Verwirrung um Biodiv-Solarparks im aktuellen Gesetzentwurf zum „Solarpaket 1“

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Seit Mai 2019 suche ich nach Mitteln und Wegen, Biodiv-Solarparks (Biodiversitäts-PV, Biodiversitäts-Solaranlagen) als sinnvolles Element in der Agrarlandschaft hoffähig zu machen. Der aktuelle Gesetzesentwurf zum „Solarpaket 1“ scheint mir in Bezug auf die eindeutige Unterscheidung von

  • Biodiv Solarparks
  • extensive Agri-Photovoltaik
  • extensivere Agri-Photovoltaik

unklar bis irritierend. Dieser Artikel soll die Begriffe klarer machen und zur Diskussion anregen. Es wäre schön, wenn am Ende des aktuell laufenden Gesetzgebungsverfahrens Biodiv-Solarparks als Ökosystemdienstleisungen auf Agrarland gelten würden, steuer- und agrarrechtlich der Landwirtschaft zurechnen wären sowie als GLÖZ-8 Flächen Anerkennung fänden.

Die Energiewende mit Biodiv-Solarparks kann besser gelingen, wenn diese auf jeden Fall EEG-förderfähig sind und das Thema Erbschaftssteuer / Grundsteuer für Biodiv-Solarparks auf Agrarland geklärt ist.

Folgende Begriffe sorgen für Verwirrung und diese möchte ich klären und Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen:

  • Biodiversitäts-Photovoltaik als extensive Form der Agri-Photovoltaik mit dem Dreifachnutzen: Klimaschutz, nachhaltige Landwirtschaft und die Stärkung der Biodiversität (benannt in Photovoltaik-Strategie und bne-Initiative, aber nicht mehr im Gesetzentwurf erkennbar) mit GLÖZ-8 Potential
  • Die extensivere Form der Agri-Photovoltaik als naturverträglichere Variante der Agri-Photovoltaik (nicht in der Photovoltaik-Strategie benannt, aber im Solarpaket und dem § 94a Gesetzentwurf)
  • Die Biodiversitäts-Solaranlagen beziehungsweise Biodiversitäts-Photovoltaik oder Biodiv-Solarparks) (benannt sowohl in der Photovoltaik-Strategie, dem Solarpaket, dem § 94 Gesetzentwurf)

Auf dem Weg von der Photovoltaik-Strategie bis zum Gesetzentwurf sind die Biodiv-Solarparks aus der eigentlich erkennbaren Nähe zur Agri-Photovoltaik – als eine besondere Form der „extensiven Agri-PV“ – verschwunden. Wollte man vermeiden, Agri-Photovoltaik und Biodiversitäts-Solaranlagen zu vermischen oder Biodiv-Solarparks auf Agrarland wie Agri-Photovoltaik zu betrachten?

Wie könnte man die eigentliche Idee der extensiven Agri-PV (= Biodiv-Solarparks auf Agrarland) aus der Photovoltaik-Strategie und der Unternehmensinitiative des bne im laufenden Gesetzgebungsverfahren wieder aufgreifen?

Meine Vorschläge:

In § 94 „Verordnungsermächtigung zu Biodiversitätssolaranlagen“ sehe ich den Raum, um alles reinzupacken, was notwendig ist. Dort könnten zwei Kategorien der Biodiversitäts-Solaranlagen genauer spezifiziert werden:

  1. Biodiversitätssolaranlagen, die auf Agrarland gebaut werden
  2. Biodiversitätssolaranlagen, die auf übrigem Land gebaut werden

Beide sollten dieselben Maßgaben des Naturschutzes erfüllen. Zum einen, um der Entwicklung und Pflege von artenreichem Grünland eine hochqualitative Basis zu bieten, zum anderen, um Projektierer, Anlagenbauer, Biologen, Genehmigungsbehörden, etc. nicht zu verwirren und – last, but not least – um sicher zu stellen, dass für beide Kategorien keine Ausgleichsfläche(n) gemäß naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung notwendig ist. Ob auf Agrarland oder Nicht-Agrarland gebaut wird, hat dann keine naturschutzfachlichen oder baurechtlichen Differenzen, sondern lediglich steuer- und agrarrechtliche Unterschiede.

Biodiv-Solarparks auf Agrarland blieben automatisch Agrarland im Sinne des Agrarrechts (GAP-Zahlungen) und im Sinne der Privilegierung von Agrarflächen im Steuerrecht (Grundsteuer, Erbschaftssteuer). Biodiv-Solarparks auf „Nicht-Agrarland“ bekämen diese Eigenschaft „Agrarland zu bleiben oder gar zu sein“ auf den ersten Blick natürlich nicht, weil sie ja unmittelbar vor der Nutzung als Biodiv-Solarpark kein Agrarland waren.

Auf den zweiten Blick wird jedoch erkennbar, dass sie vermutlich einmal Forst- und/oder Agrarland waren. Um dem allgemeinen Schwund des Agrarlandes durch Umwandlung in Siedlungs-Gewerbe-Verkehrsflächen entgegen zu wirken, könnte man grundsätzlich wollen, dass Biodiv-Solarparks auf Nicht-Agrarland zu Agrarland werden können. Vielleicht könnte man den Flächeneigentümern des „Nicht-Agrarlandes“ ganz einfach eine Wahlmöglichkeit einräumen, wenn Biodiv-Solarparks auf solchen Flächen gebaut werden?

Zur geplanten Inanspruchnahme von Agrarland für die Energiewende mit Solarparks und zur Frage, ob die Nahrungsmittelerzeugung eventuell gefährdet ist, abschließend einige Zahlen.

Zur Erreichung der Photovoltaik-Ausbauziele der Bundesregierung von 215 Gigawatt installierter Leistung bis 2030 – von der die Hälfte auf Freiflächenanlagen entfallen soll – reichen etwa 0,6 Prozent des gesamten Agrarlandes. Das sind nur 0,1 von 16,6 Millionen Hektar. Auch ist zu bedenken, dass auf circa 13 Prozent des Agrarlandes (2,3 Millionen Hektar) Energiepflanzen angebaut werden, die etwa 50-mal weniger Energie pro Jahr und Hektar liefern als ein Biodiv-Solarpark.

Bei diesen Relationen ist eine Flächenkonkurrenz vernachlässigbar. Auch scheint mir die Angst der Landwirtschaft vor der Energiewende mit Solarparks als übertrieben. Solarparks bieten neben preiswertem Strom und der Schaffung von ökologischen Vorrangflächen im Agrarland doch auch eine große Chance auf stabile Einkommen für kommende Zeiten mit problematischer werdenden Umweltbedingungen.

Als Befürworter von 100 Prozent Autonomie und Autarkie bei Erneuerbaren durch heimische Solar- und Windkraft sind mir 215 Gigawatt Photovoltaik-Leistung allerdings viel zu wenig. Bei 100 Prozent geht es um 1.500 Terawattstunden an grünem Strom, der jährlich erzeugt werden müsste. Dafür kalkuliere ich für den Bereich der Photovoltaik eher mit einem Bedarf von 600.000 Hektar Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Das wären immer noch weniger als vier Prozent des Agrarlandes und insofern halte ich das für umsetzbar, ohne dass es zu massiven Beinträchtigen der „eigentlichen“ Landwirtschaft käme.

Hintergrundinformationen

Biodiv-Solarparks bieten gute Bedingungen zur Steigerung der Natur- und Artenvielfalt. Auf Seite 25 der bayerischen Hinweise für den Bau von Freiflächen-Photovoltaik aus dem Oktober 2021 finden sich für die Entwicklung und Pflege von artenreichem Grünland folgende Vorgaben:

  • Grundflächenzahl (= GRZ = Maß der baulichen Nutzung) ≤ 0,5
  • zwischen den Modulreihen mind. 3 Meter breite besonnte Streifen
  • Modulabstand zum Boden mind. 0,8 Meter
  • Begrünung der Anlagenfläche unter Verwendung von Saatgut aus gebietseigenen Arten bzw. lokal gewonnenen Mähgut
  • keine Düngung
  • kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
  • bis 2-schürige Mahd (Einsatz von insektenfreundlichen Mähwerk, Schnitthöhe 10 Zentimeter) mit Entfernung des Mähguts oder/auch standortangepasste Beweidung oder/auch kein Mulchen

Nicht nur in Bayern wurde das Potenzial von Solarparks erkannt. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende begann im Oktober 2020 mit dem Forum: „Naturverträgliche Solarparks“ und veröffentlicht Aktuelles über Solarenergie und Naturschutz. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt startete ebenfalls 2020 ein Projekt namens EULE, welches voraussichtlich 2024 mit EULE 3.3 in der Praxis ankommt. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) veröffentlichte im November 2019 diese Studie: „Solarparks – Gewinne für die Biodiversität“. Der GEO-Tag der Natur zeigte 2021, dass Solarparks weitaus mehr können, als nur nachhaltige Energie zu produzieren. Der Deutsche Naturschutzring – als Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen – stellte im November 2021 sein Positionspapier zu „Solaranlagen als Chance für Biodiversität und Naturschutz“ vor. Hier finden sich weitergehenden Forderungen als die oben genannten bayerischen Vorgaben.

Aktuell erachte ich die bayerischen Hinweise als ausreichend. Lediglich die Grundflächenzahl würde ich auf 0,6 erhöhen. Ob und wie sich jeder einzelne Biodiv-Solarpark im Sinne der Natur- und Artenvielfalt entwickelt, ist von so vielen Faktoren abhängig, dass weitergehende Kriterien für unnötigen Aufwand bei Umsetzung und Monitoring führen könnten. Bei dem notwendigen Ausbautempo der Solarkraft, welches wir jetzt brauchen, bin ich für darum für einfache, pragmatische Vorgaben.

Das Bundeswirtschaftsministerium benennt das Potenzial von Solarparks in Verbindung mit Naturschutz in seiner Photovoltaik-Strategie aus dem Mai 2023: „PV-Freiflächenanlagen sind die günstigste Stromerzeugungstechnologie. Flächenkonkurrenzen wird durch intelligente Konzepte und Innovationen vorgebeugt. Biodiversitäts-Solarparks, die neue Lebensräume für die Tier- und Pflanzenwelt schaffen, sind ebenso Standard wie Agri-PV in der Landwirtschaft.“ Weiter heißt es: „Biodiversitäts-PV auf temporär aus der Bewirtschaftung genommenen landwirtschaftlichen Flächen ermöglichen… (GLÖZ 8)“

„Dies wäre aus Sicht des BMWK extensive Landwirtschaft und damit zugleich eine extensive Form der Agri-PV. Die Biodiversitäts-PV-Anlagen wären hier vielmehr nur das Nebenprodukt. Das BMWK könnte sich darüber hinaus nach der Diskussion mit den fachlich betroffenen Ressorts für eine rechtssichere Klarstellung der GAPDZV einsetzen, dass auch eine extensive Agri-PV-Anlage zur Steigerung der Biodiversität als hauptsächliche landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist.“

Der bne prägte mit der Unternehmensinitiative „Biodiversitätsfördernde Agri-PV“ – PV-Freifläche im Einklang mit nachhaltiger Landwirtschaft und Biodiversität“ im Juli 2023 den Begriff „extensive Agri-Photovoltaik-Anlage“, der so ähnlich klingt, wie extensive Form der Agri-PV aus der Photovoltaik-Strategie:

„Die Agri-PV um den Baustein Biodiversitäts-PV als extensive Form der Agri-PV ergänzen. Biodiversitätsfördernde Agri-PV-Anlagen bzw. extensive Agri-PV-Anlagen sind PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen, die aufgrund ihrer angepassten Bauweise und der fachgerechten Pflege der Fläche durch einen landwirtschaftlichen Betrieb nachweislich die Biodiversität fördern. So entsteht sogar ein Dreifachnutzen der Fläche: Klimaschutz, nachhaltige Landwirtschaft und die Stärkung der Biodiversität.“

Im Beschluss des Kabinetts aus dem August 2023 – dem sogenannten Solarpaket – ist der Begriff „extensive Form der Agri-PV“ aus der Photovoltaik-Strategie:

Biodiversitäts-PV auf temporär aus der Bewirtschaftung genommenen landwirtschaftlichen Flächen ermöglichen… (GLÖZ 8). ….. Biodiversitäts-PV….. Dies wäre aus Sicht des BMWK extensive Landwirtschaft und damit zugleich eine extensive Form der Agri-PV.“

nicht mehr enthalten, sondern diese Formulierung:

„…dass auch eine extensive Agri-PV-Anlage zur Steigerung der Biodiversität als hauptsächliche landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist.“

Insofern ist auch von den Zielen der Unternehmensinitiative des bne aus dem Juli nichts mehr im Gesetzesentwurf zu lesen.

Ganz konkret wird der Gesetzentwurf in Paragraph 94, der sich in zwei Teile gliedert:

  1. „§ 94 Verordnungsermächtigung zu Biodiversitätssolaranlagen
    Die Biodiversitäts-PV soll eine besonders naturverträgliche Variante der Freiflächen-PV werden. Bis zum Frühjahr 2024 sollen detaillierte Anforderungen in einer Verordnung geregelt werden. Darin sollen ökologische und technische Anforderungen bestimmt werden.
  2. 94a Verordnungsermächtigung zu Kriterien für extensivere Solaranlagen mit landwirtschaftlicher Nutzung“.
    Eine extensivere Bewirtschaftung bei Agri-PV-Anlagen, bei denen die Module vertikal oder mit einer lichten Höhe von mind. 2,10 Metern aufgeständert sind, erhalten einen Bonus, wenn sie bestimmte Kriterien zur Extensivierung einhalten. Die Vorgaben umfassen neben Anforderungen an die Solaranlage auch solche an die Bewirtschaftung der Fläche. Die Kriterien, die der Anlagenbetreiber dem Netzbetreiber nachweisen muss sind wie folgt:
  • Die Stickstoffdüngung auf der Fläche der Agri-PV-Anlage grundsätzlich um 20 Prozent zu reduzieren, gleichzeitig
  • auf den Einsatz von Herbiziden verzichten und
  • auf 5 Prozent der Fläche einen Blühstreifen bzw. im Falle Grünland einen Altgrasstreifen anlegen.

Der Gesetzentwurf wird vermutlich bis zum Jahresende beschlossen sein und befindet sich aktuell im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat. Es kann also noch einiges verändert werden.

 — Der Autor Ralf Schnitzler ist studierter Landwirt und war von 2009 bis 2012 bei Juwi Solar Teamleiter Deutschland für das EPC-Business im Segment der Freifläche. 2019 bis 2021 war er Projektentwickler für Solarparks bei der Bejulo GmbH in Mainz. Dabei lernte er die von Bejulo errichteten Biodiv-Solarparks in der Nähe von Cottbus kennen und bekam die Idee zum bundesweiten Biotopverbundnetz aus Biodiv-Solarparks. Seit April 2021 entwickelt er als freier Berater diese Idee weiter und berät Energieversorger, Stadtwerke, Kommunen, Landeigentümer, Landwirte, Bürger und Verbände. Mehr über seine Arbeit und Biodiv-Solarparks finden Sie unter www.gemeinsameinfachmachen.de. —

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