Scientists for Future – unter anderem Jörg Tremmel, Christian Breyer, Christoph Gerhards – haben im Juli eine Präsentation an die Bundestagsabgeordneten versendet, worin „Eine neue Phase der Klimapolitik“ vorgeschlagen wird. Diese werde „zur langfristigen Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau“ führen. „Negative Emissionen“, also der Luft CO2 zu entziehen, soll es ermöglichen.
Die vorgeschlagene Vorgehensweise ist allerdings höchst fragwürdig. So soll trotz der eingangs dargestellten Dramatik der Klimaerwärmung für die Weichenstellung in Richtung Abkühlung oder Klimakatastrophe noch ein Zeitraum von „ein bis zwei Jahrzehnten“ zur Verfügung stehen. „Die Weichen, die den Pfad des Klimasystems der Erde für viele Jahrhunderte determinieren, werden in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten in die eine oder andere Richtung gestellt.“ Zur Erinnerung: 2026 ist die Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze zu erwarten mit der Folge zunehmend rapider weiterer Erhitzung. Für Teile der Klimawissenschaft gibt es keinerlei „CO2-Restbudget“ mehr, dessen Emission vertretbar wäre.
Die Verfasser der Präsentation schreiben: „Trotz aller Klimapolitik und aller Vermeidungsanstrengungen beschleunigt sich derzeit die Zuwachsrate der CO2 ‐Konzentration in der irdischen Atmosphäre. … Dies sollte zum Anlass genommen werden, die bisherige Strategie zu erweitern und negative Emissionen als ihren zweiten Ast zu etablieren.“
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Unter dem Artikel finden Sie zudem eine ausführlicheren Kommentar von Co-Autor Christoph Gerhards.
Der Autor dieses Beitrags, Christfried Lenz, weist explizit daraufhin, dass er sich in seinem Artikel nicht mit dieser Studie auseinandersetzt, sondern einer an Bundestagsabgeordnete versendeten Präsentation.
Die Formulierung „Trotz aller Klimapolitik und aller Vermeidungsanstrengungen“ erweckt den Eindruck, als sei bezüglich Klimaschutz alles Menschenmögliche getan worden. Das ist aber weit gefehlt! Die Begriffswahl selbst ist schon verräterisch: Man spricht von „Klimapolitik“, nicht von „Klimaschutzpolitik“. Dass das deutsche Wirtschaftsministerium den Aufbau der LNG-Terminals von zwei auf zwölf gesteigert, durch ein Beschleunigungsgesetz alle Widerstände (beispielsweise die Interessen der Bewohner der Insel Rügen) aus dem Weg geräumt hat, den Wiederaufbau des Ahrtals zu einem „Solartal“ aber gesetzlich verhindert, ist zweifelsohne „Klimapolitik“, jedoch das Gegenteil von „Klimaschutzpolitik“.
Was die „Vermeidungsanstrengungen“ betrifft, werden aus der vom Wirtschaftsministerium zwecks CCS-Einführung installierten Carbon Management-Strategie die CO2-Vermeidungsmöglichkeiten herausgehalten. Greenpeace-Energie- und Klimaexperte Karsten Smid hatte das in einem Offenen Schreiben an das Wirtschaftsministerium beanstandet. Folge: Beim nächsten Meeting der betreffenden Arbeitsgruppe nahmen sehr viele Industrievertreter teil, was dazu führte, dass das von Smid angesprochene Thema keine nennenswerte Beachtung fand.
Die Verfasser der Präsentation sehen keinen Anlass zur Korrektur der „bisherigen Strategie“. Die Korrektur müsste darin bestehen, dass die immensen öffentlichen Gelder, die zur Förderung fossiler Energien nach wie vor verausgabt werden und für den Aufbau einer CCS-Infrastruktur noch gewaltig gesteigert würden, in den rapiden Wechsel auf 100-prozentige Versorgung durch erneuerbare Energien in allen Sektoren und in den Umstieg auf klimafreundliche Verfahren in der Produktionssphäre umgelenkt werden. Das fordern die Verfasser der Präsentation aber nicht. Stattdessen soll die bisherige Strategie durch einen „zweiten Ast“, nämlich „negative Emissionen“, erweitert werden. Man nimmt also hin, dass die Emissionen weiter gehen wie bisher und sieht die Lösung in der nachträglichen Rückholung des CO2 aus der Atmosphäre. Um die versprochene Rückführung der Erwärmung auf 1,0 Grad zu realisieren, müssten nicht nur die jährlich emittierten (und weiterhin steigenden) 40 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre rückgeholt, sondern darüber hinaus der bereits existierende CO2-Gehalt abgesenkt werden.
Da die Rückholung überwiegend durch technische Maßnahmen erfolgen soll, würden riesige Mengen von gasförmigem CO2 anfallen. Und wohin damit? – Das altbekannte und berüchtigte Carbon Capture and Storage (CCS) erweist sich als „des Pudels Kern“ der nur scheinbar „neuen Phase der Klimapolitik“.
Seit Jahr und Tag umstrittene Behauptungen wie:
- im Porenraum von Sedimenten könne CO2 dauerhaft gespeichert werden,
- allein in der norwegischen Nordsee sei Platz für 70 Gigatonnen
- Erfahrungen seien von einem Standort auf andere übertragbar
werden aus der Mottenkiste geholt.
Die aktuelle Studie von Grant Hauber „Norway’s Sleipner and Snøhvit CCS: Industry models or cautionary tales?“ (deutsch: Norwegens Sleipner und Snøhvit CCS: Modelle für die Industrie oder warnende Beispiele?) die zu gegenteiligen Ergebnissen kommt, wird ignoriert.
Die Armut an positiven CCS-Fakten ist so groß, dass die Verfasser auch dieser Präsentation Ketzin als Beweis für die Sicherheit der CCS-Technik heranziehen müssen: „Bei Probebohrung in Ketzin wurde kein Entweichen festgestellt.“ Hierzu muss man wissen, dass in Ketzin einmalig 67.000 Tonnen CO2 verpresst wurden (bei einem Kohlekraftwerk fällt ein zweistelliger Millionenbetrag von CO2-Tonnen jährlich an). Im Rahmen der Beobachtungszeit, die bereits nach fünf Jahren beendet wurde, wurde kein CO2-Austritt festgestellt. Die Beweiskraft des Ketziner „Reagenzglasversuchs“ für die Sicherheit der CO2-Speicherung ist so, wie wenn man den Beweis, dass ein Behälter 100 bar aushält, damit als erbracht ansieht, dass er bei Befüllung mit 1,5 bar nicht geplatzt ist.
Die praktische und aktuelle Funktion der Präsentation besteht in nichts anderem als der Unterstützung des von der Bundesregierung (mit heftiger Befürwortung seitens CDU/CSU) eingeschlagenen Kurses, mit LNG und blauem Wasserstoff – grün gewaschen durch CCS – das fossile Zeitalter zu verlängern und damit den Weg in die ultimative Klimakatastrophe zu ebnen.
Auch die EU will bekanntlich diesen Weg einschlagen und eine europaweite CCS-Infrastruktur installieren, die Kohlenstoffverbrennung also auf weitere Jahrzehnte ausdehnen. Hierzu führt sie derzeit eine Konsultation durch. Die Fragen sind so formuliert, dass die grundsätzliche Zustimmung zu CCS vorausgesetzt wird. Es gibt aber die Möglichkeit einer „Rückmeldung“ außerhalb des Fragenkatalogs. Hierin sollte man zum Ausdruck bringen:
Die einzige Chance, die wir eventuell noch haben, besteht darin, alle Mittel und Anstrengungen sofort auf die drastische Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen an den Quellen zu konzentrieren: Wechsel auf 100 Prozent erneuerbare Energien in allen Sektoren bis 2030 und Umgestaltung der Produktionssphäre in Richtung klimafreundlicher Verfahren. Jegliche Verschiebung von Lösungen in eine Zukunft bedeutet die Negation der Lösungen.
— Der Autor Christfried Lenz politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —
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Ist doch klar, dass einige Wissenschaftler und Techniker von der technischen Möglichkeit fasziniert sind und da evtl sogar gern forschen und mitarbeiten würden. Das sollten sie aber auch dann zugeben und sich nicht als angebliche Klimaschützer maskieren!
Hallo Herr Lenz,
ich finde die Kritik an CCS berechtigt. Die Argumentation im Beitrag ist aber schwach, finde ich.
Z.B.: 70 Gigatonnen sind angeblich in der Nordsee verpressbar. Die Welt emittiert aktuell 40 Gigatonnen CO2 jährlich, steht im Artikel. Was soll also das Verpressen von knapp 2 Jahren CO2 Emissionen bringen? Nichts!
Was kostet das Verpressen? Wer soll das bezahlen?
Das ganze ist doch auch ökonomisch schon nicht tragfähig. Können Sie mal eine Kostenrechnung aufmachen für CCS oder gar DAC?
Die Norweger suchen einen Absatzmarkt für ihr Gas und haben Angst, dass wir es nicht mehr kaufen. Der Wohlstand des Landes basiert weitgehend auf Gasverkauf.
Auch der blaue Wasserstoff, der damit erzeugt werden soll, wird nicht bezahlbar sein für die Industrie. Industrien, die Wasserstoff in Europa einsetzen wollen haben dadurch massive Kosten, die sie nicht wettbewerbsfähig machen mit anderen Regionen der Welt. Diese Industrien werden aus Europa abwandern.
Die Wasserstoffbubble muss erst noch platzen. Wasserstoff ist wie ein Schweizer Taschenmesser sagt Michael Liebreich: Man kann alles mögliche damit machen: Schrauben reindrehen, Papier damit schneiden und Nägel feilen, etc.. Doch man macht es nicht, weil es fast immer bessere Lösungen gibt, die effizienter den Job machen.
Das einzige wozu man ein Schweizer Taschenmesser vielleicht regelmäßig braucht ist zum Entkorken einer Flasche Rotwein beim Camping.
In fast allen Sektoren in denen Wasserstoff als Lösung vorgeschlagen wird ist direkte Elektrifizierung die bessere billigere Lösung: Stromerzeugung, Mobilität, Transport auf der Straße auf der Schiene, Wärme mit Wärmepumpen, Selbst Flussschiffe sind batterieelektrisch effizienter und billiger, wie China gerade zeigt.
Vortrag von Michael Liebreich beim Weltwasserstoffkongress 2022: https://youtu.be/Xj900aBPkiY
Es wird so oder so darauf hinauslaufen, dass man CO2-Emissionen schnellstmöglich verringern, CO2 aus der Atmosphäre entziehen und Geoeniginieering-Maßnahmen zum Schutz unserer Biosphäre erforschen, abwägen und verantwortungsvoll einsetzen muss.
Und zwar nicht eins nach dem anderen orchestriert, sondern aufgrund der sehr knappen Zeitschiene möglichst parallel.
Unabhängig davon dominiert die Kurzsichtigkeit der Politik, welche offensichtlich ignoriert, dass es weitere massive Naturkatastrophen geben wird und diese eine Wirkung in der Bevölkerung entfalten. Es könnte also sehr bald sein, dass drastische Maßnahmen salonfähig werden – niemand wird dann mehr CCS-Versuchen oder Geoengineering die rote Karte zeigen wollen.
Es macht auch keinen Sinn, Zeiträume für Planungen jedweder Spanne als Ziel festzulegen und darauf zu vertrauen, dass die alleinige Festlegung für Wirkung sorgt. So wird bestenfalls eine regulatorische Beruhigungspille kreiert.
Ansporn wäre vielmehr ein sich selbst verstetigendes Regelwerk, das Gewinn(-maximierung) längerfristing nur CO2-neutral zulässt, egal mit welchen Mitteln. Selbiges muss schnellstmöglich etabliert werden, damit es wirken kann.
Seid ihr sicher, dass ihr mit diesem Artikel nicht mega kontraproduktiv wirkt? Ist die Aussage, es hätte noch 10-20 Jahre Zeit, bis man wirklichen Klimaschutz betreiben müsse, wirklich von Prof. Dr. Jörg Tremmel und den Sci4F so gemacht worden? Das würde ich mal ganz stark anzweifeln!
Ihr reiht euch damit ein in die Reihe der „Alarm-Schreier“ und Fake-News-Verbreiter (meist von rechts), die alles an Veränderungen in Grund und Boden verdammen und somit die konstruktive Debatte zur Lösungsfindung verhindern.
Gerade von euch würde ich erwarten, dass ihr nciht in populistische Strategien einsteigt, sondern ggfs. bei Tremmel kritisch nachfragt, wenn in der PDF missverständliche Formulierungen zu finden sein sollten. Außedem wäre es super gewesen, ihr hätte auf die PDF verlinkt, auf die ihr euch in diesem Artikel bezieht.
Als einer der Koautoren der in diesem Beitrag beschriebenen Veröffentlichung möchte ich klarstellen, dass unsere Position hier falsch interpretiert ist.
Die genannte Veröffentlichung ist auf der Webseite des Erstautors als preprint verfügbar:
https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/fachbereich-sozialwissenschaften/politikwissenschaft/institut/lehrende/weitere-professuren-und-privatdozenten/privatdozentinnen-und-dozenten/apl-prof-dr-dr-joerg-tremmel/
Eine weitere Veröffentlichung in dem Kontext ist z. B. unter
https://journals.plos.org/climate/article?id=10.1371/journal.pclm.0000234
verfügbar.
In https://www.nature.com/articles/s41586-023-06083-8
wird 1,0 Grad Temperaturerhöhung als eine faire planetare Grenze bezeichnet.
Ich und andere Wissenschaftler*innen halten es für erforderlich, zusätzlich zu einer möglichst schnellen Reduktion der Emissionen, die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre näher zu erforschen und geeignete Verfahren schnell zu skalieren.
Rein über eine Reduktion der Emissionen ist eine Begrenzung der Erderhitzung auf 1,0 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht mehr möglich, da wir diese planetare Grenze bereits überschritten haben.
Hallo zusammen,
auch ich bin Autor des Artikels und wundere mich über Aussagen von Christfried Lenz. Die Überschrift „Weichenstellung bezüglich Klimakatastrophe hat 10 bis 20 Jahre Zeit“ widerspricht diametral folgender Aussage in unserem Text (https://uni-tuebingen.de/de/76581):
>>
Von einem “verbleibenden Emissionsbudget” der Menschheit auszugehen, impliziert, die Gefahren einer irreversiblen Weichenstellung in Richtung “Hothouse Earth” (Steffen et al. 2018) zu ignorieren. Nimmt man 350 ppm, entsprechend 1°C Erwärmung, als Zielmarke, dann gibt es kein verbleibendes Budget mehr
<<
Es wird von niemand aus dem Autor:innen-Team bestritten, dass Treibhausgas-Vermeidungsstrategien in der Zukunft weltweit erfolgreicher als bisher eingesetzt werden müssen, wenn wir als Menschheit die Erderhitzung noch halbwegs unter Kontrolle bekommen wollen. Aber eine Rückführung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf 350 ppm sowie eine langfristigen Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau lässt sich damit allein nicht erreichen. Alle globalen Szenarien (Representative Concentrated Pathways = RCPs) des IPCC aus den 1990er, 2000er und 2010er Jahren, die eine drastische Reduktion der Emissionen vorsahen, haben sich als zudem nicht zutreffend erwiesen. Wir haben einfach keine Zeit mehr, die Erkenntnisse des IPCC zur Notwendigkeit von CO2-Negativemissionen zu ignorieren.
Zum Schluss: Danke für den Hinweis auf die kritische Studie von Grant Hauber „Norway’s Sleipner and Snøhvit CCS: Industry models or cautionary tales?“ (deutsch: Norwegens Sleipner und Snøhvit CCS: Modelle für die Industrie oder warnende Beispiele?) . Wir werden diese Studie noch auswerten. Ob sie aber die vielen anderen Studien, die im zuständigen Abschnitt des Papers (4. Geologische CO₂-Speicherung) genannt sind, entkräften kann, sei dahingestellt.
Als ich den Artikel schrieb, lag mir die pdf-Datei vor, die am 21.07.2023 an die Bundestagsabgeordneten gesendet wurde mit dem Titel:
„Negative Emissionen: Eine neue Phase der Klimapolitik zur langfristigen Begrenzung
der globalen Erwärmung auf 1°C über vorindustriellem Niveau“
Dass Christoph Gerhards mir vorwirft, dass ich Dinge schreiben würde, die der von ihm nun verlinkten Studie widersprechen, ist abwegig. Diese Studie war mir gar nicht bekannt und mit dieser habe ich mich im Artikel nicht auseinander gesetzt, sondern eben mit der genannten pdf-Datei. Zu dieser Datei habe ich keinen Link, habe sie aber der Redaktion des pv-magazins zugesendet.
Sollte die Diskussion fair – oder auch einfach nur wissenschaftlich sein – sollte Herr Gerhards den Lesern besagte Datei zugänglich machen, damit sie die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob mein Artikel diese Datei falsch interpretiert oder nicht. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein! Ich gehe davon aus, dass Herr Gerhards einen Link zu der pdf-Datei hat oder kreieren kann.
Natürlich bin ich nicht in der Lage, wenige Minuten nach Kenntniserhalt mich mit der großen (verlinkten) Studie auseinanderzusetzen. Was ich aber schon feststellen konnte: Die (von mir im Artikel erwähnte und verlinkte) aktuelle Studie (Juni 2023) von Grant Hauber fehlt im ansonsten reichhaltigen Literaturverzeichnis: Grant Hauber (Institute for Energy Economics and Financial Analysis) „Norway’s Sleipner and Snøhvit CCS: Industry models or cautionary tales?“ https://ieefa.org/resources/norways-sleipner-and-snohvit-ccs-industry-models-or-cautionary-tales Unter „Key Findings“ kannn man hierin lesen: „Sleipner and Snøhvit demonstrate carbon capture and storage is not without material ongoing risks that may ultimately negate some or all the benefits it seeks to create.“ Übersetzung DeepL: „Sleipner und Snøhvit zeigen, dass die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid nicht ohne erhebliche Risiken ist, die letztlich einige oder alle Vorteile zunichte machen können, die damit angestrebt werden.“
Während in der Präsentation behauptet wird: „Zur Speicherung vorgesehene
Sedimentgesteine sehr ähnlich, deshalb Ergebnisse übertragbar“, heißt es bei Hauber: „Every project site has unique geology, so field operators must expect the unexpected, make detailed plans, update the plans and prepare for contingencies.“ – „Jeder Projektstandort weist eine einzigartige Geologie auf, so dass die Betreiber vor Ort mit Unvorhergesehenem rechnen, detaillierte Pläne erstellen, diese aktualisieren und sich auf Unvorhergesehenes vorbereiten müssen.“
Sich mit gegnerischen Positionen auseinander zu setzen, ist nach meinem Verständnis ein Kernelement von Wissenschaft. Die von Gerhards zitierte Studie umgeht diese Auseinandersetzung..
Grundfrage der nötigen Diskussion zu CCS scheint mir zu sein: Wo sind Geld und Anstrengungen wirkungsvoller für den Klimaschutz investiert: in CCS oder in die Vermeidung von Emissionen an der Quelle? Ich weiß nicht, ob diese Frage in besagter Studie gestellt und behandelt wird. Völlig falsch wäre jedoch die Herangehensweise, wie man sie in letzter Zeit öfters zu hören bekommt: Der Klimawandel wird immer schlimmer, daher müssen wir alles, was uns nur einfällt, dagegen tun. – Nein! Wir müssen uns auf die Maßnahmen konzentrieren, die am wirkungsvollsten dem Klimaschutz dienen. Das viele Geld, das ein CCS-System kosten würde, wäre zwar gut für die fossilen Konzern, die dadurch ihr Geschäft weiter betreiben können, aber nicht für den Klimaschutz. Denn jeder Euro, der für CCS ausgegeben wird, würde fehlen für die Verhinderung der Emissionen an der Quelle: beim Ausbau der EE-Versorgunng auf 100% und bei der Umstellung der Wirtschaft auf klimafreundliche Verfahren.
Lieber Herr Lenz,
scheinbar haben Sie unsere Studie immer noch nicht gelesen.
Sie schreiben:
>>
Denn jeder Euro, der für CCS ausgegeben wird, würde fehlen für die Verhinderung der Emissionen an der Quelle: beim Ausbau der EE-Versorgunng auf 100% und bei der Umstellung der Wirtschaft auf klimafreundliche Verfahren.
<>
Kritiker:innen einer stärkeren Gewichtung von Negative Emissions Technologies (NET) argumentieren, dass die Milliarden, die der Staat dafür ausgeben würde, dann nicht in die Förderung von Emissionsvermeidung (Windparks, Solaranlagen, Wärmepumpen etc.) fließen könnten. Das Dilemma lässt sich allerdings beheben, indem explizit separate Ziele für Vermeidung und Entnahme festgelegt werden (Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina et al. 2022: 4). Für Deutschland ist nicht erkennbar, wie oder warum die gültigen CO2-Reduktionsziele durch eine ambitionierte Negativemissionsstrategie berührt werden könnten. Das Klimaschutzgesetz schreibt bis zur angestrebten Treibhausgasneutralität 2045 verbindliche jährliche Einsparziele vor, wobei die Zwischenziele eine Reduktion um 88 % bis 2040 und um 65 % bis 2030 (immer gegenüber dem Referenzjahr 1990) sind. Was allerdings bisher nicht geschieht (aber dringend nötig wäre), ist die Festlegung der deutschen Regierung auf einen konkreten jährlichen Zielwert für Negativemissionen. Staaten sollten also zwei Werte für die nächsten Jahrzehnte festlegen. Der höhere Wert wird zumindest bis 2050 derjenige für CO₂-Vermeidung sein. Es kommt also auch im Rahmen der hier beschriebenen Doppelstrategie darauf an, weiterhin den Schwerpunkt auf CO₂-Vermeidung zu setzen (Gerhards et al. 2021; Clausen et al. 2022; Altermatt et al. 2023). Aber schon weit vor 2050 müssen Staaten zumindest durch Grundlagenforschung und das Verändern der rechtlichen Rahmenbedingungen für Negativ-Emissions-Technologien auf den Weg bringen, denn sonst werden die Technologien 2050 nicht verfügbar sein. Ein Beispiel für dringend notwendige Regulierung: Um ein Qualitätssiegel für verschiedene CDR-Maßnahmen zu etablieren, sollte auf EU-Ebene eine Agentur eingerichtet werden, die Zertifikate bewertet und ggf. für den Markt zulässt.
<<
Hallo Herr Tremmel,
Sie schreiben: „Es kommt also auch im Rahmen der hier beschriebenen Doppelstrategie darauf an, weiterhin den Schwerpunkt auf CO₂-Vermeidung zu setzen“ – Ja prima! Wenn man das will, muss man sich aber gegen den von der Bundesregeirung (und der EU) geplanten Aufbau einer europaweiten CCS-Infrastruktur wenden, denn diese bedeutet das Gegenteil von CO2-Vermeidung.
In der von Ihnen an die MdBs versandten Präsentation, die Anlass meines Artikels war, [Übrigens: fänden nicht auch Sie es im Sinn eines menschlichen und aufrichtigen Umgangs miteinander angebracht, dass diese Präsentation den LeserInnen des pv-magazins per Link zugänglich gemacht wird, statt einen Link auf Ihre große Studie (deren Existenz mir erst heute bekannnt wurde) nachträglich in meinen Text einzufügen, wodurch der Eindruck entsteht, dass ich Ihre Studie kommentiert hätte und dabei unzulänglich war?] heißt es allerdings, dass die „Weichenstellung“ (entweder wir schaffen die Temperaturabsenkung rechtzeitig oder die ultimative Klimakatastrophe kommt) in 10 bis 20 Jahren erfolgen muss, was denn doch den Eindruck vermittelt, dass Sie es mit der CO2-Vermeidung nicht allzu eilig haben.
Wenn ich Ihnen damit etwas Falsches unterstelle, soll es mich freuen. Aber seien Sie dann bitte auch insoweit zu einer gewissen Selbstkritik bereit, dass jene Präsentation nicht durchweg „das Gelbe vom Ei“ ist.
Die Headline macht die Message. Diese Vorwurf denke ich, sollten Sie sich gefallen lassen, Herr Lenz. Ich gehe davon aus, dass Sie sehr genau verstehen, welche Wirkung Worte haben.
Nur so am Rande: Ihre Diskussion beschreibt für mich sehr anschaulich das Dilemma der heutigen Zeit, sich mit der Thematik des Klimawandels auseinander zu setzen und die notwendigen Schritte konkret auch einzuleiten. Experten, Abwägungsdiskussion, offene Fragen, neue Fragen, ist dieses besser oder jenes, erst hier oder erst da, was ich sinnvoller A oder B. Und das alles sehr detailliert und möglichst objektiv aufgeschrieben.
Was leider am Ende die „Message“ bereits in der Einleitung der Studie verwässert. Mehr Inhalt macht es zwar sachlich korrekter und vollständiger und weniger angreifbar, aber zum Dilemma der heutigen Informationsnutzung auch gleichzeitig angreifbarer für Missbrauch. Was soll man also tun? Noch genauer ausschweifen und erklären? Verkürzen und weglassen? (-> das gleiche Dilemma).
Wer will, kann durch Weglassen einfach eine eigene Interpretation abliefern (ein drastisches Negativbeispiel ist dieser Artikel – der ist auf Springer-Niveau und könnte so in der Bild stehen). Ich würde das deutlich interpretationsgeschlossener formulieren, wenn es sein muss, in jedem Absatz, und zwar sehr deutlich – so dass es keine Ausflüchte (oder bewusst falsch verstandene Strohhalme) gibt, so falsch diese im Gesamtkontext auch sein mögen – mehr geben kann.
So wie jetzt, ist da einfach für jeden etwas dabei. Und wenn es eben nur dieser Satz in der Überschrift dieses Artikels ist. Es ist geradezu eine Einladung für ein Cherry-Picking seines eigenes Standpunkts, und zwar gleichgültig, welcher das ist.
Wenn das in dieser Form verkürzt an die MdBs geleitet wurde, kann einem ja Angst und Bange werden. Bei allem Respekt, ich gehe nicht davon aus, dass viele der Damen und Herren sich die Studie Satz für Satz detailliert durchlesen und analytisch die Argumentationskette nachvollziehen.
Was hängen bleibt, ist doch so etwas wie:
„Scientists for Future: Weichenstellung bezüglich Klimakatastrophe hat 10 bis 20 Jahre Zeit“.
(PS: Zumindest das Intro der Studie habe ich einmal überflogen.)
Mir wird aus Ihrem Beitrag nicht klar, ob Sie die Sachlage wirklich erkannt/verstanden haben. Sie ist zwar meinen beiden bereits veröffentlichten Comments zu entnehmen, aber ich versuche es noch einmal, vielleicht noch klarer:
Am 3. August wurde mein Artikel veröffentlicht. Die beiden ersten Sätze lauteten:
„Scientists for Future – unter anderem Jörg Tremmel, Christian Breyer, Christoph Gerhards – haben im Juli eine Präsentation an die Bundestagsabgeordneten versendet, worin „Eine neue Phase der Klimapolitik“ vorgeschlagen wird. Diese werde „zur langfristigen Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau“ führen.“
Am 7. oder 8. August wurde in den Satzteil „zur langfristigen Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau“ ein Link eingebettet. Der unbefangene Leser muss davon ausgehen, dass dieser Link zur an die Bundestagsabgeordneten versandten Präsentation führt, die Gegenstand des Artikels ist. Das ist aber nicht der Fall! Der Link führt nicht zu der Präsentation, die ich in dem Artikel kommentiere, sondern zu einer Studie, die den gleichen Titel wie die Präsentation hat, mit ihr aber nicht identisch ist. Die Präsentation enthält 16 (mit vielen Grafiken versehene) Folien, während die Studie 35 Seiten umfasst. Dass diese Studie existiert, ist mir erst seit der erwähnten Verlinkung am 7. oder 8. August bekannt.
Dass Dr. Christoph Gerhards in seinem obigen comment schreibt
„Als einer der Koautoren der in diesem Beitrag beschriebenen Veröffentlichung möchte ich klarstellen, dass unsere Position hier falsch interpretiert ist.“
ist also unzutreffend. Nicht die von Herrn Gerhards angesprochene „Veröffentlichung“ wird in meinem Beitrag beschrieben, sondern die Präsentation, die an die Bundestagsabgeordneten versendet wurde. Herr Gerhards weiß das, denn er ist Koautor der Präsentation und weiß, dass diese nicht identisch mit der Studie ist. Ich kann nur vermuten, dass er meine kritischen Aussagen zur Präsentation nicht widerlegen kann, da ich korrekt zitiert und auch nicht falsch interpretiert habe. Wider besseres Wissen unterstellt er mir daher, dass ich mich mit der Studie auseinander gesetzt und diese „falsch interpretiert“ hätte. Zur Bewertung dieses Vorgehens möchte ich mich nicht äußern.
Dass in der Präsentation angreifbare Behauptungen enthalten sind, ist den Verfassern vermutlich selber bewusst geworden. Deswegen gehen sie nicht auf meine Aufforderung ein, die Präsentation zu veröffentlichen.
Wer meinen Artikel überprüfen möchte, dem/der sende ich daher gern die Präsentation zu, die mir als pdf-Datei vorliegt. Meine Adresse: Lenz.Buerger-Energie-Altmark@mail.de .
Wo bleibt denn jetzt der Link zu der Präsentation?
Bevor der nicht vorliegt, lohnt sich keine Diskussion über den Artikel.
Schade, dass man nicht kritikfähig ist und nicht einmal reflektiert annehmen möchte, dass eine Kritik in Ansätzen eine Ursache hat, die vielleicht einen Grund hat.
Alle haben immer Recht, jede Kritik wird als unzutreffend gecancelt. Wo kommt nur dieser Stil her? Meine Kinder lernen das so auf jeden Fall nicht so – weder auf dem Gymnasium noch auf der Universität. Das ist für mich eine Unsitte.
Hier mein Kommentar:
CCS hat noch nirgendwo erfolgreich in großer Skalierung geklappt!
Siehe: