Begeisterte Meldungen von der Intersolar in München in der vergangenen Woche: Der Energiespeicherausbau kommt in die Gänge! Ja, wenn die Überschussenergie des Sommers in den Winter übertragen würde und in jeder Stunde des Jahres die jeweils benötigte Menge zur Verfügung stünde – das wäre die Emanzipation der erneuerbaren Energien! Dann wäre den Fossil/Atomaren ihr einziger Vorteil, die Wetterunabhängigkeit, aus der Hand genommen. Dann könnten sie ihre Koffer packen – für immer.
Wenn uns der Klimawandel eine entsprechende Gnadenfrist noch lässt, wird es dazu auch kommen – unabhängig vom Regierungshandeln, welches bis heute die konventionelle Energiewirtschaft massiv bevorzugt. Doch ob wir besagte Gnadenfrist erhalten, ist ungewiss, und deswegen muss uns das Regierungshandeln eben doch interessieren: beschleunigt es die Emanzipation der Erneuerbaren oder bremst es?
Intersolar: Aufbruchsstimmung – Ampel-Regierung: Begräbnis-Szenario
Leider setzt die Bundesregierung der Münchner Aufbruchsstimmung ein Begräbnis-Szenario entgegen: Anders als Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) öffentlich verbreitet hatte, soll ein „mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag“ nicht „für die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsmethoden“ ausgegeben werden, sondern für die „Vergrabung“ der CO2-Emissionen herkömmlicher Verfahren.
CCS – jetzt vornehmer „technische Senke“ genannt – soll als Klimaschutzmaßnahme deklariert und ins Klimaschutzgesetz aufgenommen werden. Es wird zwar betont, dass andere (bessere) Methoden der CO2-Reduzierung Vorrang vor CCS haben sollen, doch dürfte dies ein „frommer Wunsch“ sein, wenn – wie geplant – EU-weite CO2-Transport- und -Speicherinfrastrukturen erst einmal aufgebaut wären. Es ist denn auch bemerkenswert, dass in der Gesetzesnovelle keine maximalen Verpressungsmengen vorgegeben weden (wie im derzeit noch gültigen „Kohlendioxid-Speichergesetz“). Stattdessen kann das Wirtschaftsministerium die Ziele der technischen Senken durch Rechtsverordnung je nach Bedarf festlegen. Eine komfortable Regelung! Wenn es bei anderen CO2-Reduktionsmethoden hapert, braucht zum Ausgleich nur der CCS-Hahn weiter aufgedreht zu werden. Der Bundesrat soll bei all dem übrigens kein Mitspracherecht haben.
An die CO2-Verpressung an Land wird momentan – jedenfalls öffentlich – nicht gedacht. Hierbei wäre mit heftigem Widerstand der betroffenen Regionen zu rechnen, welche dann von Leckagen und erheblichen Unregelmäßigkeiten, sowie von gravierendem Wertverlust der Immobilien und der Lebensqualität in jeder Hinsicht betroffen würden. Diese Probleme fallen bei der Verpressung offshore – also auf hoher See – weg. Auch wird es Bürgerinitiativen kaum möglich sein, CO2-Austritte am Meeresgrund ausfindig zu machen.
Da passt es bestens, dass Norwegen ganz Europa einlädt, seine CO2-Abfälle in norwegischen Gewässern zu entsorgen. Dahinter steht das Interesse an einem Ersatz für die rückläufigen Einnahmen aus der Gasförderung. Dass die norwegische Regierung nicht in erster Linie von der Sorge ums Klima getrieben wird, erkennt man auch daran, dass sie sich auf die Erfahrungen mit den sogenannten Speichern „Sleipner“ und „Snøhvit” beruft, die demonstriert hätten, dass die geologische Speichertechnik sicher beherrscht wird.
Eine von ökonomischen Interessen unabhängige Betrachtung kommt nämlich zum gegenteiligen Ergebnis! Sleipner und Snøhvit demonstrieren die prinzipielle Unkontrollierbarkeit der “geologischen CO2-Speicherung”.
Grant Hauber vom Institute for Energy Economics and Financial Analysis hat die technischen Studien und akademischen Abhandlungen über “Sleipner” und “Snøhvit” von den 1990er bis zu den frühen 2020er Jahren ausgewertet und zwar unter der Fragestellung Sind sie “Modelle für die Industrie oder warnende Beispiele?” Sein Ergebnis: Obwohl “Sleipner” und “Snøhvit” zu den am besten untersuchten Gebieten weltweit gehören, haben sich die Sicherheit und die Stabilität der beiden Bereiche als nur mangelhaft vorhersehbar erwiesen,
So war im Jahr 1999, drei Jahre nach Beginn des Speicherbetriebs von “Sleipner”, das CO2 220 Meter bis zum oberen Teil der Speicherformation aufgestiegen in eine flache Schicht, deren Existenz bis dahin gar nicht bekannt war.
In “Snøhvit” stellte sich 18 Monate nach Beginn der Injektionsarbeiten trotz vorausgegangener detaillierter Feldbeurteilung heraus, dass statt der ermittelten CO2-Speicherkapazität von 18 Jahren das Nutzungspotenzial nur sechs Monate betrug.
CCS: Ansammlung von Wahrscheinlichkeiten und Risiken
In seiner Mitteilung vom Mitte Juni fasst das Institute for Energy Economics and Financial Analysis zusammen: Weltweit werden mehr als 200 Projekte der CO2-Verpressung geprüft. Deren Befürworter führen “Sleipner” und “Snøhvit” als Beweis an, dass die groß angelegte Offshore-CO2-Speicherung ein gangbarer Weg sei, um die Netto-Null-Emissionsvorgaben zu erfüllen.
Demgegenüber stellt Hauber fest: “Sleipner und Snøhvit sind keine erfolgreichen Modelle für CCS, die nachgeahmt und ausgeweitet werden sollten, sondern stellen vielmehr die langfristige technische und finanzielle Tragfähigkeit des Konzeptes der zuverlässigen unterirdischen Kohlenstoffspeicherung in Frage.”
Bei der Anwendung der CCS-Technik kann es auch keine “Lernkurve” geben, denn die Geologie jedes Projektstandortes ist einzigartig. Und selbst die Informationen über den jeweiligen Ort sind nur für einen Moment gültig, da sich die Erde bewegt und die Schichten sich verändern können. Zusätzlich warnt Hauber: “Angesichts der Unwägbarkeiten der langfristigen unterirdischen CO2-Speicherung könnten Genehmigungen durch Regulierungsbehörden dazu führen, dass wesentliche Risiken auf den Steuerzahler übertragen werden.”
Fazit des Instituts: “Die unterirdische CO2-Speicherung ist eine Ansammlung von Wahrscheinlichkeiten und Risiken, von denen einige identifiziert werden können, während andere unbekannt bleiben, bis sich die Probleme materialisieren. Diese Risiken – und die damit verbundenen Kosten – werden weder von der Industrie noch von der Regierung in den öffentlichen Diskurs eingebracht.“
Genauso macht es die Ampel-Regierung in Berlin. In dem Moment, wo eine Tonne CO2 in den Untergrund gepresst wurde, gilt sie als nicht mehr existent, als verschwunden. Der Öffentlichkeit wird erzählt, dass sie dort für geologische Zeiträume sicher verbleiben werde. Doch dem ist nicht so, und darum geht es auch gar nicht. Es geht um das Verbleiben von etwas ganz anderem. Tom Glover, Vorsitzender von RWE Großbritannien, plauderte es aus, der „Tagesspiegel“ verbreitete es kürzlich weiter: Die CCS-Technologie könne den Ausbau erneuerbarer und anderer kohlenstoffarmer Technologien unterstützen, indem sie durch sichere, flexible und wetterunabhängige Stromversorgung Versorgungssicherheit garantiere.
Also: die Emanzipation der Erneuerbaren, ihr unabhängig werden von allen anderen Energiequellen, das soll verhindert werden, indem die fossile Energie, grün gewaschen durch CCS, den Ausbau der Energiespeicherung hintertreibt.
Wer das nicht will, sondern die Emanzipation der Erneuerbaren – und damit die Emanzipation der Menschen, die sie einsetzen – muss sein Veto gegen CCS einlegen. Die für CCS vorgesehenen Milliarden müssen für die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren, für die Beschleunigung des Ausbaues der erneuerbaren Energien und der nötigen Strom- und Wärmespeicher eingesetzt werden. CCS wäre die materialisierte Verantwortungslosigkeit.
— Der Autor Christfried Lenz politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —
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Da man leider nur hoffen, das es bei umgesetzten Projekten sehr schnell zu den oben genannten Problemen mit der Speicherung kommt und nicht erst nach einem Regierungswechsel.
Zum Glück geht es bei den Batteriespeichern schneller mit den Preisen runter, als von den CCS-Befürwortern gehofft.
In einem von der Bundesregierung für ausgewählte Teilnehmer installierten Kreis soll bis Herbst 2023 eine „Carbon Management – Strategie“ (CMS) zwecks Errichtung einer CCS-Infrastruktur erarbeitet werden. In diesem Kreis ist eine ergebnisoffene Diskussion über die Sinnhaftigkeit von CCS – also über das „ob“ des CCS – ausgeschlossen, da die Einführung der CCS-Technik von der Bundesregierung zwingend vorgegeben wird und somit nur das „wie“ zur Debatte steht.
Im Lauf des Prozesses stellt sich nun heraus, dass auch alle möglichen Detailfragen nicht offen und sachgerecht angegangen, sondern mit einer Methodik behandelt werden, die die angebliche Notwendigkeit des CCS-Einsatzes präjudiziert.
Karsten Smid (Greenpeace-Experte für Klima & Energie), der an einem Workshop der „Carbon Management – Strategie“ teilnimmt, hat am 21. Juni in einem Offenen Brief an das BMWK diesen Missstand konkret dargelegt und verlangt, dass die Szenarioannahmen noch einmal kritisch zur Diskussion gestellt werden.
Hier steht der aufschlussreiche Text zur lektüre bereit:
https://bi-altmark.sunject.com/offener-brief-cms-workshop-kritik-an-den-szenariorechnungen/
„Es ist denn auch bemerkenswert, dass in der Gesetzesnovelle keine maximalen Verpressungsmengen vorgegeben weden[sic]!“
Warum sollte man das auch tun? Der Vorteil der geplanten Anlagen ist doch der, dass das CO2 stets und ständig langsam entweicht (entweder in die Atmosphäre oder aber besser ins Meer, wo man es erst einmal nicht gleich bemerkt und auch vom Satelliten aus nicht aufzeichnen kann) und man deswegen endlos einlagern kann.