Viel wurde auf europäischer Ebene über neue Fabriken im Green-Tech-Sektor und in der Solarproduktion gesprochen, aber dabei blieb es bislang. Gleichzeitig löste die Diskussion um den US-amerikanischen Inflation Reduction Act unter Präsident Joe Biden fast panikartige Reaktionen in Berlin und Brüssel aus. Doch eine starke politische Unterstützung von Seiten der Bundesregierung und der EU-Kommission in einem ambitionierten Programm steht aus. Die einzige Solarfabrik mit Meyer Burger wurde fast ohne öffentliche Unterstützung aufgebaut. Jetzt nehmen die Bürger und Bürgerinnen das Thema Solarfabrikation selbst in die Hand.
In Kirchberg an der Jagst fand am 23. Februar der öffentliche Auftakt zu Deutschlands erster Bürger-Solarfabrik statt. Das Ziel des Initiators Gerhard Kreutz und der von ihm 1994 gegründeten Energieinitiative Kirchberg e.V.: Das Prinzip 100 Prozent erneuerbare Energien aus Bürgerhand auch auf die Produktion der dafür benötigten Technologie auszuweiten und in Deutschland Kapazitäten von 15 Millionen Modulen pro Jahr aufzubauen. Statt großer Investoren oder Energiekonzerne sollen Bürger aus ganz Europa selbst den Aufbau dieser Bürger-Solarfabrik finanzieren und an den Gewinnen daraus beteiligt werden. Paul Grunow, Mitgründer von Solon und Q-Cells ist Projektleiter. Rudolf Harney vom ISC Konstanz und Peter Fath vom RCT aus Konstanz projektieren derzeit weltweit Giga-Fabs und bringen ihre unternehmerische Erfahrung im Aufbau und Betrieb von Solarfabriken in das Projekt ein.
Bislang haben Bürger erfolgreich den Aufbau von profitablen Solar- und Windparks finanziert – bei einem Finanzierungsvolumen von bis zu 20 Millionen Euro pro Projekt. Doch durch den Ukraine-Krieg ist auch den Bürgerenergie-Akteuren die Anfälligkeit der internationalen Lieferketten schmerzhaft bewusst geworden, und sind bislang auch Bürgerenergiegenossenschaften von Solarmodulen aus China abhängig. Eine heimische Solarfabrik bedeutet also auch, die Energiewende unabhängig und sicher zu machen.
Über hundert interessierte Bürger und Bürgerinnen kamen zu der gestrigen Auftaktveranstaltung. Nun sollen die Aktivitäten angestoßen werden, die das bürgerliche Beteiligungskapital organisieren und die Pläne der Fabrik voranbringen. Ziel der Initiative ist, 600 Millionen Euro einzusammeln. Europaweit werden Bürger eingeladen, das Eigenkapital bereitzustellen und als Teilhaber an dem Aufbau, Betrieb und Gewinnen der Fabrik teilzuhaben.
Spannend ist auch das Ziel der Organisatoren, die Fabrikarbeit als solche zu revolutionieren und aus einer Fabrik einen Ort der „sinnstiftenden, befriedigenden Arbeit in einem ermutigenden Umfeld“ zu schaffen. Die Fabrikgründer wollen die gesamte Produktion von Solarmodulen an der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ausrichten, die beispielsweise keine überhöhten Managergehälter auszahlen möchte, sondern die Gehälter lieber gerecht über alle Mitarbeiter verteilt. Weiterhin soll die Fabrik von vornherein dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft folgen und nach dem „Cradle-to-Cradle“-Prinzip alle Produkte so herstellen, dass sie in technische und natürliche Kreisläufe eingebracht werden können.
Nach vielen Jahrzehnten eines Quasi-Monopols weniger großer Energiekonzerne auf die Energieproduktion, Energienetze und den Vertrieb der Energie; nach der systematischen Zerstörung der heimischen Solarindustrie unter der Regierung Angela Merkel (CDU) ab 2012 und nach vielen Jahrzehnten der erfolgreichen dezentralen Eigenproduktion von Bürgerenergie-Gemeinschaften und der von ihnen vorangetriebenen Demokratisierung des Energiebereiches ist die bürgerproduzierte Solarfabrik der nächste Meilenstein für die Bürgerenergie.
— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. https://hans-josef-fell.de/ —
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Schön und gut, aber jeder fängt von unten an und es dauert fünf Jahre bis 500 Megawatt Pik aufgebaut sind. Wäre es nicht sinnvoller eine Tochtergesellschaft von Meyer Burger zu werden um die Ziele bisschen dich zu erreichen und die Hölle des produktionshochlauf auszulassen. So könnten in drei bis vier Jahren zehn Gigawatt Leistung in Deutschland aufgebaut werden.