Vermutlich zwei und höchstens fünf Projekte werden voraussichtlich am Ende für eine Förderung zur Photovoltaik-Produktion in Deutschland das Rennen machen. Damit rechnet Friedrich Gröteke, Leiter der für die Förderung zuständigen Abteilung im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), wie er auf einer Veranstaltung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE am Montag auf dem Berliner Euref-Campus sagte. Dort pitchten zwölf Unternehmen ihre Konzepte, die an der ein- oder anderen Stelle der Wertschöpfungskette zum Wiederaufbau der Photovoltaik-Produktion beitragen wollen.
Dass es jetzt zu solch einer Veranstaltung kam, zeigt die Veränderung in der politischen Landschaft. „Es hat sich schon länger auch in der Politik die Einsicht durchgesetzt, dass Photovoltaik die Basis für die Energiewende ist“, sagte Andreas Bett, Institutsdirektor des Fraunhofer ISE, zur Eröffnung. „Doch heute kommt eine industriepolitische Komponente hinzu, um die fast 100-prozentige Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu verringern.“ Er legt Wert darauf, dass am Ende mehr als ein Herstellungskonsortium entsteht, damit es zu einem Wettbewerb kommt. Die Gelegenheit sei günstig, denn der weltweite jährliche Zubau werde sich bis 2035 verzehnfachen, bevor er dann über Jahrzehnte stabil bleiben dürfte.
Bis zum 15. August können sich an Herstellung in Deutschland interessierte Unternehmen beim Bundeswirtschaftsministerium mit einer Projektskizze bewerben. Das angestrebte Produktionsvolumen ist an dem 40-Prozent-Ziel der Europäischen Union bemessen. 40 Prozent des von der Bundesregierung geplanten jährlichen Zubaus von 22 Gigawatt sind 8,5 Gigawatt, das ergebe aufgerundet die zehn Gigawatt, die in der Ausschreibung genannt sind, so Gröteke auf der Veranstaltung.
Fragen zu dem Interessensbekundungsverfahren gab es am Montag viele. Die Ausschreibung richte sich an großvolumige Projekte, erklärte Gröteke. Ein Kriterium dafür, wer am Ende mit einem Zuschlag rechnen kann, sei auch die Darstellung der technologischen Souveränität. Damit ist der Aufbau einer möglichst geschlossenen Wertschöpfungskette von Polysilizium bis zum Modul gemeint. Das muss laut Ministeriumsvertreter nicht im Rahmen einer gemeinsamen Gesellschaft eingereicht werden. Es reicht, wenn potenzielle Partner, also beispielsweise ein Waferfabrikant und ein Zellhersteller, Kooperationsverträge schließen.
Gleiche Förderung wie in den USA?
Besonders viele Publikumsfragen gab es zur so genannten Matching-Klausel. Die Höhe einer möglichen Förderung richtet sich auch nach der Förderung, die man an Standorten außerhalb der EU erwarten kann. Das zielt vor allem auf die USA, wo ein Solarmodul, dessen Herstellung inklusive der vorgelagerten Zwischenprodukte mit 13 bis 19 Cents pro Wattpeak gefördert wird. Das müssen Antragsteller nicht abstrakt, sondern konkret nachweisen, indem sie dort aktuell schon Standorte entwickeln. Teilnehmer äußerten die Befürchtung, dadurch ihre Kontakte dort zu verbrennen. Ganz vermeiden lässt sich das eventuell nicht. Allerdings braucht man laut der Erklärung der BMWK-Vertreter den konkreten Nachweis erst im zweiten Schritt, wenn die Bundesregierung die Förderpläne mit der EU-Kommission diskutiert, um eine Ausnahme von den Beihilferegeln nach dem so genannten Temporary Transformation and Crisis Framework (TCTF) zu erreichen. Ein Teilnehmer merkte an, dass diese Regel trotzdem Wettbewerber ausschließe, die noch nicht aktiv an einem US-Standort gearbeitet hätten.
Bei vielen Publikumsfragen zeigte sich, dass das letzte Wort die EU-Kommission haben wird. Bisher ist keine direkte Unterstützung bei den Betriebskosten vorgesehen. Eine Option für eine Förderung sei über eine so genannte Funding-Gap-Analyse denkbar, sagt das Ministerium. Das heißt, man weist den Betriebskostenunterschied für die einzelnen Jahre nach, diskontiert sie auf das Investitionsjahr zu Beginn und erhält eine höhere Investitionsförderung. Nimmt man den jährlichen Zuschuss in den USA als Basis für eine Betriebskostenförderung, sind das für eine Zehn-Gigawatt-Fertigung zwischen fünf und zehn Milliarden Euro, was die Investitionskosten weit überschreitet. Das ist aber nach EU-Regeln nicht erlaubt, wie Friedrich Gröteke schon in einer pv magazine Podiumsdiskussion zu dem Thema betonte und was auch bei der Veranstaltung am Montag zur Sprache kam. Man könne mit der Kommission drüber reden, aber man müsse auch Erwartungsmanagement betreiben, hieß es am Montag.
Das Ausschreibungsverfahren bezieht sich auf so genannte C-Fördergebiete. Das sind strukturschwache Regionen vor allem in Ostdeutschland. Es sieht nicht so aus, als ob sich daran noch rütteln lässt. Die EU-Kommission wollte anfangs sogar nur A-Regionen zulassen, die es in Deutschland gar nicht gibt. Das ist zum Beispiel ein Problem, wenn man auch einen Ausbau der Polysilizium-Produktion will, um die neu aufzubauende Solarzellen-Fertigung zu versorgen. Der führende Produzent in Europa, Wacker Chemie, hat bereits Standorte, und sieht große Nachteile, wenn man den Ausbau an einem neuen Standort planen würde.
Insgesamt sind rund 1,5 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfond als Fördermittel angedacht. Dazu muss eine Beteiligung der Länder kommen, die zwischen 30 und 50 Prozent der Fördersumme ausmacht. Rechnet man das zusammen, stünden also 2,1 bis 3 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Diskussion darüber ist aber noch im Fluss.
Außer der technologischen Souveränität sind die ökologische Nachhaltigkeit, insbesondere der CO2-Fußabdruck, und die sozialen Standards Kriterien für die Förderung. Dabei müsse ein potenzieller Hersteller die Kriterien nicht alle sofort erfüllen, sondern müsse glaubhaft machen, sie in den nächsten Jahren zu erreichen.
Wie können europäische Photovoltaik-Produzenten wettbewerbsfähig werden?
Diskutiert wird nach wie vor die Wettbewerbsfähigkeit von Produktionen, die jetzt mittels der Förderung aufgebaut werden könnten. Die Modulpreise sinken schon jetzt wieder. „Durch die Marktdominanz können chinesische Hersteller jederzeit auch Produkte unter Herstellungskosten auf den Markt werfen, um aufkommende Konkurrenten gleich zu Beginn aus dem Feld zu schlagen“, sagt Andreas Bett. Daher sei die Frage, ob Local-Content-Regeln hier Abhilfe schaffen könnten, auch wenn sie wie in den USA den WTO-Regeln widersprechen würden. Eine spontane Umfrage im Publikum zeigte, dass eine große Mehrheit der Anwesenden nicht davon ausgeht, dass es wieder zu einem „WTO-gerechten-Markt“, kommen werde. „In einem solchen Fall sollte eine Local-Content-Option angedacht werden“, sagt der Freiburger Institutsdirektor.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), der auch Hersteller vertritt, empfiehlt in diesem Zusammenhang, mit Hilfe sogenannter Resilienz-Boni und -Auktionen künftig in einem gewissen Umfang Photovoltaik-Systeme aus europäischer Fertigung gezielt zu fördern, so dessen Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Friedrich Gröteke sagte zur Wettbewerbsfähigkeit, man werde auch die Nachfrage im Blick haben. Also dass die Produkte, die nun gefördert werden, auch einen Absatzmarkt finden. Das kann zum Beispiel mithilfe von Ecodesign-Regeln geschehen, die zu Bedingungen bei öffentlichen Ausschreibungen werden. Wichtig sei, dass es ein einfaches Label gebe und dass es europaweit gelte. Denn man wolle schließlich auch die Ausschreibungen von Bürokratie entschlacken. Auch werde in der EU immer noch an Regeln gearbeitet, um Zwangsarbeit auszuschließen, hieß es am Montag, was zu einem Raunen in den hinteren Reihen des Publikums führte.
Nach der Veranstaltung bleibt der Eindruck, dass immer noch alles im Fluss ist, die Bedingungen, Verfahren und möglichen Förderhöhen. Fragen zur Einreichung können interessierte Unternehmen an die zuständige Abteilung im Ministerium richten. Antworten würden dann dort als FAQs veröffentlicht.
Ob es genug Einreichungen zum Aufbau der zehn-Gigawatt-Photovoltaikproduktion geben wird, ist dabei trotz des regen Interesses noch nicht ausgemacht. „ Ob es sich dabei primär um „Sehleute“ oder auch um Kaufleute mit nachhaltigen Investitionsinteresse und fundierten Businessplänen handelt, muss sich in den nächsten Wochen noch herausstellen“ sagt BSW-Geschäftsführer Körnig. „Um im harten Standortwettbewerb bestehen zu können, sind weitere flankierende industrie- und energiepolitische Maßnahmen unverzichtbar.“ Der BSW hatte sich in diesem Zusammenhang für das Angebot einer Hybridfinanzierung, bei der der Staat temporär Teilhaber wird, sowie für einen Industriestrompreises ausgesprochen.
Nach Ende der Einreichungsfrist wird das Wirtschaftsministerium „die Vorhaben auswählen, die den Kriterien am besten entsprechen, Alternativlösungen anbieten, die Wertschöpfungskette möglichst weit stärken und auch ökonomisch im Sinne der technologischen Souveränität und ihres Beitrag zur Schaffung nachhaltiger grüner Leitmärkte den größten Erfolg versprechen“, erklärt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage durch pv magazine. Sobald Haushaltsmittel dafür prinzipiell verfügbar seien, sollten die entsprechenden Antragsteller dann, aufgefordert werden, einen Förderantrag zu stellen. Wenn die Kofinanzierung durch die betroffenen Bundesländer gesichert sei und es eine positive Gesamtbegutachtung durch das Ministerium gebe, würden die Förderanträge dann der Europäischen Kommission zur beihilferechtlichen Genehmigung vorgelegt werden.
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