Es ist etwa zehn Jahre her, als eine riesige Pleitewelle die Solarindustrie in Deutschland überzog. Zu der Zeit hatte China die Zeichen der Zeit verstanden und massiv in den Ausbau von Produktionskapazitäten entlang der Photovoltaik-Wertschöpfungskette investiert. Dieser Konkurrenz konnte die wenigsten der Photovoltaik-Hersteller in Deutschland und Europa standhalten. Die Folge waren viele Insolvenzen und das Verschwinden vieler Installateursbetriebe aus dem Photovoltaik-Markt. Übrig geblieben ist eine Handvoll nennenswerter Unternehmen, die sich am Markt behaupten konnten und noch in Europa produzieren. Allen voran sind da Wacker Chemie und SMA für Polysilizium und Wechselrichter zu nennen. Dazu kommen einige Modulhersteller wie Solarwatt, Heckert Solar oder Meyer Burger, die allerdings erst kürzlich den Schritt vom Anlagenbauer zum Zell- und Modulproduzenten wagten und noch dabei sind, ihre Kapazitäten hochzufahren.
Nun sind wir im Jahr 2023 angekommen und in der Politik wächst die Einsicht, dass der Niedergang der deutschen und europäischen Solarindustrie vielleicht doch hätte vermieden werden sollen oder doch zumindest, dass man sich bemühen sollte, im eigenen Interesse deren Wiederaufbau zu unterstützen. Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, doch nennenswerte Unterstützung ist bislang ausgeblieben. Man könnte sagen, alle reden darüber. Effektiv passiert ist bisher wenig. Dabei gibt es von Seiten der Hersteller klare Forderungen, was nötig ist, damit eine Renaissance gelingt und diesmal auch von Dauer ist.
Im Vorfeld des Treffens am Dienstag im Bundeswirtschaftsministerium haben sich die Vertreter nochmals kurzgeschlossen und ein gemeinsames Statement unter dem Titel „Schnelle Skalierung einer strategischen europäischen PV-Produktion – Vorschlag der Solarindustrie an die deutsche Bundesregierung“ verfasst. Dabei haben sich europäische Unternehmen entlang der Photovoltaik-Herstellung bis zur Installation zusammengeschlossen. 24 Unterzeichner hat das Statement in der pv magazine vorliegenden Version.
„Sie setzen sich zur Absicherung der ambitionierten Ausbauziele Deutschlands und der Europäischen Union für einen schnellen (Wieder-) Aufbau einer global wettbewerbsfähigen europäischen Solarindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette von PV-Komponenten ein und bekennen sich dazu, im Zusammenspiel mit der Politik für dieses Ziel Einsatz zu zeigen und zu investieren“, heißt es in dem Statement. „Die unterzeichnenden Unternehmen vereint die Vision einer wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen europäischen Solarindustrie, welche das Erreichen von klimapolitischen Zielen ermöglicht und gleichzeitig mit einem Beitrag zur nötigen industriellen Transformation Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland und Europa sichert.“ Ein staatlich geförderten Auf- und Ausbau würde dazu führen, dass die europäischen Photovoltaik-Unternehmen wieder einen signifikanten Marktanteil erlangen und hunderttausende neue Arbeitsplätze schaffen würden.
Mindestens 600 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung in Europa bis 2030
In ihrem Statement betonten die Unterzeichner die Bedeutung eines auf Photovoltaik und Windkraft basierenden Energiesystems für die Zukunft. Dieses sei gesamtwirtschaftlich betrachtet günstiger als das heutige. Allerdings müssten die Photovoltaik-Kapazitäten dazu signifikant ausgebaut werden. Mindestens 600 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung brauche Europa bis 2030, um eine wettbewerbsfähige Energieversorgung und die Klimaziele zu schaffen. Dafür notwendig sei jedoch, die Lieferketten zu diversifizieren, wozu die Solarindustrie wiederaufgebaut werden müsse. Dies könne jedoch nur durch die Zusammenarbeit der Unternehmen, der EU und der EU-Mitgliedsstaaten erreicht werden.
Mit einem wesentlichen Punkt sind die Photovoltaik-Unternehmen bei Habeck schon auf offene Ohren gestoßen, denn Opex- und Capex-Förderungen hat der Minister nun auf dem Schirm. Er ist nach dem Treffen als eine von „drei prioritären Maßnahmen“ von ihm benannt worden. Dabei handelt es sich um planbare finanzielle Unterstützung bezüglich der Investitionen für die Photovoltaik-Hersteller – zum einen mit Blick auf die Betriebskosten und zum anderen auf Abnahmegarantien für die vorhandenen und neuen Produktionskapazitäten.
Auch beim Industriestrompreis gehen Habecks Überlegungen in die richtige Richtung. Die Industrie fordert gerade für die energieintensiven Wertschöpfungsschritte wie Polysilizium und Ingot/Wafer einen „berechenbaren global wettbewerbsfähigen Industriestrompreis“. Konkret wurde Habeck nach dem Treffen diesbezüglich noch nicht, sagte jedoch zu, noch im ersten Halbjahr das Konzept für einen „Dekarbonisierungsstrompreis“ vorlegen zu wollen. Dabei sollen Preissenkungen unter anderem durch Erneuerbaren-PPAs oder Strom aus ansonsten abgeregelten Anlagen erreicht werden.
Staatliche Nachfrageförderung
Als Unterstützung für einen erfolgreichen Wiederaufbau wünscht sich die Solarindustrie eine „zusätzliche staatliche Nachfrageförderung für europäisch produzierte Komponenten“. Damit soll eine gewisse Planbarkeit geschaffen werden, dass die neuen Kapazitäten auch Abnehmer finden. Meyer Burger verfolgt beispielsweise in den USA ein ähnliches Modell, wo bereits Verträge mit großen EPC-Unternehmen geschlossen wurden. So könne sichergestellt werden, dass die Solarmodule letztendlich nicht im Lager landen und die Hersteller auf ihren Produktionskosten sitzenbleiben. Dass die Nachfrage in den nächsten Jahren massiv in Europa und weltweit anziehen wird, davon sind die Unterzeichner überzeugt. „Aufgrund der attraktiven Wachstumsperspektiven des globalen Photovoltaik-Marktes bietet sich für Deutschland und Europa die Chance, ebenfalls eine ambitionierte, vollständig integrierte und global wettbewerbsfähige Photovoltaik-Wertschöpfungskette aufzubauen in den nächsten Jahren“, heißt es in ihrem gemeinsamen Industriestatement.
Regionale Diversifizierung der Solarindustrie
Alle einzelnen Punkte haben die Unternehmen auch noch ausführlicher erklärt. So weisen sie etwa darauf hin, dass sich in Europa der Photovoltaik-Zubau auf 60 Gigawatt jährlich verdoppeln müsse, um die angestrebte installierte Leistung von mindestens 600 Gigawatt bis 2030 zu erreichen. Auch in Deutschland gebe es ambitionierte Zubauziele – gegenüber 2022 soll der Zubau 2026 auf 22 Gigawatt etwa verdreifacht werden. Doch ohne eine Diversifizierung der Solarindustrie seien diese Ziele gefährdet. „Das industriepolitische Ziel-bild Deutschlands und Europas sollte daher die regionale Diversifizierung der Photovoltaik-Industrie über alle Fertigungsstufen und das Erreichen kritischer Produktionsmengen, die Wettbewerb auf Augenhöhe mit China und den USA zulassen, sein“, heißt es in dem Schreiben.
Die Unternehmen verweisen neben China und den USA auch auf Länder wie Indien oder Kanada, die bereits Maßnahmen ergriffen haben, um von dem entstehenden „Multimilliardenmarkt“ zu profitieren. Gerade in den USA sei mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein „starkes Zeichen für die strategische Relevanz von Produktionsrückverlagerungen von kritischer Energieinfrastruktur“ gesetzt worden. Er umfasse signifikante und quasi unlimitierte Zuschüsse für die Photovoltaik-Fertigun gin den USA. Sie erfolgten in Form von Betriebskosten-Subventionen über Steuergutschriften. Bis zu 18 US-Dollarcent pro Wattpeak seien entlang der gesamten Wertschöpfungskette als Steuernachlass möglich und dies über einen garantierten Zeitraum für fast zehn Jahre.
Mit der Stellungnahme haben sich Unternehmen des Upstream- und Downstreamsektors in Europa zusammengeschlossen. Sie zeigen sich zuversichtlich, dass Abnahmezusagen über ein Volumen von 30 Gigawatt geschlossen werden könnten. Die größte Herausforderung liege jedoch in der Kostenstruktur. Während der Aufbau- und Skalierungsphase sei davon auszugehen, dass die Preise der europäischen Solarindustrie über Weltmarktniveau liegen werden. Dies müsse mit planbaren Förderungen von Investitionen und Betriebskosten über die nächsten sieben bis zehn Jahre aufgefangen werden.
Neben dem Hybridkapital was an dieser Stelle benötigt wird, kommt auch ein Vorschlag der Solarindustrie ein wettbewerbs- und innovationsfördernden „Top Runner“-Programms nach chinesischem Vorbild einzuführen. Damit ließen sich innovative Firmen gezielt fördern. Ein weiterer Weg der Unterstützung sei die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Photovoltaik-Hersteller, etwa in Form eines CO2-Fußabdrucks oder von Sozialstandards oder die Formulierung von Zielquoten für die Nutzung von in Europa produzierten Photovoltaik-Komponenten.
„Diese beschriebenen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Produktion und Nachfrage europäischer Photovoltaik-Komponenten würden einen bedeutenden Bestandteil zur Finanzierbarkeit von PV-Fertigungsprojekten in Europa beitragen, während Marktdynamiken nicht ausgesetzt würden und ein Wettbewerbsumfeld beibehalten würde“, heißt es im Fazit. Sie würden die europäische Solarindustrie dazu befähigen, dass eine langfristig tragfähige Industrie entstehe, die ohne staatliche Förderung auskomme und global wettbewerbsfähig sei.
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Hier eine schöne Dokumentation, wie es dazu kam, dass Deutschland die Weltmarktführerschaft verloren hat. Beeindruckend und melancholisch. Wie haben alle nur so gepennt!
Nun müssen wir es wieder anpacken. Diesmal haben wir hoffentlich verstanden?!
https://m.youtube.com/watch?v=GV09qcWW7kw&feature=youtu.be
WIR haben es verstanden. Das hatten wir aber auch das letzte Mal. Leider haben CDU/CSU, FDP und AFD nicht verstanden. Wenn der Wähler nicht versteht, dass es mit diesen Parteien keine ökologische und ökonomische Wende gibt wird sich das Ganze leider wiederholen.
Die Altmeier-Delle wird uns noch weitere Milliarden € kosten.
Man darf bei der Erklärung der EEn – Feindschaft nicht nur auf Altmaier zeigen, wesentlichen Anteil an den Fehlern in vielen Bereichen hat die ‚Aktionäre- Partei FDP, sei es bei der Fehlentwicklung im sozialen Wohnungsbau oder bei der DB durch ihre hysterische Forderung nach Privatisierung . Der Markt kann eben nicht alle Probleme beseitigen, vielmehr erzeugt er manchmal Probleme, die es ohne ihn gar nicht gäbe: deutliches Beispiel ist hier die italienische Verkehrspolitik, wo man sogar die Straßen- Sicherheitskontrollen an private Firmen delegiert hat. Also: Marktwirtschaft nur und nur dort, wo es sinnvoll ist ! Auf dem Gebiet der Energiewende bremst der Markt nur, was die Netze und vor allem die Speicher betrifft.
Hier ist eine Vergesellschaftung dringend notwendig.
das ist doc mit den Stromkosten die wir in Deutschland haben und auf viele Jahre haben werden völlig aussichtslos und auch energetisch sinnlos. Es wird ein dauerhaftes Subventionsgrab in Milliardenhöhe eingerichtet. Besser wären Partnerschaften mit sonnenreichen Ländern in- und außerhalb der EU. Know-how und Maschinen aus Deutschland und Produktion dort wo es Sonnenstrom mit viel besserer Effizienz gibt. Das wäre eine Leistung von H.Habeck, nicht Subvention. Da könnte man auch den Aufbau in Afrika anschieben und den menschen eine Perspektive bieten. Es gab da in den 0-iger Jahren schon einmal einen Visionär Namens Ludwig Bölkow der das initiieren wollte. Im übrigen geht es ja anscheinend auch ohne Subventionen wie Meyer-Burger gerade zeigt.
Siegfried Wanzek schreibt.
das ist doch mit den Stromkosten die wir in Deutschland haben und auf viele Jahre haben werden völlig aussichtslos und auch energetisch sinnlos
@Siegfried Wanzek
Wissen Sie wie in Deutschland die Stromkosten entstehen, und welche Preis mindernde Rolle die Solare Erzeugung dabei spielt. Genauer gesagt spielen könnte, wenn sie allgemein dienlich angewandt würde, und nicht systematisch ausgegrenzt wäre. Ich vermute nein.
Deshalb lesen Sie dazu meine folgenden Kommentare.
https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/co%e2%82%82-emissionen-2022-in-deutschland-kaum-gesunken/
https://www.pv-magazine.de/2022/11/09/marktwert-solar-sinkt-auf-niedrigsten-stand-seit-februar/
Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Stromsystem der Zukunft etwas höhere Kosten hat, als beim derzeitigen sichtbar. Das liegt aber vor allem daran, dass das derzeitige System zahlreiche Kosten nicht eingepreist hat. Am augenfälligsten ist das bei den Entsorgungskosten für radioaktiven Müll. Nach derzeitigem Stand wird der sehr dauerhaft bewacht und ab und zu umgepackt werden müssen, weil es keine für den Zeitraum von 100.000 Jahren haltbare Verpackung gibt. Vor 100.000 Jahren saßen unsere Vorfahren noch auf den Bäumen, so ein Zeitraum und die Kosten, die in dieser Zeit anfallen, sind nicht seriös zu überblicken. Subvention ist also nicht nur heute nachgeschmissenes Geld, sondern auch die Erlaubnis, einen Kredit in der Zukunft aufzunehmen, ohne die Zukunft fragen zu müssen.
Mit dem CO2 ist es ähnlich: Die Kosten für die hohen Emissionen laden wir den zukünftigen Generationen auf. Noch dazu werden sie weltweit sehr ungleich verteilt. Es ist unehrenhaft, anderen bewusst Schäden zuzufügen, seien es Zeitgenossen oder Nachkommen.
Die Investition in Afrika soll man ruhig versuchen. Ein groß gedachtes Projekt (DESERTEC) ist zwar schon gescheitert, aber an Gründen, die nicht Schicksal, sondern Blödheit waren. Vielleicht ist man ja beim nächsten Mal auf beiden Seiten schlauer. Einige Zielländer dachten wohl, sie könnten uns die ganze Arbeit machen lassen und dann Strom umsonst abgreifen, während die kolonialistisch denkenden Zeitgenossen hier der Meinung waren, die afrikanischen Länder könnten ihre wertlosen Wüstenflächen doch entgeltlos zur Verfügung stellen und dankbar sein, wenn ein paar Brocken Reststrom – natürlich gut bezahlt – für sie abfallen.
Die Lebenserfahrung sagt uns: Wenn es des Idealismus bedarf, dann bohrt man überall sehr dicke Bretter. Gibt es aber Geld zu verdienen, dann wird überall auf der Welt sehr schnell verstanden, was man dafür tun muss.
So einfach ist es leider nicht. Wir brauchen hauptsächlich Strom in Deutschland und das aus erneuerbare Energie. Diese ist konkurrenzlos billig. Deswegen müssen wir sie hier dezentral massiv aufbauen um keine großen Stromnetze mehr zu brauchen. Wir brauchen in Europa mindestens 30 kWp Erzeugung von eigener Technik. Meyer Burger hat die Maschinen sonst immer verkauft und wäre fast pleite gegangen durch die riesige Konkurrenz aus China. Sie haben großes Know-how und nutzen dies jetzt für eigene Produktion. Wenn China Strafzölle verlangt oder die Lieferung aussetzt ist unser Planet verloren und die deutsche Energiewende Geschichte. Spanien und Portugal welche auch am europäischen Stromnetz hängen haben die Zeichen der Zeit erkannt und bauen massiv Wind und Sonne zu. Sie werden ein großes Wirtschaftswachstum haben. Frankreich wird in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Wir werden in Deutschland die Hälfte der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie verlieren. Nur wenn jetzt wirklich alle Bremsen gelöst werden hat unser Land noch eine große Zukunft das fängt mit 3000 Winterrädern im Jahr an..
Was wir für den Wiederaufbau der deutschen PV-Industrie brauchen?
KEINE Politiker wie Alrmeier, Rösler, Röttgen und Rütrgers!