Steuern sparen mit Photovoltaik ohne Finanzamt

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Noch im Mai wurden Photovoltaik-Anlagenbetreiber wie Horst Krause* von seinem Finanzamt geradezu gequält. Obwohl klar war, dass seine Sieben-Kilowatt-Photovoltaik-A­nlage von der Einkommensteuer befreit war und wegen des Kaufs zum Nullsteuersatz keine Umsatzsteuerpflicht und Vorsteuererstattung in Frage kam, verlangte das Finanzamt aus dem Berliner Umland das „große Besteck“: Förmliche Anmeldung der Photovoltaik-Anlage als Gewerbebetrieb mit dem „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“ und Erteilen einer eigenen Umsatzsteuernummer für das neue – voll­umfassend steuerbefreite – Unternehmen.

Das Ganze eigentlich ein Schildbürgerstreich, denn Bundesfinanzministerium (BMF) und Gesetzgeber haben im vergangenen Jahr die große Steuerreform für Photovoltaik-Anlagen gerade damit begründet, dass sie Bürokratie abbauen wollten.

Jetzt amtlich: Photovoltaik ohne Finanzamt

Etwas spät, aber folgerichtig hat das Ministerium am 12. Juni eine Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben) veröffentlicht, die die Entbürokratisierung kleiner Photovoltaik-Anlagen vollendete: Photovoltaik ohne Finanzamt – eine Idee, die seit dem Start unserer Rubrik eine wichtige Motivation war – wird damit von höchster Stelle der Finanzverwaltung amtlich abgesegnet.

Der nüchterne Titel vermittelt nichts von der Freude über den praktischen Fortschritt, den das BMF-Schreiben bringt: „Anzeigen über die Erwerbstätigkeit nach § 138 Absatz 1 und 1b AO; Steuerliche Erfassung von Betreiberinnen und Betreibern bestimmter kleiner Photovoltaik-Anlagen“.

Der Inhalt verweist zunächst auf ein steuerrechtliches Paradoxon bei dem betrachteten Steuergegenstand: Auch wenn der Betrieb der Photovoltaik-Anlage in der Einkommensteuer steuerfrei ist und der Anlagenbetreiber umsatzsteuerlich die Kleinunternehmerregelung wählt, muss er nach den formalen Vorschriften der Abgabenordnung einen Gewerbebetrieb anmelden. Obwohl das weder für den Anlagenbetreiber noch für die Finanzverwaltung irgendetwas anderes bringt als unnötigen Aufwand und Kosten.

„Aus Gründen des Bürokratieabbaus und der Verwaltungsökonomie“, so das BMF-Schreiben, werde es deshalb nach Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder nicht beanstandet, wenn Photovoltaik-Betreiber auf die steuerliche Meldung ihrer Anlage beim zuständigen Finanzamt verzichten.

Voraussetzungen dafür sind:

  • Anlagenbetreiber haben ausschließlich steuerfreie Photovoltaik-Anlagen im Sinn des Paragrafen 3 Nummer 72 Einkommensteuergesetz (EStG).
  • Auch umsatzsteuerlich ist die selbstständige Tätigkeit beschränkt auf Anlagen, auf die der Nullsteuersatz anwendbar wäre, sowie umsatzsteuerfreie Vermietung und Verpachtung, und der Steuerpflichtige wählt die Kleinunternehmerregelung.

So kurz das Schreiben auf knapp zwei Seiten ist, für so unspektakulär hält es die Ingolstädter Steuerberaterin Sibylle Wirth, die bestätigt, dass sich der typische Privathaushalt bis 30 Kilowatt Anlagenleistung auf dem eigenen Einfamilienhaus wegen der Photovoltaik-Anlage schlicht und einfach nicht mehr beim Finanzamt melden muss.

Anders verhält es sich, wenn der Anlagenbetreiber bereits selbstständig tätig ist und als solcher steuerpflichtig oder steuerlich erfasst ist. Außerdem müssen sich Anlagenbetreiber auch beim Finanzamt melden, wenn sie die Grenzen der Steuer­befreiung überschreiten. Dazu gleich mehr aus einem weiteren Schreiben der Finanzverwaltung.

Theoretisch müsste man sich auch melden, wenn man die Anlage vor Januar 2023 gekauft hat, da das Schreiben erst für Fälle ab 1. Januar 2023 gelten soll. In der Praxis erscheint diese Einschränkung jedoch wenig sinnvoll und wird sich vermutlich kaum auswirken.

Anwendungsregeln zur Einkommensteuerbefreiung

Kurz nach dem gerade erläuterten Schreiben hat das Ministerium am 17. Juli dann auch ein lang ersehntes BMF-­Schreiben zu den Regelungen der Einkommensteuerbefreiung veröffentlicht. Anhand konkreter Beispiele wird darin beschrieben, wie die neue Nummer 72 in Paragraf 3 des EStG anzuwenden ist.

Ob eine Steuerbefreiung vorliegt, ist demnach in zwei Schritten zu prüfen:

  • Zunächst muss die von einer Steuerperson betriebene Photovoltaik-Anlage die für das jeweilige Gebäude zutreffende Leistungsgrenze einhalten. Auf Ein- und Zweifamilienhäusern sind das beispielsweise 30 Kilowatt Modulleistung.
  • Dann darf die Steuerperson die individuelle 100-Kilowatt-Leistungsgrenze nicht überschreiten. Jemand kann also mehrere steuerbefreite Photovoltaik-Anlagen betreiben und bleibt insgesamt steuerfrei, solange die Summe der Anlagen maximal 100 Kilowatt beträgt.

Eine Steuerperson kann dabei eine sogenannte natürliche Person sein, also ein Mensch wie du und ich. Steuerpersonen können aber auch sogenannte Mitunternehmerschaften sein, das sind Steuerpersonen, die aus mehreren Menschen bestehen. Praktisches Beispiel ist die Ehegatten-GbR, die sich automatisch bildet, wenn Eheleute eine Photovoltaik-Anlage gemeinsam anschaffen und betreiben. Zwei Menschen können somit drei verschiedene Steuerpersonen bilden. Jeder für sich eine und beide zusammen noch eine dritte. Und jede dieser Personen kann Photovoltaik-Anlagen bis zu 100 Kilowatt steuerfrei betreiben. Das BMF-Schreiben bringt dazu anschauliche Beispiele wie dieses: „Sowohl die Ehefrau A als auch der Ehemann B betreiben auf ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 16,00 Kilowatt(peak). Beide Anlagen sind begünstigt.“

Folgenreiche Freigrenze

Überschreitet eine Steuerperson die persönliche Freigrenze von 100 Kilowatt, entfällt für sie die Steuerbefreiung ganz. In diesem Fall könnte aber weiterhin für einzelne Photovoltaik-Anlagen Liebhaberei nachgewiesen werden, wenn eine steuerliche Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

Das mit einem früheren BMF-Schreiben eingeführte „Liebhabereiwahlrecht“, die Vereinfachungsregelung vom 29. Oktober 2021, wird dagegen rückwirkend für Photovoltaik-Anlagen ab Inbetriebnahme 2022 beendet. Für Anlagen, die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, wird die Frist für die Antragstellung bis zum 31. Dezember 2023 verlängert und ein Antrag kann sogar noch einmal neu gestellt werden, wenn er wegen Fristablauf schon einmal abgelehnt wurde.

Umsatzsteuersatz null Prozent

Der weitreichenden Wirkung des neu eingeführten Nullsteuersatzes in der Umsatzsteuer geschuldet ist vermutlich die Komplexität des BMF-Schreibens vom 27. Februar zur Anwendung dieser Neuregelung. Hier heißt es aufgepasst, denn ein früherer vom BMF veröffentlichter Entwurf dieses Schreibens ist überholt.

Anzuwenden ist diese Regelung nicht vom Anlagenbetreiber, sondern vom Verkäufer. In der Branche hat deshalb diese Neuregelung für viel Verunsicherung gesorgt und wirft noch immer Fragen auf.

Wenn auch häufig in eine sehr formalistische Sprache gekleidet, die sich nur Fachjuristen auf Anhieb erschließt, kann man in den Inhalten des Schreibens doch das Bemühen der Finanzverwaltung erkennen, die Anwendung der Regelungen sehr weitreichend zu vereinfachen.

Einheitliche Leistung versus Einzelkomponenten

Das Wichtigste ist wohl, zu verstehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer „einheitlichen Leistung“ und der Lieferung „wesentlicher Komponenten“.

Handelt es sich um eine einheitliche Leistung, ist die Anwendung des Nullsteuersatzes vergleichsweise einfach. Wenn ein Unternehmen an einen Anlagenbetreiber eine Photovoltaik-Anlage verkauft und dabei alle für Installation und Anlagenbetrieb notwendigen Komponenten und Leistungen abrechnet, ist für das Gesamtpaket der Nullsteuersatz anzuwenden.

Liefert dagegen ein Unternehmen nur einzelne Komponenten oder führt Installationsarbeiten durch, dann ist der Nullsteuer­satz nur anzuwenden, wenn es sich um eng definierte Photovoltaik-Komponenten handelt wie beispielsweise Solarmodule, Wechselrichter, Montagesysteme oder Solarkabel.

Eine Reihe von nicht ganz leicht zu durchschauenden Vereinfachungsregeln soll den Aufwand der Verkäufer zur Prüfung der Gebäudevoraussetzungen minimieren. So ist bei Photovoltaik-Anlagen bis 30 Kilowatt die Art des Gebäudes grundsätzlich nicht relevant, während größere Anlagen nur dann mit dem Nullsteuersatz abzurechnen sind, wenn es sich um Wohngebäude, öffentliche Gebäude und gemeinnützig genutzte Gebäude handelt. Anfangs wurde diese Vereinfachungsregelung mit der einkommenssteuerlichen Größen­begrenzung von 30 Kilowatt verwechselt und gleichgesetzt.

Hörtipp für „Steuergeschädigte“

Gerade hat der Radiosender Deutschlandfunk Kultur das skurrile Hörspiel „Außergewöhnliche Belastung“ von Dunja Arnaszus wiederholt und stellt es online zum Nachhören und Download zur Verfügung:
https://www.hoerspielundfeature.de/aussergewoehnliche-belastung-104.html

Fehlerhafte Verweise beim Anlagenbegriff

Dass in den BMF-Schreiben sowohl zur Einkommens- wie auch zur Umsatzsteuer häufig von Anlagenleistungen laut Marktstammdatenregister die Rede ist, bleibt verwirrend. Denn im Marktstammdatenregister gibt es bei Photovoltaik gar keine „Anlagen“, sondern nur „Einheiten“. Als Anlage gilt im EEG, dem das Marktstammdatenregister zugrunde liegt, nämlich rechtlich gesehen jedes einzelne Solarmodul. Für Einträge im Marktstammdatenregister wird deshalb der Begriff „Erzeugungseinheit“ verwendet. Eine solche Erzeugungs­einheit umfasst die Summe der Solarmodule an einem Standort mit demselben Inbetriebnahmedatum.

Diese Ungenauigkeit der Finanzverwaltung bei der Bezugnahme auf eindeutig definierte Begriffe aus dem EEG könnte die Auslegung der Regelungen noch angreifbar machen. Es bleibt deshalb spannend, wie Finanzgerichte darüber urteilen, wenn Steuerpflichtige mit der Verwaltungsauslegung der neuen Steuerregeln unzufrieden sind.

*Name von der Redaktion geändert

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