Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Donnerstag den sogenannten Werkstattbericht „Wohlstand klimaneutral erneuern“ öffentlich präsentiert. „Wir sehen Fortschritte: Beim Ausbau von Wind- und Solarenergie haben wir das Tal durchschritten, es geht wieder aufwärts. Viele Weichen für die Beschleunigung von Verfahren wurden gestellt, Investitionsbedingungen verbessert“, sagte Habeck. Mit Blick auf die Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg und die Klimakrise, sehe er eine aufkeimende gesellschaftliche Dynamik, Energie zu sparen und sich unabhängig zu machen. „Es werden zigtausende Wärmepumpen eingebaut, Fenster und Türen ausgetauscht, Häuser energetisch saniert, Solaranlagen werden auf die Dächer geschraubt oder auf Balkone gesetzt. Natürlich ist noch sehr viel zu tun, die Aufgaben sind groß“, erklärte Habeck weiter.
Im Werkstattbericht sind so die Ziele, Stand und nächsten Schritte für die Transformation der Energieversorgung und Erneuerung der industriellen Wertschöpfung benannt. So steht für den morgigen Freitag bereits ein Solargipfel auf der Agenda. „Die Arbeiten sollen in ein Solarpakt münden“, wie es vom Ministerium heißt. Es sei das Ziel, weitere Flächen für Photovoltaik-Anlagen zu gewinnen. Dabei gehe es um Erleichterungen beim Bau von Photovoltaik_Anlagen in Industrie- und Gewerbegebieten. Zudem solle ein „neues, einfacheres und attraktiveres Modell“ für Photovoltaik-Mieterstrom sowie die Installation von Photovoltaik-Balkonkraftwerken erleichtert werden. Dabei gehe es unter anderem um eine Vereinfachung der Meldepflichten.
In knapp zwei Wochen soll es zudem einen Windgipfel geben, auf dem Eckpunkte zu eine Wind-an-Land-Strategie vorgelegt werden. Dabei stünden Finanzierungsbedingungen für Anlagen außerhalb des EEGs sowie die Bereitstellung von mehr Flächen im Fokus. „Konkret geht es jetzt darum, weitere Barrieren, die eine nachhaltige Wertschöpfung und Energieversorgung behindern, aus dem Weg zu räumen, Innovationen und Investitionen zu stärken und anzureizen. Politisch stehen wir als Bundesregierung in der Verantwortung, einen verbindlichen Rahmen und eine verlässliche Orientierung zu geben“, sagte Habeck bei der Vorstellung des Berichts weiter.
Mit Blick auf die Erneuerung des Energiesystems kündigte Habeck zudem bis zum Sommer die Erarbeitung einer „Kraftwerksstrategie“ an. Er räumte eine Zubau- und Modernisierungsbedarf von steuerbaren Lasten im Umfang von 17 bis 25 Gigawatt ein. Diese Kraftwerke sollten bis 2030 dann für die Wasserstoff-Nutzung geeignet sein. Es sei auch ein „Wasserstoffbeschleunigungsgesetz“ in diesem Jahr geplant, um den Hochlauf der Infrastruktur und Produktion voranzubringen. Habeck kündigte daneben noch eine Wasserstoff-Importstrategie an.
Auch bei der Wärmewende gelte es die Fortschritte weiter voranzutreiben. So habe die Regierung per Koalitionsbeschluss die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zum klimaneutralen Heizen im vergangenen Jahr vorgezogen. Ab 2024 sollen neu eingebaute Heizungen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Es werde aber zahlreiche Ausnahmen, Übergangslösungen und -fristen geben, um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, so Habeck. Als Zwilling des GEG soll zudem ein Wärmeplanungsgesetz den Wärmenetzausbau vorantreiben, was die Aufgabe der Kommunen sei. Doch mit einem neuen Gesetz werde die kommunale Wärmeplanung bundesweit und flächendeckend verankert. Das Bundeswirtschaftsministerium will im Zuge der Transformation auch eine soziale Förderung aufsetzen, die gerade Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen den Umstieg ermöglichen soll.
Fachkräfte fehlen
Als ein wesentlicher Fortschrittsfaktor für die Transformation zur Klimaneutralität sieht das Ministerium eine „ausreichende Zahl von Fachkräften“. Sie würden etwa für die Installation von Photovoltaik-Anlagen, den Einbau von Wärmepumpen oder auch die Produktion der Transformationstechnologien selbst benötigt. „Allein im Wind- und Solarenergiebereich fehlen schon heute über 200.000 Fachkräfte“, heißt in dem Werkstattbericht unter Berufung auf das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ und basierend auf Daten der Bundesanstalt für Arbeit. Als nächste Schritte sind unter anderem ein Weiterbildungsgesetz, ein Aufbauprogramm Wärmepumpe sowie ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz geplant.
Der zweite Strang im Werkstattbericht befasst sich mit der Erneuerung der industriellen Wertschöpfung. So wird das Ministerium eine Industriestrategie auflegen. Habecks Ministerium arbeite an einem Stufenmodell für einen Industriestrompreis. Der Industrie sollen dabei günstige Erneuerbare-Anlagen zugänglich gemacht werden. Dabei sei eine Umstellung der Förderung von Erneuerbaren oder zumindest einzelner Segmente auf sogenannte Differenzverträge (CfD) geplant. „Da dieses Modell nur mit neuen, CfD -geförderten Anlagen funktioniert, wird dieser Dekarbonisierungsstrompreis erst mittelfristig wirken. Im Rahmen des Stufenmodells werden auch Möglichkeiten zur Unterstützung von direkten Verträgen zwischen Industrieverbrauchern und erneuerbaren Energien Anlagen (PPA) untersucht“, wie es aus dem Ministerium hieß.
Als zentrales Element für die Dekarbonisierung der Industrie nannte Habeck die Klimaschutzverträge. So sollten Mehrkosten gefördert werden, wenn Unternehmen konventionelle Industrieanlagen auf einen klimafreundlichen Betrieb umstellen. Nach Angaben des Ministeriums sind dafür ein zweistelliger Milliardenbetrag vorgesehen. Für kleinere und mittlere Unternehmen werde es dafür bis 2025 zusätzlich 100 Millionen Euro an Förderung geben.
Verdrei- bis Vervierfachung der Produktionskapazitäten
Zudem strebt das Bundeswirtschaftsministerium einen Ausbau der Produktionskapazitäten an. „Bei allen Energiewende-relevanten Technologien braucht es eine Verdrei- bis Vervierfachung der Produktionskapazitäten, um den wachsenden Bedarf in Deutschland und Europa zu decken“, hieß es dazu. „Deutschland und Europa haben sich schon auf den Weg gemacht, eigene Produktionskapazitäten aufzubauen, ob bei der Elektrolyse, der Batteriezellfertigung oder anderen Schlüsselkapazitäten. Das BMWK hat dazu auch einen Prozess zu industriellen Produktionskapazitäten für die Energiewende (StiPE) gestartet, an dem Vertreterinnen und Vertreter der Branchen Photovoltaik, Wind und Stromnetze entlang der gesamten Wertschöpfungskette beteiligt waren“, hieß es dazu. Bis Sommer soll als nächster Schritt ein Vorschlag für einen Transformationsfonds erarbeitet werden. Die Investitionen in die Dekarbonisierung von industriellen Produktionsprozessen sollen damit durch Eigen- und Hybridkapital unterstützt werden. Zudem soll das Instrument der Investitionsprämien für Transformationstechnologien nutzbar werden und ein Instrument für eine Betriebskostenförderung entwickelt werden, wie das Ministerium erklärte. „In Unternehmen haben sich viele auf den Weg gemacht und investieren in klimaneutrale Technologien. Und der US Inflation Reduction Act zeigt, dass wir hier keine Zeit verlieren dürfen. Mehr erneuerbare Energien, mehr Energieeffizienz, eine klimafreundliche Industrie – das ist es, worauf wir in Europa hinarbeiten, um Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze auch in Zukunft zu sichern“, sagte Habeck.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Wird man den heutigen (Freitag) „Solargipfel“ des BMWK online live verfolgen können? Auf der BMWK-Seite habe ich dazu leider ad hoc nichts gefunden.
Zum Werkstattbericht eine Anmerkung: Dort steht zum extrem wichtigen Thema „Strommarktdesign“ folgendes: „So müssen beispielsweise thermische Kraftwerke perspektivisch nur noch dann Strom produzieren, wenn die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht weht und Erneuerbare Energien damit nicht ausreichend ins Netz eingespeist werden.“ Unmittelbar davor wird von „Speichern“ gesprochen, die es auch geben soll. Wenn es diese gibt, dann brauche ich perspektivisch nur dann thermische Kraftwerke, wenn die Speicher leer sind.
Es ist auf jeden Fall denkbar und eigentlich auch machbar, dass man zumindest im Tagesgang komplett auf Batteriespeicher setzt und erst bei langfristiger Speicherung oder Dunkelflauten im Winterhalbjahr auf chemische Energiespeicher zugreifen muss.
Thermische Kraftwerke sollten es besser nicht sein, sondern BHKW oder Brennstoffzellen, die sehr dezentral im Quartier sowohl Strom als auch Wärme für die umliegenden Verbraucher liefern. Das wäre eine völlige Abkehr von rein Thermischen Kraftwerken! Zur Klarstellung die Definition von thermisches Kraftwerk: Die teilweise Umwandlung von Wärme (exakter thermischer Energie) in elektrische Energie. Es scheint mir Energieverschwendung zu sein, wenn das auch effizienter geht! Anmerkung: thermische Kraftwerke können auch mit Speichergas (e-Methan, e-Wasserstoff) befeuert werden und sind dann eine Form des Entspeicherns von gespeicherter Energie.
Ralf Schnitzler schreibt.
Zum Werkstattbericht eine Anmerkung: Dort steht zum extrem wichtigen Thema „Strommarktdesign“ folgendes: „So müssen beispielsweise thermische Kraftwerke perspektivisch nur noch dann Strom produzieren, wenn die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht weht und Erneuerbare Energien damit nicht ausreichend ins Netz eingespeist werden.“ Unmittelbar davor wird von „Speichern“ gesprochen, die es auch geben soll. Wenn es diese gibt, dann brauche ich perspektivisch nur dann thermische Kraftwerke, wenn die Speicher leer sind.
@ Hallo Herr Schnitzler.
Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass die Erneuerbaren wieder „vorrangig“ verbraucht werden und thermische Kraftwerke angepasst werden müssen, dann brauchen wir vorerst kaum Speicher.
An Ökostrom fallen gegenwärtig allenfalls 2% Prognoseabweichungen an. Das sagt einer der es eigentlich wissen müsste.
Siehe hier.
Zitat:… Es gibt keine andere Region, die vergleichbar viel nicht stetige Energien, wie Solar- und Windstrom, sicher ins System integriert hat. Die Versorgungssicherheit ist derweil sogar noch gewachsen. Es gibt inzwischen gute Vorhersagen, wie viel Wind- oder Solarstrom voraussichtlich ins Netz eingespeist werden wird. Das weicht bei Wind nur noch um etwa ..„ZWEI PROZENTPUNKTE“.. von der Realeinspeisung ab. Zitat Ende.
Nachtrag.
Ich habe zwar zitiert, aber den Link vergessen.
Hier ist er.
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/80-prozent-erneuerbare-sind-kein-problem-6619315.html
Schlecht liest es sich im Großen und Ganzen nicht. Etliche Forderungen – von den Akteuren aus Klimaschutz und Energiewechsel seit Jahr und Tag vorgebracht – werden angesprochen. – Ja, ange“sprochen“. Auch der Koalitionsvertrag der Ampel enthielt einige gute Worte, wie sahen dann aber die Taten aus?? – Diese Frage stellt sich auch bei den jetzigen Ankündigungen aus dem Wirtschaftsministerium.
Wie groß die Schaufel sein müsste, um den ganzen Bürokratismus, der den Akteuren vor die Füße geworfen wird, um sie zu behindern und wütend zu machen, auf den Misthaufen zu befördern, auf den er gehört, kommt – mal wieder – in dem Gespräch zum Ausdruck, das Frank Farenski mit Praktikern des „Verbandes EnergieErzeugende Gebäude e.V.“ (VEEG) geführt hat: „Scheitert die Energiewende an der Bürokratie?“ https://ve-eg.de/ – Sehr zu empfehlen!
Aus dem Werkstattbericht.
Zitat:…Strommarktdesign: Mit einem Energiemix, der auf Erneuerbare Energien setzt, ändern sich die Anforderungen an Stromnetze, Kraftwerke, Speicher und Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher grundlegend. So müssen beispielsweise thermische Kraftwerke perspektivisch nur noch dann Strom produzieren, wenn die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht weht und Erneuerbare Energien damit nicht ausreichend ins Netz eingespeist werden. Zitat Ende.
Mein gebetsmühlenartiges Flehen scheint erhört worden zu sein, es ist wenigstens mal aufgefallen, dass da was faul ist. Dem, was ich hier das „Faulen Ei“ von 2010 nenne, „könnte“ es an den Kragen gehen.
Für neu hinzugekommene Leser siehe hier unter Auswirkungen, wo gezeigt ist, wie die thermischen Kraftwerke seit 2010 wieder unbeschadet drauf los produzieren, und die Netze verstopfen können.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Jetzt kommt es nur drauf an, wie es umgesetzt wird, und wieweit Lobbyisten Einfluss nehmen.
Denn funktionieren kann es nur, wenn es „Physikalisch“ stattfindet. Das heißt, dass die EE den Versorgern mit Ökobändern zugeteilt werden, und sie tatsächlich entsprechend weniger Strom aus thermischen Kraftwerken für ihr Vertriebsportfolio nachfragen müssen.
Dann passiert das, was ich im Folgenden gepostet habe.
https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/co%e2%82%82-emissionen-2022-in-deutschland-kaum-gesunken/
Besonders mein Kommentar vom 06. Jan. um 21.49 Uhr wo ich anhand der Merit Order Grafik deutlich mache, wie bei entsprechend weniger Nachfrage nach thermischem Strom, N1 auf N2 fällt und dadurch P1 auf P2 sinkt.
Wie gesagt, das Strommarktdesign muss physikalisch werden, und darf nicht „Virtuell“ bleiben, wie seit 2010 der Fall, sonst ist alles Markulatur.
<3 Robert.