Fast täglich werden die USA als großes Vorbild für Solarpolitik erwähnt. Als Vorbild für große Ankündigungen würde besser passen. Denn bisher sind die USA ein sehr schlechtes Beispiel für Solarpolitik. „Derzeit gibt es keine produzierenden Zellfabriken für kristallines Silizium“, so der CEA Analyst Christian Roselund in pv magazine global 09/2023. Es gibt in den sonnenreichen und wohlhabenden USA keine ungeförderten Solaranlagen. Das Marktvolumen beträgt im Jahr 2023 bestenfalls ein knappes Drittel des EU-Marktes und liegt 20 Prozent unter dem chinesischen.
Was ist in den USA los?
Die USA sind mit einem Bruttoinlandsprodukt von über 25 Billionen US-Dollar weiterhin die größte Volkswirtschaft der Erde und übertreffen in dieser Hinsicht China und die EU deutlich. Auch in Sachen mittlere Solareinstrahlung liegen die USA deutlich vor der EU. Die Solarzellen wurden durch die Vorarbeiten der US-Raumfahrt überhaupt erst für die breite Anwendung nutzbar gemacht. Die besten Voraussetzungen für Solarenergie. Aber warum ist der Markt nun viel kleiner als in der EU oder in China?
In den USA wird in 2023 kaum ein Wachstum im Segment der privaten Aufdachanlagen erwartet – von 5,9 zu 6,3 Gigawattpeak. Im Bereich der Großanlagen ist es derzeit noch offen, was im dritten und vierten Quartal installiert wird. Wenn es gut läuft, wächst dieser Bereich von 17 auf 22,4 Gigawattpeak. In Summe würde die USA also auf maximal 28,7 Gigawattpeak im Jahr 2023 kommen. Weniger als die Hälfte der EU im „mittleren Szenario“ oder Drittel des EU-Marktes bei einem 80 Gigawatt Szenario.
Zudem gibt es in den USA überhaupt keinen subventionsfreien Solarstrom. Dort sind immer sehr hohe Förderungen durch Net-Metering plus lokale Anreizprogramme plus massive Steuergutschriften von 30 Prozent der Investitionen aufwärts nötig, um überhaupt einen Markt zu haben.
Daher gibt derzeit eine große Unsicherheit am US-Markt. Net-Metering ist als Förderinstrument seit vielen Jahren umstritten, da es in vielen Fällen keinerlei systemdienliches Verhalten in der Erzeugung anreizt und Kosten, wie Netzkosten, stark verlagert. Es gibt auch in den USA etliche Versionen von Net-Metering, der Grad der Unsicherheit für die jeweiligen Teilmärkte ist daher unterschiedlich.
Das lange angewandte System der Steuergutschriften ist breit gefächert und seit der Ankündigung des Inflation Reduction Act (IRA) Mitte August 2022 wird das Ganze noch breiter und unübersichtlicher für Solarprojekte. Kommen doch neben „normalen“ Steuergutschriften weitere für die Verwendung von Produkten „Made in USA“ hinzu. Dem lesenswerten Artikel von Christian Roselund zufolge ist dieses System eine sehr komplexe Materie, die auch 15 Monate nach Verkünden des IRA für viele Verbraucher sehr unklar bleibt. Wie immer führt Unsicherheit zu Attentismus.
Die gesamten US-Solarinstallationen sind daher in einem sehr hohen Maße von den oben genannten Förderungen abhängig. Förderfreie PPA-Märkte im Gigawattbereich, wie in der EU, gibt es in den USA nicht. Da stellt sich die Frage, warum das in einem sonnenreichen Land so ist.
Nun, die Preise für Solarmodule und Komponenten sind wesentlich höher als in der EU. Derzeit ist das mittlere Preisniveau für Solarmodule in den USA mehr als doppelt hoch so wie in der EU.
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Und das ist das Ergebnis einer katastrophal protektionistischen Politik in den USA. Schon 2012 wurden Zölle auf Solarprodukte unter anderem durch den Druck von Solarworld (USA) eingeführt und seither immer wieder verlängert. Und das, obwohl es in den USA bis heute keinen einzigen größeren Solarmodulproduzenten auf Siliziumbasis gibt. Wie Roselund es beschreibt, gibt es auch im Spätsommer 2023 keinerlei aktive Produktion von kristallinen Siliziumzellen. Von den großspurigen Fertigungsankündigungen Elon Musks hat man auch schon lange nichts mehr gehört. Auch First Solar (USA) der mit Cadmium-Tellurid-Modulen der einzige Dünnschichthersteller, der im Gigawattmaßstab produziert, ist, hatte bisher seine Fertigungskapazitäten größtenteils in Malaysia und Vietnam.
Seit über elf Jahren wurden in den USA also „nichts“ an Produktion „beschützt“. Immer neue Zölle wurden zum Teil durch nahezu nicht existente, in Serie pleite gegangene Unternehmen beantragt und durch die Gesetzgebung der USA bewilligt. Da der Konflikt zwischen China und den USA immer härter wird, sind die Hürden für chinesische Importe entsprechend immer höher geworden. Exporte in die USA unterliegen somit seit langen großen Risiken und die globalen Hersteller mussten sich immer wieder darauf einstellen, was auch deren Preise in den USA sehr hochhält.
Und den Markt für Solarinstallationen in der Folge seit 2012 künstlich niedrig. Sehr schlecht für den globalen Klimaschutz. Einmal mehr hat sich bewahrheitet, dass Zölle und andere Handelsbarrieren in einem hochinnovativen Markt nicht schützen können und schon gar nichts erschaffen. Deutlicher als in der „US-Solarindustrie“ ist das kaum darzustellen.
US-Unsicherheiten als Basis für Falschbehauptungen in der EU
Die US-Volten rund um diverse Handelsbarrieren wurden aktuell auch in der EU zum Stoff für im Grunde leicht erkennbare Falschbehauptungen von Seiten der im ESMC organisierten EU-Hersteller. „Unmengen von Modulen aus China, die nicht mehr in die USA durften, überschwemmten die EU“ hieß es da. Diese Falschbehauptung hat es sogar in die offizielle Erklärung des Solargipfels der Bundesländer vom 29.9.2023 geschafft. Unfassbar, wie schlecht offenbar die Landesministerien da recherchiert hatten. Der Weltmarkt kennt diese Restriktionen in den USA, aber mit der Einführung der unklaren UFLPA-Regeln ab Dezember 2021 und dem dortigen Ausschluss von Silizium ab Juni 2022, ist die Versorgung des Marktes sehr willkürlich geworden.
Im gesamten Jahr 2022 wurden daraus etwa zwei Gigawattpeak zunächst beim Import aus China „festgehalten“, davon wurden 41 Prozent später freigegeben, in 2023 wurden ganze 410 Megawattpeak festgehalten. Ob diese Mengen von den US-Behörden versteigert, vernichtet oder zurückgesendet werden, ist mir nicht bekannt. Sie spielen in einem 380 Gigawattpeak Weltmarkt aber keinerlei Rolle und sind nach anderen Richtlinien als in der EU gefertigt. Für solche Module dürfte es hier keine seriösen Abnehmer geben. Die US-Kollegen beschreiben das UFLPA Prozedere als noch immer sehr unklar. In 2023 wurde im Kontext des UFPLA und Zollregeln auch über Versuche zu deren Umgehung berichtet. Solche Versuche gab es öfter, auch in der EU 2013-18. Das Verfahren wurde im August 2023 abgeschlossen, mit Zahlung der extra Zölle werden sie in den USA ausgeliefert. Auch dieser „Aufreger“ ist, hat keine Auswirkungen auf den EU-Markt.
IRA: Wird nun alles gut in den USA?
Mit dem IRA sollen viele Milliarden in den Aufbau einer US-Solarindustrie investiert werden und so sind, liest man fast jeden Tag eine Ankündigung hinsichtlich geplanter Kapazitätsausbauten in den USA. First Solar will seine Fertigungskapazitäten in den USA bis 2025 auf über zehn Gigawatt pro Jahr ausbauen und erwägt weitere Expansionen. Mit dem Ausbau seien dann auch insgesamt 3000 direkte Arbeitsplätze verbunden. Das wären weiterhin sehr wenig, verglichen mit zum Beispiele 750.000 Arbeitsplätzen in der Systemintegration und ähnlichen Sektoren in der EU im Jahr 2023. Warum ich das ausführe? Noch immer denken zu viele in der Branche und der Öffentlichkeit, dass das Gros der Arbeitsplätze in der Industrie sei und man daher brutal leichtfertig größte Schäden bei den 99 Prozent der nicht in der Modulindustrie tätigen Menschen hinnehmen will, um ein Prozent zu schützen. Aber der IRA will Produktion massiv ausbauen und damit hoffentlich auch mehr Arbeit bei den 99 Prozent schaffen, wenn denn Module billiger und verlässlicher verfügbar sein werden.
Es sind hohe und langfristige, direkte Förderungen von Investitionskosten und Betriebskosten in Aussicht gestellt worden. Auch weitere Steuergutschriften und lokale Förderungen soll es geben. Wie sich diese auf die Wettbewerbsfähigkeit und die einfach zu hohen Modulpreise in den USA auswirken werden, bleibt abzuwarten. Sicher wird in den USA etwas entstehen, was sich zu etwas Größerem entwickeln könnte. Das ist auf jeden Fall positiv zu sehen. Es würde auch zeigen, dass man als Gesellschaft mutig investieren muss, um Skaleneffekte und Innovationen in der Solarindustrie anzureizen, um damit auch die Weltmärkte zu bedienen. Hier muss die EU sich endlich entscheiden, ob sie dabei sein will oder nicht.
Good luck, USA!
— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Neue Energiewelt“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —
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Das sollte wohl 23 Billionen Dollar heißen. 23 Milliarden US-Dollar wären doch etwas mager für das Bruttoinlandsprodukt der größten Volkswirtschaft der Welt.
Bei durschnittlich 0,18 US$/kWh Strompreis (Statista) dauert die Amortisation einer PV Anlage in USA etwa doppelt so lange im Vergleich zu Deutschland. So ist es immer eine Frage, ob sich die Installation einer PV Anlage für den privaten Betreiber wirklich lohnt.
Sehr guter Artikel. Ich hoffe ja wirklich, dass unsere Entscheidungsträger sich mit den Fakten beschäftigen, bevor sie Unsinn entscheiden, weil einige wenige Unternehmen unsinnige Forderungen stellen.
Es ist ja schon verhältnismäßig differenziert dargestellt: In einem wachsenden Markt, in dem sich auch die Technologie schnell weiterentwickelt, sind Zölle eine Hemmnis, die auf die Dauer nicht mal denen nützt, die sich von ihnen Erleichterung versprochen hatten. Ein Gut mit Zöllen zu belegen, dessen man eigentlich dringend bedarf, ist für sich genommen schon etwas seltsam.
Die Geschichte zeigt uns aber auch, dass in einem schrankenlos freien Markt Unternehmen durch Dumping ihre Konkurrenten erst kaputtmachen, um sie anschließend aufzukaufen und marktbeherrschend zu werden. Um dem vorzubeugen wurde national das Kartellrecht entwickelt, international gibt es Handelsordnungen. Wenn die aber versagen, weil sich einer besonders schlau vorkommt, bleiben als Schutz vor Unternehmen, die eine Monopolstellung anstreben, nur Zölle. Insbesondere indirekte CO2-Importe sollten wir zukünftig mit Zöllen belegen, um diejenigen zur Kasse zu bitten, die meinen, sie könnten die Atmosphäre unentgeltlich als Müllplatz für ihr CO2 verwenden.