Die Bundesregierung hat 60 Milliarden weniger für den Klimaschutz zur Verfügung. Das ist das Ergebnis eines Bundesverfassungsgerichtsurteils vom Mittwoch. Die Karlsruher Richter erklärten das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig. Geklagt hatte die Bundestagsfraktion der Union.
Während der Covid-Pandemie erteilt der Bundestag einige Sondervermögen und umging die Schuldenbremse. In einer Notlage und zur Krisenbewältigung ist das auch zulässig. Für solche Fälle darf sich die Bundesregierung eine Kreditermächtigung unter bestimmten Vorgaben erteilen. Zunächst waren das 180 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt 2021 als neue Schulden aufgenommen werden durften. Mit einer Aufstockung erteilte die Bundesregierung eine Kreditermächtigung von 240 Milliarden Euro. Mehr Geld als nötig. Im Februar 2022 überführte die Bundesregierung 60 Milliarden Euro dem Klima- und Transformationsfonds, damals noch Energie- und Klimafonds genannt, und machte die eigentlich zweckgebundenen Ausnahmen neuer Schulden für die Bewältigung der Corona-Pandemie so für den Klimaschutz in zukünftigen Haushalten nutzbar. Dem erteilte das Bundesverfassungsgericht nun eine Absage.
Drei Rechtsbrüche
Drei Gründe seien für die Nichtigkeit des Nachtragshaushalts verantwortlich. Zum Ersten sei eine zusätzliche Kreditaufnahme durch die geltende Schuldenbremse nur in einer Notsituation zulässig. Während der Nutzen für die Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie im Bundeshaushalt und dem ersten Nachtragsgesetz 2021 gegeben war, ist der Zusammenhang im zweiten Nachtrag, in dem die 60 Milliarden Euro dem Energie- und Klimafonds zugeführt wurden, nicht hinreichend dargelegt.
Das zweite Problem besteht dem Urteil zufolge in der zeitlichen Entkopplung zur Notlage. Die Kreditermächtigung erfolgte für den Haushalt 2021. Der Zweite Nachtragshaushalte trat erst im Februar 2022 in Kraft, gelte aber rückwirkend zum 1. Januar 2021. Die Gelder sollten also dem Haushalt 2021 als neue Schulden angerechnet werden, gleichzeitig aber nicht in Grenze zur Schuldenbremse 2022 eingerechnet werden. Das ist unzulässig, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt. Zudem verstoße es gegen Grundsätze des Haushaltsrechts, dass ein Nachtragshaushalt für ein bereits abgeschlossenes Haushaltsjahr beschlossen wird.
Diese Entscheidung führt explizit dazu, dass sich die zur Verfügung stehenden Mittel im Klima- und Transformationsfonds um 60 Milliarden Euro verringern. Das entspricht der Summe, die im zweiten Nachtragshaushalt auf den Klimafonds verbucht wurde. Sein Volumen erhöhte sich im Zuge dessen von 42 Milliarden Euro auch 102 Milliarden Euro.
„Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren“, teilt das Bundesverfassungsgericht mit.
Verbände pochen auf Ersatz im Haushalt
Die Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND) bemerkte zu dem Urteil, dass „kreative Haushaltsplanung“ keine angemessene Finanzierungsgrundlage für den Klimaschutz sein. Klimaschutz solle daher fest im Bundeshaushalt verankert sein, anstatt sich auf „unsichere“ Sondervermögen zu verlassen. „Es ist nun Aufgabe der Regierung, für finanzielle Planungssicherheit für die Transformation hin zur Klimaneutralität zu sorgen“, sagt Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative. „Am besten in Zusammenarbeit mit der Union, um eine breite Basis für mögliche zukünftige Regierungskonstellationen zu schaffen.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert derweil, dass die Bundesregierung schnellstmöglich die Schuldenbremse aussetzt. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeutet, dass viele Milliarden für unabdingbare Klimaprojekte und deren sozial gerechte Ausgestaltung fehlen werden“, erklären BUND-Vorsitzender Olaf Bandt und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer der paritätischen Gesamtverbände. „Die Bundesregierung muss in dieser Situation eine Aussetzung der Schuldenbremse einleiten, um Zukunftsprojekte beispielsweise im Gebäudebereich und bei der Finanzierung der Erneuerbaren nicht zu gefährden.“
Greenpeace wendet sich mit einem Appell an Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser solle seine Richtlinienkompetenz nutzen, um den notwendigen Klimaschutz im Haushalt zu verankern. Neue Kredite, Steuern und der Abbau klimaschädlicher Subventionen müssen verhandelt werden, fordert Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. „Dieses Urteil ist ein herber Rückschlag für den Schutz des Klimas! Nun rächt sich, dass die Ampel den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft von Anfang an mit finanzpolitischen Taschenspielertricks bezahlen wollte. Bundeskanzler Scholz muss jetzt für Ordnung bei den öffentlichen Finanzen sorgen und beim Klimaschutz Farbe bekennen“, sagt Kaiser.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Richtig so, das Geschachere muss ein Ende haben. Jetzt muss die Regierung halt in den saurer Apfel beißen und dem Klimaschutz die Priorität einräumen die er verdient.
Bleiben jetzt eigentlich drei Möglichkeiten über.
Entweder wird im Klimaschutz eine Notlage ausgerufen, dann können sie dafür ausgeben was sie wollen, sie beschließen mit der CDU zusammen eine Änderung in der Schuldenbremse, die Investitionen in Infrastruktur und Naturschutz von der Schuldenbremse ausnimmt, oder sie halten sich an die Schuldenbremse, streichen alle Maßnahmen, reduzieren Sozialleistungen, erhöhen die Steuern und stecken den Kopf in den Sand, wie es die CDU 16 Jahre gemacht hat.
Ich tippe auf das letztere. Die NIMBYs und Besitzstandswarer werden sich durchsetzen.
Das Verfassungsgericht muss langsam aufpassen hier nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Der Regierung per Urteil zu attestieren sie tue nicht genug für den Klimaschutz und gleichzeitig ihr das Geld dafür wegzunehmen ist schizophren.
Auch wenn das alles juristisch wohlbegründet ist, so wird der in Jurisprudence nicht firme Bürger sich fragen ob man diese Richter*innen angesichts der von ihnen selbst bestätigten Notlage beim Klimaschutz noch ernst nehmen kann.????
Überflüssige Ausgaben an anderer Stelle und damit das Schaffen neuer Anreize nicht am Arbeitsmarkt teilzunehmen könnte Option 4 darstellen und würde vermeiden die arbeitende Bevölkerung noch mehr zu schröpfen.
Das Urteil zeigt das alle fossile Subventionen in der Klimakrise sofort eingestellt werden müssen und damit die Transformation deutlich zu vereinfachen ist. Wenn die Regierung den Klimanotstand korrekt begründet, könnte verfassungskonform, der jetzt zeitlich beschränkte notwendige Umbau sogar mit mehreren hundert Milliarden angeschoben werden. Falls nicht wird als nächstes wieder das Verfassungsgericht die Untätigkeit der Regierung dokumentieren das überschreiten des 1,5° Ziel in wenigen Jahren Ziel aktiv mit unterstützt zu haben.
Was bitte ist an Klimanotstand nicht zu verstehen, um das notwendigen „Sondervermögen von mind. 200Mrd statt nur 60Mrd“ korrekt zu aktivieren?
Lieber Olaf höchste Zeit für die Klimanotstands-Zeitenwende Rede und nicht weiter am fossilen festkleben, da jeglicher weiterer fossiler CO2-Ausstoß für alle unbezahlbar teuer werden wird!
Aus welchen Mitteln werden eigentlich die 500 Mio KfW442 finanziert?
Ist dieses Programm (rückwirkend oder auch nur für die 2. Phase) betroffen?
Förderzusagen enthalten ja üblicherweise immer den Zusatz „abhängig von der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel“.
So nun kommen die Kosten endlich mal auf den Tisch, von wegen die Sonne schickt uns keine Rechnung usw…
Zudem müssen wir auch mal eine Grenze festlegen, bekommt jedes Haus eine Förderung für eine Wärmepumpe und wer soll dies alles bezahlen.
Mit einer konstruktiven Mitarbeit der Union ist nicht zu rechnen. Ihr bestreben ist – seit sie abgewählt wurde – mit fragwürdigen Argumentationen und Diffamierungen, diese Regierung zu diskreditieren und zu zerstören. Denn eins haben sie bis heute nicht verkraftet, ihre Abwahl. Nachdem über Jahre der Untätigkeit und Schlendrian Infrastruktur kaputtgespart wurde, die seit langen anstehenden Problemen der maroden Schulen, Krankenhäuser, Altersversorgung, Polizei, Bundeswehr, Verkehr, Digitalisierung u.v.a.m. nicht im Ansatz angegangen wurden, Die Klimaproblematik verdrängt, die Lösung verschleppt wurde, fordern nun die Verursacher von der Ampel, dass diese misslichen Rückstände sofort beseitigt werden. Hinzu gesellen sich die Konflikte in der Ukraine, einhergehend mit der Einstellung der Russ. Gaslieferung, aktuell der nahe Osten und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in China die uns, bedingt durch die starke Abhängigkeit mitreißen. Eine Anhäufung von Schwierigkeiten die bisher keine Regierung zu stemmen hatte. Schwierigkeiten die, wären sie zeitnah angegangen und gelöst worden, die heutigen Finanzen nicht so belasten würden. Und nun, voller Häme, freut sich die Union, dass dem Haushalt die eingeplanten 60 Milliarden verloren gehen. Vor lauter Profilierungssuch ist es dabei nebensächlich, dass das Geld – für den wirtschaftlichen Umbau von Nöten – nicht mehr zur Verfügung steht, damit die Wirtschaft in Schieflage und die Arbeitsplätze in Gefahr geraten.
Wie ich die grinsenden Gesichter bei der Union, als sie sich über ihren destruktiven Erfolg freuten, gesehen habe, wurde mir schlecht. Rechthaberei muss etwas wunderbares sein. Wollen wir hoffen, dass aus diesen Gestalten nie etwas wird. Schon als Opposition sind sie schlimm genug.
Der Zug, eine besondere Belastung wegen des russischen Terrorkieges festzustellen und deshalb die Schuldenbremse auszusetzen, ist wohl auch abgefahren. Bliebe wohl nur der vom BVG bereits selbst festgestellte Klimanotstand. Aber ob da die FDP mitmacht? Die würde zwar bei vorzeitigen Neuwahlen aus dem Parlament fliegen, aber Lindner, der es administrativ verantworten müsste, fällt es ja nicht schwer, sich dumm zu stellen, wenn er etwas machen müsste, wo er glaubt sich profilieren können, in dem er es hintertreibt. Schon der Rauswurf der FDP aus dem Bundestag 2013 war seiner destruktiven Politik gegen die eigene Parteiführung in der Regierung zu verdanken gewesen. Das schafft er sicher wieder.
Man kann ja auch die Übergewinne der Strom Konzerne abschöpfen .
Macht mal bitte die Augen zu….Gut, und jetzt sagt bitte laut herraus, wem von den politischen Akteuren, oder auch gerne welcher Partei Ihr zutraut den Karren auf ein sicheres Gleis zu setzen………..
Die Situation ist mittlerweile so verfranzt, dass ich langsam anfange, mir wirklich Sorgen zu machen.
Ständig Merrit-Order, dann Gas-Brücke, Strompreisbrücke, Gas,- u. Strompreisbremse und letztendlich Stromsteuererlass für die stärksten und beratungsresistenteten Stromverschwender der Republik. Keinerlei Reflektion über die Notwndigkeit ausreichend Speichersysteme für die Lücken im Zappelstrom der EEG schaffen und auch aktiv anbieten zu müssen.
Haben wir noch was besseres im Köcher, als ständig den Status Quo des bestehenden Systems zu befeuern.
Die Aufgabe einer Netzargentur besteht aus meinem Verständnis aus Mehr, als nur die notwendige Regelenergie und das Volumen der Netz-Leistung im Auge zu halten.
Wo sind die Vordenker? Wo sind die weiterführenden Gedanken, die unser Energie-System in die nächste Dekade führen könnten?
Wie wäre eine Preisgestaltung ohne Merrit-Order-Lancierung? Würde dann die Energiewelt zusammen brechen?
Warum wird Bayern oder auch Ba-Wü bei einem Engpass der Strom-Lieferwege für Ihre Versorgungsgebiete nicht mit einem zus. verbrauchsbezogenem Malus für den Betrieb der ortsnahen zus. Kraftwerke bedacht, anstatt mit starrer Zonierung der Stromversorgungsbereiche in ganz BRD zu operieren?
60 Milliarden wollten verteilt sein, wenn die doch zur Verfügung stehen würden.
Klimaziele müßten doch auch anderst erreichbar werden können.
Thomas I schreibt.
Wie wäre eine Preisgestaltung ohne Merrit-Order-Lancierung? Würde dann die Energiewelt zusammen brechen?
@ Thomas I
Sie tun dem Merit Order Prinzip unrecht mit Ihrer Betrachtung. Merit Order besteht ja nicht „nur“ daraus, dass alle Erzeugungsarten nach der teuersten Art bezahlt werden, sondern soll auch ein Anreiz schaffen, dass möglichst viel von den billigeren Erzeugungen angeboten werden, damit die Teuersten nicht zum Zuge kommen.
Schauen Sie sich die folgende Merit Order Grafik an
https://de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order
Dann sehen Sie, dass rechts die Preiskurve sehr steil nach unten geht. Das bedeutet, dass man links monetär „wenig“.. nachhelfen muss, und damit rechts „viel“ einspart, wenn die teuren Kraftwerke verdrängt werden. Der Merit Order Effekt, ist bei richtiger Anwendung monetär die Seele der Energiewende. Denn nach wie vor schicken Sonne und Wind keine Rohstoffrechnungen.