Pkw, die keine großen Batterien besitzen.

Allerdings baut das Elektroauto ab dem Zeitpunkt, wo es das Werk verlässt, seinen Klimavorteil auf: Laut einer Lebenszyklus-Analyse des ADAC wird der CO₂-Nachteil von batterieelektrischen Autos nach einer Fahrleistung von 45.000 bis 60.000 Kilometern ausgeglichen. Ab diesem Punkt wird ein Elektroauto mit jedem weiteren Kilometer, das es zurücklegt, umweltfreundlicher im Vergleich zum Verbrenner. Wie viele Kilometer man genau mit dem Stromer zurücklegen muss, um einen Klimavorteil zu erzielen, kommt auf die Produktionsbedingungen, die Größe und Machart der Batterie sowie den zugrundeliegenden Strommix an. Bei einem Strommix, der sich zu großen Teilen aus fossilen Quellen wie Erdgas und Kohle zusammensetzt, dauert es länger als bei einem möglichst ‚grünen‘ Strommix. Hinzu kommt außerdem, dass die Batterieproduzenten immer effizienter werden, Akkus energiedichter und somit kompakter werden und bei der Herstellung der Akkus immer mehr Ökostrom verwendet wird.

4. Die Reichweiten sind nicht ausreichend

An die Reichweiten von Diesel-Pkw kommen heute gängige Elektroautos zwar noch nicht heran. Und auch die WLTP-Reichweiten, die die Autobauer für ihre Stromer angeben, sind oft nicht hundertprozentig präzise – laut ADAC erzielen Elektroautos im Durchschnitt 15 bis 20 Prozent höhere Stromverbräuche und somit geringere Reichweiten als laut Angaben der Hersteller nach WLTP-Zyklus.

Allerdings hat sich die durchschnittliche Reichweite von Elektroautos seit 2011 mehr als vervierfacht. Laut Electric Vehicle Database liegt die reale Reichweite der insgesamt gut 300 gelisteten Elektroautomodelle inzwischen bei durchschnittlich 361 Kilometern. Somit ist die Reichweite bereits so hoch, dass der typische Autofahrer sie selbst bei Langstreckenfahrten nicht am Stück und ohne Pause zurücklegen würde. Da Elektroautos zudem über immer bessere Schnellladefähigkeiten verfügen und das Schnellladenetz an deutschen Autobahnen immer dichter wird, wird die Reichweitenangst in den kommenden Jahren auch zunehmend an Bedeutung verlieren.

5. Elektrofahrzeuge sind brandgefährlich

Immer wieder gibt es Medienberichte über in Brand geratene Elektroautos. Über in Brand geratene Verbrenner-Pkw hört man indes kaum etwas – das führt zu einer Wahrnehmungsverzerrung und zu der Behauptung, dass Elektroautos häufiger oder leichter in Brand geraten als fossil betriebene Pkw.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Von 100.000 Hybrid- oder Elektroautos gerieten im Jahr 2022 durchschnittlich 3,8 Fahrzeuge in Brand. Für Verbrenner liegt der Wert bei 68, lautet das Ergebnis einer norwegischen Studie. Allerdings beinhalten diese Daten auch Fälle von Brandstiftung, weshalb der Einfluss der Antriebsart nicht eindeutig herausgestellt werden kann.

Auch Experten der Feuerwehr gehen bei Elektroautos nicht von einer erhöhten Brandgefahr aus. Tatsächlich schützen Autobauer die Akkus von Elektroautos sogar besonders gut vor Beschädigungen und daraus resultierenden Bränden. Ohne eine vorangegangene Beschädigung ist eine spontane Selbstentzündung der Batterie äußerst unwahrscheinlich. Zwar brennen einmal in Brand geratene Akkus bei höheren Temperaturen als etwa Benzin und können auch schwieriger zu löschen sein – Mitarbeiter der Feuerwehren werden für solche Fälle allerdings geschult und verfügen über spezielle Löschmethoden.

6. Der Kauf eines Elektroautos ist zu teuer

Elektroautos sind nach wie vor deutlich teurer als vergleichbare Verbrenner. Die jüngst beendete Kaufprämie der Bundesregierung verstärkt den Preisunterschied noch weiter, es gibt aber Anzeichen dafür, dass die Hersteller nach dem Förder-Aus in diesem Jahr zunehmend Rabatte gewähren wollen. Mit dem Citroën e-C3, dem Ioniq 2, dem elektrischen Nachfolger des Nissan Micra, dem neuen Renault Twingo Electric und weiteren, angekündigten Fahrzeugen sollen 2024 und 2025 aber zahlreiche Elektrofahrzeuge für 25.000 Euro und weniger auf den Markt kommen. Das ist zwar immer noch nicht günstig – aber die Preise werden merklich bezahlbarer und stellen eine Entwicklung in die richtige Richtung dar.

7. Elektromobilität macht uns noch abhängiger vom Auto

Elektroautos sind eines der aktuell wirksamsten Instrumente zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes im Individualverkehr. Noch besser wäre allerdings eine starke Reduzierung des Verkehrsaufkommens, gerade im Individualverkehr. Dieses Anti-Elektro- beziehungsweise Anti-Auto-Argument ist wissenschaftlich betrachtet kaum von der Hand zu weisen.

Verkehrsvermeidung ist eine deutlich effektivere Klimaschutzmaßnahme im Vergleich zur Verlagerung oder Umstrukturierung des Verkehrs. Verkehrsvermeidung, Fahrräder, Carsharing und öffentliche Verkehrsmittel sind aber gerade für Bewohner des ländlichen Raums oft keine Alternative zum Auto. Vor diesem Hintergrund muss man also festhalten: Elektroautos sind nicht die perfekte Lösung all unserer Verkehrsprobleme – sie sind aber eine deutlich bessere, weil umweltfreundlichere Alternative zum Verbrenner-Pkw. (Tobias Stahl)

Der Artikel erschien zuerst bei unserem Partner E-Fahrer.

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