pv magazine: Vor knapp 2 Jahren kochte das Thema Anlagenzertifikat für Photovoltaik-Anlagen ab 135 Kilowatt hoch. Es wurde bekannt, dass viele Anlagen nicht ans Netz angeschlossen werden können, weil ihnen das Anlagenzertifikat fehlt. Hat sich die Lage am Markt mittlerweile etwas entspannt?
Volodymyr Lysak: Wir haben die Akkreditierung gemäß ISO/IEC 17065 für die Erstellung des Anlagenzertifikats erst Ende November 2020 erhalten. Die Akkreditierung wurde aufgrund von Reisebeschränkungen mehrfach verschoben. Da wir als neue Zertifizierungsstelle noch keine Stammkunden hatten, waren wir sehr froh, die Anfrage zu erhalten und unsere Dienstleistung anzubieten. Zu diesem Zeitpunkt spürten wir eine erhöhte Nachfrage nach Zertifizierungen, insbesondere nach Typ B. Wir erhielten täglich Anfragen, ob wir noch Kapazitäten frei hätten. Dank unseres Online-Kundenportals konnten wir in der Regel in bis zu drei Tagen ein Angebot erstellen und wir haben noch keinen Kunden wegen der Bearbeitungszeit abgesagt. Besonders erfreut waren wir über Kunden, die noch keine Erfahrung mit der Zertifizierung nach VDE 4110 hatten.
Und wie ist die Situation aktuell?
Auch heute noch erhalten wir viele Anfragen. Wir haben aber den Eindruck, dass die Kunden auch Gegenangebote von anderen Zertifizierungsstellen erhalten, so dass wir feststellen können, dass die Bereitschaft der Zertifizierungsstellen höher ist als noch vor zwei Jahren. Man kann also sagen, dass sich die Situation auf dem Markt entspannt hat.
Haben die neuen Übergangsregelungen im EEG 2023 geholfen, die Lage zu entspannen?
Die Übergangsregelungen, es handelt sich um Anlagenzertifikate mit Auflagen, hatten zum Ziel, die Anlagen des Typs B mit den geringen Abweichungen zur VDE4110 schneller ans Netz zu bringen. Da der Freiheitsgrad dieser zulässigen Abweichungen sehr gering ist, fehlt bei den meisten Kunden das Basiswissen, um das Schutz- und Regelkonzept zu erstellen. Ohne diese Basiskonzepte ist eine Netzzusage nicht möglich. Wir stellen fest, dass die Erfahrung und Kompetenz der Kunden ständig zunimmt. Wir haben eine Vorgehensweise entwickelt, die für die Kunden sehr zielführend ist, auch bei Erstkunden, und die für den Nachweisprozess sehr hilfreich ist. Bei weiteren Projekten kommen die Elektroplaner in der Regel noch besser mit den Nachweisdokumenten zurecht. Bei kleineren Abweichungen ist es möglich, das Anlagenzertifikat unter Auflagen auszustellen, damit der Kunde schneller ans Netz gehen kann und die fehlenden Nachweise im Rahmen der Konformitätserklärung nachreicht. Der Anteil der Typ-B-Zertifikate mit Auflagen liegt bei uns unter 15 Prozent der Typ-B-Zertifikate.
Inwiefern spielt Digitalisierung eine Rolle, Anlagenzertifikate schneller ausstellen zu können? Wie nutzen Sie konkret die Digitalisierung, um ihre Arbeit zu beschleunigen?
Die Digitalisierung spielt eine sehr wichtige Rolle. Wir haben unsere Prozesse automatisiert, einige Bearbeitungstools erstellt. Unser Online-Kundenportal ist die Basis für die Kommunikation mit dem Kunden und für das Projektmanagement. Dort gibt es viele Informationen und Anleitungen als Hilfestellung für den Zertifizierungsprozess. Ein wichtiges Thema der Digitalisierung ist die Erstellung von Datenbanken. Die Zertifizierungsstelle ist in der Entwicklung der Datenbanken. Aus der die elektrischen Eigenschaften der Erzeugungseinheiten sowie der Komponenten schnell und strukturiert entnommen werden können. Hier ist es sehr wichtig, dass die Hersteller die Informationen zur Verfügung stellen. Wir bekommen zur Zeit sehr spezifische technische Unterlagen von den Herstellern, meist im PDF-Format in vielen Fällen mit Schutzfunktion. Da müssen wir die Informationen selbst manuell einlesen, um unsere eigenen Datenbanken zu füllen.
Das ist ja sicher auch für andere Zertfizierer relevant. Kann man sich da nicht zusammenschließen oder machen Sie das vielleicht bereits?
Gemeinsam mit anderen Zertifizierungsstellen arbeiten wir daran, die zahlreichen Abfragebögen mit den ersten Erfahrungen aus der Zertifizierung anzupassen, zu optimieren und praktikabler zu gestalten. Es gibt auch viele Vorschläge zur Vereinfachung der praxisfremden (unpraktischen) Vorgehensweise bei der Zertifizierung. Hier sind wir auf die Mitarbeit der Netzbetreiber und anderer Marktteilnehmer angewiesen.
Kann an den Rahmenbedingungen noch etwas verändert werden, um den Anschluss von großen Photovoltaik-Anlagen zu beschleunigen?
Die größte Herausforderung bei der Digitalisierung sehen wir in der Zuarbeit der Marktteilnehmer für die Datenbankarbeit sowie in der Optimierung der Nachweisprozesse. Eine sehr wichtige Herausforderung für die Beschleunigung des Netzanschlusses ist die zunehmende Erfahrung der Elektroplaner. Ich kann mir heute kaum vorstellen, dass eine Anlage mit korrekten Planungsunterlagen kein Anlagenzertifikat Typ B erhalten kann.
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