Einhundert-CEO: Eigenverbrauchsmodelle in Liegenschaften mit mehreren Verbrauchern im GNDEW-Entwurf klar benachteiligt

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pv magazine: Die Bundesregierung hat unlängst den Entwurf für das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende veröffentlicht. Damit soll der Smart-Meter-Rollout endlich Wirklichkeit werden. Wie stehen Sie dazu?
Ernesto Garnier (Foto): Smart Meter sind die Grundlage einer zeitgemäßen Energiedateninfrastruktur: ohne Smart Meter keine digitalen Energieservices und somit keine effiziente Energiewende. Es ist schon grotesk: Zahlreiche Cleantech-Unternehmen entwickeln Software und digitale Services, um eine effiziente Energiewende zu ermöglichen. Doch im Herzen des Energiesektors haben wir noch immer eine antiquierte Netzinfrastruktur ohne hochauflösende Datenverarbeitung und entsprechende Schnittstellen. Der Smart-Meter-Rollout ist also längst überfällig, und dafür braucht es in der Tat einen gesetzlichen Neustart.

Sie sehen jedoch auch einige Schwachstellen in dem Entwurf, die dringend nachgebessert werden müssen. Welche wären das konkret?
Der Grundansatz ist gut. Durch die neue Kostenregelung wird endlich ein Anreiz geschaffen, Smart Meter großflächig einzusetzen. Netzbetreiber und grundzuständige Messstellenbetreiber werden stärker in die Verantwortung genommen, den Smart-Meter-Rollout zu unterstützen. Das ist richtig so! Das Problem: Liegenschaften mit lokaler Stromerzeugungsanlage (Photovoltaik und/oder BHKW) und Strom-Eigenverbrauch, etwa für Wärmepumpe, Ladesäule oder Mieter, werden im Entwurf des GNDEW mit Bezug auf den Messstellenbetrieb vergessen. Sie werden dadurch schlechter gestellt als Liegenschaften ohne Stromerzeugungsanlage oder ohne Stromeigenverbrauch. Man könnte sagen, sie werden von den neuen Regelungen ausgegrenzt. Dies bedroht akut die Energiewende im Gebäudesektor und insbesondere den Rollout von Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen.

Sie sagen, die Preisobergrenze für Smart Meter greift nicht bei Photovoltaik-Mieterstrommodellen. Wieso?
Einfach ausgedrückt: Die Preisobergrenze für Smart Meter darf nur einmal pro sogenanntem Anschlussnutzer in Anspruch genommen werden. In einem üblichen Mehrfamilienhaus oder Bürogebäude ist jede Mietpartei ein eigener Anschlussnutzer und kann somit jeweils einen Smart Meter zur Preisobergrenze erhalten. Wird aber das Gebäude mit einer Photovoltaik-Anlage zur lokalen Stromversorgung ausgestattet und die Mieter nutzen den Solarstrom wie bei Mieterstrom gemeinschaftlich, so wird aus mehreren Mietparteien (Verbrauchern) laut Gesetz ein gemeinsamer Anschlussnutzer. Damit können die Mieter als Gemeinschaft nur noch einen Smart Meter zur Preisobergrenze erhalten, obwohl sich die Anzahl der Verbraucher natürlich nicht geändert hat und jede Mietpartei laut Vorgaben einen eigenen Zähler braucht. Die Anschaffung der notwendigen Smart Meter wird damit wesentlich teurer und ergo werden Verbraucher in Gebäuden mit lokaler Photovoltaik-Stromversorgung schlechter gestellt.

Sind davon auch andere Energieformen betroffen?
Ja, gleiches gilt für die lokale Stromversorgung aus BHKW. Der Grundfehler im Gesetz ist: Eigenverbrauchsmodelle in Liegenschaften mit mehreren Verbrauchern, beispielsweise mit Mietern und Wärmepumpen, werden im Gesetz nicht berücksichtigt und damit schlechter gestellt. Die Regel sollte lauten: Ein Smart Meter je Verbrauchsstelle und je Erzeugungsanlage, egal ob als Eigenverbrauchsgemeinschaft gebündelt oder nicht.

Spielt bei dieser Frage auch die Anlagenzusammenfassung eine Rolle und handhaben das alle Netzbetreiber gleich, also stoßen Sie überall auf die gleichen Widerstände?
Die Regelung der Anlagenzusammenfassung hängt nur indirekt damit zusammen. Sie ist aber ein weiteres Beispiel dafür, wie der Photovoltaik-Rollout im Immobiliensektor unnötig erschwert wird. Und auch hier greift der Entwurf des GNDEW leider zu kurz. Im EEG §9 wird nämlich geregelt, dass Photovoltaik-Anlagen, wenn sie auf demselben Grundstück liegen, bei der Bemessung der Vergütungssätze und bei der Festlegung der Direktvermarktungspflicht als eine zusammenhängende Anlage betrachtet werden. Sprich: 10 Photovoltaik-Anlagen à 10 Kilowattpeak auf 10 benachbarten Mehrfamilienhäusern eines Vermieters, werden in der Betrachtung des Netzbetreibers zu einer Photovoltaik-Anlage mit 100 Kilowattpeak. Entsprechend geringer fällt die Einspeisevergütung aus und entsprechend entsteht eine Pflicht zur Direktvermarktung mit teurer Steuerungstechnik. Leider sind es aber weiterhin 10 Anlagen an 10 Netzanschlüssen, sodass die entsprechenden Kosten für Mess- und Steuerungstechnik 10 mal anfallen. Das macht Projekte unwirtschaftlich! Diese Gesetzgebung torpediert insbesondere die Umsetzung von Photovoltaik und damit auch Wärmepumpen in zusammenhängenden städtischen Quartieren. Im aktuellen GNDEW wird §9 des EEG zwar neu gefasst, jedoch leider nicht der Absatz zur Anlagenzusammenfassung. Hier muss nachgebessert werden.

Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass Kundenanlagen und Anlagenzusammenfassungen in dem Gesetz nicht richtig erfasst und damit benachteiligt werden?
Ich möchte keine Absicht unterstellen. Meine Annahme ist, dass der Rollout von Photovoltaik und Wärmepumpe im Gebäudesektor tatsächlich politisch gewollt ist. Daher gehe ich davon aus, dass das Konzept der lokalen Solarstromversorgung insbesondere im Bereich Mehrparteien und Gewerbe noch immer nicht vollends verstanden wurde. Es wird in den Gesetzgebungsprozessen scheinbar immer wieder vergessen, dass die meisten Menschen in Mehrparteienimmobilien wohnen und die meisten Betriebe in Mietobjekten ansässig sind. Gerade hier benötigen wir die dezentrale kostengünstige Solarstromversorgung und sollten dementsprechend alle regulatorischen Hindernisse entfernen.

Was müsste im Gesetz festgeschrieben werden, um eine solche Benachteiligung künftig zu verhindern?
In der kurzen Frist haben wir sehr konkrete Änderungsvorschläge im GNDEW vorgelegt, insbesondere bei folgenden Paragraphen. §20 EnWG:  Letztverbraucher innerhalb von Liegenschaften mit lokaler Stromerzeugung berücksichtigen.  §2 MsBG: Stromzähler von Verbrauchern innerhalb Kundenanlagen als Messstellen anerkennen. §21 MsBG: virtuelle Bilanzierung von Kundenanlagen auf Basis Smart Meter freigeben, um unnötige teure Messtechnik einzusparen. §30 MsBG: Preisobergrenze gilt für alle Verbraucher, auch innerhalb von Kundenanlagen. §9 EEG: Anlagenzusammenfassung nur je Netzanschluss, nicht je Grundstück. Diese Vorschläge waren auch in zahlreichen Stellungnahmen der Verbände ähnlich zu finden, wurden im Kabinettsentwurf aber bislang leider nicht berücksichtigt. Wenn man das Problem der solaren Eigenstromversorgung in Liegenschaften strukturell lösen will, dann braucht es meines Erachtens zwei zentrale Klarstellungen, die dann für alle relevanten Gesetze, also EEG, EnWG, MSBG/GNDEW, gelten müssten. Zum einen: Modelle zur solaren Eigenstromversorgung von Liegenschaften mit mehreren Verbrauchern werden niemals schlechter gestellt als Photovoltaik-Eigenverbrauch in Einfamilienhäusern. Das heißt konkret: keine Anlagenzusammenfassung nach §9 (3) auf Grundstücken und keine Stromsteuer auf Solarstrom-Direktbezug bei Lieferkettenmodellen. Zum anderen: Verbraucher in Liegenschaften mit solar Eigenstromversorgung haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Verbraucher in Liegenschaften ohne Solarstrom. Das heißt konkret: Smart Meter zur Preisobergrenze §30 MsBG und freie Gestaltung der Stromtarife und Vertragslaufzeiten ohne Mieterstrombeschränkungen nach EnWg §42a. Diese strukturelle Klarstellung könnte am besten auf Basis des EnWG (§3) erfolgen. Hier wird der Begriff der Kundenanlage definiert, was im Prinzip eine Solarstrom-Eigenverbrauchsgemeinschaft abdeckt. Würde die Definition in diesem Paragraph entlang meiner Punkte a) und b) geschärft und als Basis vorausgesetzt, wäre viel erreicht.

Sind Sie zuversichtlich, diese Änderungen noch bis zur Verabschiedung des Gesetzes zu erreichen?
Was die strukturellen Änderungen angeht, bin ich verhalten. Aber ich setze darauf, dass die Regierung es mit dem Solarstrom-Rollout in den Quartieren ernst meint. Ich bleibe daher optimistisch, dass zumindest die kurzfristigen, sehr konkreten Optimierungen noch eingearbeitet werden.

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