Behauptete Modulschwemme in der EU – eine Entgegnung auf die Zahlen von Rystad Energy

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Rystad Energy hatte in der Vorwoche gegenüber pv magazine seine älteren Aussagen zum Lagerbestand chinesischer Modulimporte um 60 Prozent nach unten korrigiert. Zitat: „Der Markt hat reagiert und die Unternehmen haben ihre Bestellungen stark zurückgefahren“, so der Analyst im Artikel am 29. September. An den Ausfuhrdaten von Modulen aus China in Richtung Europa liest er ab, dass die Lagerhaltung bei in etwa 40 Gigawatt stagniert. Die Hersteller würden nicht den europäischen Markt überfluten, ohne dass Großhändler und Projektentwickler entsprechende Bestellungen aufgeben, sagt er.“

Nun die Rolle rückwärts und Rystad knallt voll einen oben drauf – jetzt sind plötzlich 80 Gigawattpeak in den EU Lagern und Rystad geht davon aus, dass es bis Ende 2023 dann 100 Gigawattpeak werden können, so im Artikel am 5. Oktober.

Die Begründung für die mehrfachen drastischen Änderungen der Zahlen von Rystad gemäß dem Beitrag ist vorsichtig ausgedrückt extrem schwach. „Anhand neuer Zahlen, die dem Analysten erst seit dieser Woche vorliegen, sei dieser angenommene Rückgang nun doch nicht eingetreten. Daher habe sich der Lagerbestand entgegen seiner Erwartung der vergangenen Woche verdoppelt.“

Peng- von 40 Gigawattpeak auf 80 Gigawattpeak – binnen sechs Wochen wegen angeblich neuer Zahlen.

Und was dann kommt ist für mich gar nicht mehr nachvollziehbar:

Es seien halt von Januar 2023 bis Ende August 2023 rund 78 Gigawattpeak von China in die EU exportiert worden. Stimmt – die offiziellen Exportzahlen aus China liegen bei 78 Gigawattpeak, die in 2023 bis Ende August die Häfen in China verlassen haben – kein Geheimnis. In den 78 Gigawattpeak enthalten sind wohl auch mindestens fünf bis sechs Gigawattpeak an OEM-Modulen, die unter Labeln von „EU- Herstellern“ oder Systemhäusern verkauft werden aber komplett aus China stammen.

Das kann jeder auch für die letzten Jahre leicht hier überprüfen (csv-Datei, zu EU scrollen):
https://ember-climate.org/data-catalogue/china-solar-pv-exports/

Und wie auch schon mehrfach von mir beschrieben hatten wir Ende 2022 bei einem EU-Markt von 46 Gigawattpeak in 2022 einen für einen 46-Gigawattpeak-Markt „normalen“ Lagerbestand von zwei bis drei Monaten, also circa acht Gigawattpeak, plus circa 33 Gigawattpeak „zuviel“ in der Rystad-Logik was zusammen 41 Gigawattpeak sind. Wohlgemerkt in einem extrem wachsenden EU-Markt.

„Modulüberschuss“ mit einfacher Exceltabelle berechnen

Damit begann das Jahr 2023 und ab hier ist es eine einfache Exceltabelle, mit der man den „Modulüberschuss“ berechnen kann. In dieser Tabelle notiert man den offiziellen Export aus China in die EU mit circa zwei Monaten Verzug sieht, die EU-Marktentwicklung bis zum betrachteten Zeitpunkt und natürlich dem „normalen Lagerdurchlauf“ von zwei bis drei Monaten bis die Module dann auch in den Installationsstatistiken erscheinen. Auf dem Weg vom Hafen bis zum Kunden und fertigen Installation beziehungsweise deren offizielle Registrierung sind das nach meiner langen Solarerfahrung normale Zahlen.

Bei einem für 2023 erwarteten EU- Markt von 60 bis 114 Gigawattpeak  (soweit streuen die Analysten) wären damit 10 bis 19 Gigawattpeak das zu erwartende neue Normal an Modul-Lagerbeständen.

Es ist eben eine andere Dimension als früher und an 10 bis 19 Gigawattpeak als „normalen“ Lagerdurchlauf muss man sich ja auch erstmal gewöhnen – noch vor kurzem war der ganze EU Markt pro Jahr so groß. Nun ist er aber 20-mal so groß wie in den dunkelsten Zeiten der Zölle.

Mich wundert, wie die Analysten bei Rystad Energy vorgehen. Denn es war schon das ganze Jahr einfach, die chinesischen Exportdaten zu nehmen, „normaler“ Lagerdurchlauf dazu und dann eben die EU- Installationen genau zu verfolgen. Da gab es „keine neuen Daten über Nacht“, allenfalls die Exportdaten vom August von acht Gigawattpeak, nach 7,2 Gigawattpeak im Juli und 11,6 Gigawattpeak im Mai. Das sieht für mich nicht nach einer Überraschung aus. Das gilt auch für den Zubau. In Deutschland wird der extrem wachsende Zubau jeden Monat von der Bundesnetzagentur reportet. Und allein Deutschland wächst der Markt um sagenhafte 85 Prozent gegenüber 2022, aus vielen anderen Ländern höre ich ähnliches. Und daher ist ein EU-Wachstum von 46 Gigawattpeak in 2022 auf deutlich über 80 Gigawattpeak in 2023 durchaus möglich.

Wo wir in der EU-Installation per Ende September genau stehen, weiß ich nicht. Aber es geht mit Excel sehr einfach mal 60, 80 Gigawattpeak und 114 Gigawattpeak für das gesamte Jahr 2023 als EU-Markt einzutragen, per Dreisatz auf den Zeitraum bis Ende Oktober zu skalieren und die Exportdaten plus Lagerhaltung dagegen zu rechnen.

Die Ergebnisse für die EU-Lager kann man auf der Basis für Ende Oktober abschätzen. Bis dahin sind alle Expoerte aus dem August hier angekommen, also seit Januar 78 Gigawattpeak. Dann ergibt sich folgendes:

Bei einem 60 Gigawattpeak-Markt der EU in 2023:
„Normaler Lagerbestand: 10 Gigawattpeak
Modulverbrauch 2023 inklusive Oktober: 50 Gigawattpeak
„Über“-Lagerbestand inklusive Überhang aus 2022: 59 Gigawattpeak

Bei einem 80 Gigawattpeak-Markt der EU in 2023:
„Normaler Lagerbestand: 13 Gigawattpeak
Modulverbrauch 2023 inkl. Okt: 67 Gigawattpeak
„Über“-Lagerbestand inklusive Überhang aus 2022: 39 Gigawattpeak

Bei einem 114 Gigawattpeak Markt der EU in 2023:
„Normaler“ Lagerbestand: 19 Gigawattpeak
Modulverbrauch 2023 inkl. Okt: 95 Gigawattpeak
„Über“-Lagerbestand inklusive Überhang aus 2022: 5 Gigawattpeak

So etwas ganz Simples erwarte ich mindestens von einem großen Analystenhaus wie Rystad, statt nicht nachvollziehbarer Pauschalaussagen.

Man könnte auch sagen: „It`s the real size oft he EU installation market, stupid“.

Denn darum geht es am Ende: Haben Hersteller, Handel und andere den EU-Markt überschätzt, ist gegebenenfalls sehr viel Ware da? Oder haben sie das nicht und ist zum Teil ist recht wenig Ware da?

Mit „Dumping“ hat es jedenfalls nichts zu tun, und man muss schon starke Partikularinteressen haben, um aus den Lagerbeständen Dumpingvorwürfe abzuleiten. Diese würden dann ohnehin für die aus China importierten OEM-Module in gleicher Weise gelten, ebenso für Solarzellen aus China.

Am Ende ist all das grandiose Wachstum des EU- Solarmarktes eine „brutal“ gute Nachricht für den Klimaschutz in der EU und der gesamten Welt.

 

— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Neue Energiewelt“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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