Das Ringen um eine 20-Jahre-Stabilität bei Perowskit-Solarzellen geht weiter

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Rasant schreitet die Entwicklung von Solarzellen auf der Basis von Perowskit-Kristallen voran. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich der Wirkungsgrad reiner Perowskit-Zellen auf mittlerweile 26,3 Prozent verdoppelt. Im Tandemverbund mit einer Siliziumzelle erreichten erste Prototypen im Labor schon 33,7 Prozent. Parallel zeigt die Forschung an Perowskiten für Solarzellen – und auch anderen Anwendungen wie Leuchtdioden, durchstimmbare Laser oder Ein-Photon-Quellen für die Quantenforschung – mit rund 15 Veröffentlichung pro Tag eine wachsende Dynamik. Durchweg optimistisch blickten daher die rund 100 Perowskit-Expertinnen und Experten aus Forschung und Industrie auf die Zukunft, als sie am 4. Oktober auf dem Perowskit-Workshop am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart zusammengekommen sind.

„Perowskit-Solarzellen können ein Gamechanger in der Photovoltaik werden“, ist ZSW-Vorstandsmitglied Michael Powalla überzeugt. Für einen erfolgreichen Weg zur Serienfertigung müssen nun neben der weiteren Wirkungsgradsteigerung die Skalierung der Fertigungsprozesse und deren Kompatibilität mit bereits etablierten Prozessen, der Ertrag und die Stabilität der Zellen im Außeneinsatz weiter vorangetrieben werden. „Und das hoffentlich auch in Europa“, so Powalla.

Auch wenn die Effizienz der Solarzellen mit dieser Technologie im Labor bereits sehr hoch ist, stellt sich immer noch die Frage, ob sie lange genug halten. Powalla war sich mit weiteren Kollegen wie Perowskit-Pionier Michael Saliba vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Stuttgart einig, dass es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gab und schon heute eine 20-Jahre-Stabilität erreichbar wäre. Dafür sei es aber nötig, dass das verfügbare Wissen für die Entwicklung ausgeklügelter Fertigungsprozesse gebündelt werde. Allerdings zeigte sich die Mehrheit Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops nicht gar so optimistisch, hielt aber immerhin eine Zehn-Jahres-Stabilität für greifbar nahe.

Herstellungsmethoden entscheiden über Stabilität

Grundsätzlich hängt die Stabilität der Perowskit-Schichten mit einer möglichst geringen Defektdichte zusammen, das sind fehlerhafte Stellen im Material. Daher lag in Fertigungsprozessen und deren Skalierung ein Schwerpunkt des Workshops. Für Laborzellen reicht zwar das einfache und günstige so genannte Spin-Coating von Perowskit-Lösungen aus. Doch für größere Zellen mit einigen Zentimetern Kantenlänge sind andere, weniger verlustreiche Verfahren nötig. Umso mehr, da die kristallinen Silizium-Zellen, die als Unterlage für Perowskit-Silizium-Tandemzellen dienen, immer größer werden. Derzeit wird die Produktion größtenteils zu M12-Wafern mit 21 Zentimeter Kantenlänge umgestellt. So etabliert sich zunehmend das „Slot die coating“, bei der die Perowskit-Lösung gleichmäßiger und schneller über einen Schlitz auf eine Unterlage aufgebracht wird.

Das ist für deutsche Maschinenbauer interessant, wie ebenfalls in Stuttgart zu beobachten war. Unternehmen wie von Ardenne oder M. Braun präsentierten ihre Fortschritte bei der Entwicklung entsprechender Maschinen. Dabei setzen sie jedoch nicht nur auf nasschemische Verfahren wie die Beschichtung durch Schlitzdüsen. Auch Beschichtungen unter Vakuum (PVD – physical vapor deposition, CVD – chemical vapor deposition) könnten in Zukunft eine größere Rolle für große, möglichst defektfreie Perowskit-Schichten spielen. Für eine schnelle Produktion könnten in Zukunft auch Hybrid-Systeme aus Vakuum- und Nasschemie-Verfahren zum Einsatz kommen.

Einen oft wenig beachteten, aber nicht zu unterschätzenden Aspekt betonte Markus Lenz  von der Hochschule für Life Sciences FHNW im schweizerischen Muttenz. Der Experte für Kreislaufwirtschaft verwies auf die geringen Anteile des Schwermetalls Blei in nahezu allen  bisher entwickelten Perowskit-Solarzellen. Er führt Versuchsreihen durch, die eine prinzipiell denkbare Umweltbelastung durch bleihaltige Substanzen ermitteln. Um langfristig eine hohe Akzeptanz für Perowskit-Solarzellen in der Bevölkerung zu sichern, sei es sehr wichtig, jede Gefährdung sicher und zweifelsfrei auszuschließen. „Denn die öffentliche Wahrnehmung ist extrem empfindlich. Und dabei wird ein mögliches Risiko eher emotional als real beurteilt“, sagt Lenz.

Nicht ohne Blick nach China

Insgesamt ließ der Workshop keine Zweifel aufkommen, dass Perowskite ihren Platz in der Photovoltaik-Branche einnehmen und ausbauen werden. Nur wie stark sich dabei europäische Hersteller auf dem Weg zum Massenmarkt mit Vorreitern wie Oxford PV in Brandenburg, Saule Technologies in Warschau oder Heliatek in Dresden behaupten werden, lässt sich noch nicht absehen. Denn mit gut 18.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen – etwa neun Mal mehr als in Deutschland – hat sich China bereits eine starke Position auf dem Feld der Perowskite gesichert. Gespannt werden auch Effizienz und Haltbarkeit der reinen, 1,2 auf 0,6 Meter großen Perowskit-Module, erstmals in Serie vom chinesischen Unternehmen Microquanta Semiconductor in Hangzhou gefertigt, beurteilt werden.

Noch besteht die Chance, dass mit der Perowskit-Technologie die europäische Photovoltaik-Branche im Wettbewerb mit China an Bedeutung gewinnt. Dafür wollen Powalla und seine Kolleginnen und Kollegen den engen Austausch von Forschung und Industrie weiter vertiefen – am besten flankiert von einer schnellen und starken Unterstützung von der EU und ihren Mitgliedsstaaten. (Jan Oliver Löfken)

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