Smart-Meter-Rollout soll nun wirklich anlaufen

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Seit Jahren gibt es ein Gezerre um den Smart-Meter-Rollout. Dieses zu beenden und endlich Rechtssicherheit für die Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts zu schaffen, ist ein erklärtes Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums. Dessen Gesetzentwurf zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende – abgekürzt GNDEW – ist am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt worden. Bis zum Frühjahr soll es den parlamentarischen Prozess durchlaufen haben und in Kraft treten, wie das Bundeswirtschaftsministerium erklärte. Smart Meter als entscheidende Voraussetzung für eine digitale Infrastruktur, die für die Energiewende benötigt werden, würden damit auf eine neue Stufe gehoben. Mit dem Gesetz soll der Einbau der intelligenten Zähler beschleunigt werden.

Als wesentlichen Inhalt hebt das Bundeswirtschaftsministerium den gesetzlich verankerten Rollout-Fahrplan hervor. Es würden verbindliche Ziele und konkrete Zeiträume festgelegt, währenddessen die sogenannten BSI-Marktanalysen und -Markterklärungen entfallen sollen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) war bisher maßgeblich in den Smart-Meter-Rollout-Prozess integriert. Nun soll die Unterstützung der Energiewende in den Vordergrund rücken, dabei würden sich die Fristen für den Rollout am Zieljahr 2030 orientieren. Bis dahin solle die digitale Infrastruktur für ein weitgehend klimaneutrales Energiesystem stehen, so das Ministerium.

Bislang gab es eine sogenannte Drei-Hersteller-Regel, wonach das BSI zunächst drei Smart-Meter-Gateways unterschiedlicher Hersteller zertifizieren musste, um ein ausreichendes Marktangebot sicherzustellen. Dies sei EU-rechtlich nicht erforderlich und soll mit dem neuen Gesetz entfallen. Das Tempo werden daher künftig vom innovativsten Hersteller bestimmt, so das Ministerium.

Neu sei auch das Element eines „agilen Rollouts“. Damit könne ab sofort der Einbau intelligenter Zähler mit den bereits zertifizierten Geräten bei Verbrauchern bis 100.000 Kilowattstunden und Erzeugern bis 25 Kilowatt beginnen, selbst wenn noch nicht alle Funktionen freigeschaltet werden könnten. Bei einem Verbrauch bis 6000 Kilowattstunden und Erzeugungsanlagen zwischen 1 und 7 Kilowatt Leistung sollen Smart Meter zunächst optional bleiben.

Hochlaufphase zum Testen weiterer Funktionen

Mittels Anwendungsupdates der Smart Meter könnten sukzessive weitere Funktionen wie Steuern und Schalten bereitgestellt werden. Aus Sicht des Ministeriums habe die Industrie damit die Möglichkeit, in einer „Warmlaufphase“ Prozesse aufzubauen und das Steuern über Smart-Meter-Gateway zu üben, bevor der Pflicht-Rollout gilt, so das Ministerium. Auch dieser Prozess war bislang so nicht vorgesehen. „Das Gesetz erlaubt nun ein agiles Vorgehen: Messstellenbetreiber dürfen in einer zeitlich befristeten Hochlaufphase komplexe Funktionen wie das Steuern zur Vorbereitung der massenmarkttauglichen Einführung schrittweise einführen und Erfahrungen sammeln. Den Voraussetzungen des EU- Rechts an den notwendigen Mindest-Funktionsumfang wird weiter vollständig Rechnung getragen“, erklärte das Ministerium.

Die Kosten für die intelligenten Messsysteme sollen zudem gedeckelt werden. Privathaushalte und Betreiber von Kleinanlagen soll künftig nicht mehr als 20 Euro im Jahr zahlen müssen, was der aktuellen Preisobergrenze für eine moderne Messeinrichtung entspricht. Im Gegenzug wird der Netzbetreiber stärker an den Kosten beteiligt, da er in besonderer Weise auch von den Smart Metern profitiere. Gleichzeitig werde die Datenkommunikation bei einer Verbesserung des Datenschutzes erweitert.

Für alle Stromversorger wird es ab 2025 eine Verpflichtung geben, dynamische Tarife anzubieten. Damit sollen die Verbraucher auch von Zeiten günstiger Preise an den Strombörsen profitieren, etwa wenn eine hohe Einspeisung aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen erfolgt. Aktuell ist diese Pflicht nur für Lieferanten vorgesehen, die mehr als 100.000 Letztverbraucher beliefert und deren Kunden über intelligente Messsysteme verfügen. Diese Vorschrift wird entsprechend ab 2025 erweitert.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor das Smart-Meter-Gateway als sichere Kommunikationsplattform des Smart Meters im Grundsatz am Netzanschlusspunkt einzubauen. Dort könne er seine Funktionen am besten erfüllen. Über Schnittstellen könnten so auch mehrere Verbraucher und Ladeeinrichtungen am Netzanschlusspunkt gebündelt werden, um am Markt zu agieren. Gleichzeitig reduziere diese Bündelung die Zahl der Geräte, die verbaut werden müssten. Überdies will die Politik die Standardisierung und Lieferkette vereinfachen. So solle ein massengeschäftstauglicher Postversand bei der sicheren Lieferkette zugelassen und eine stärkere Berücksichtigung der Nachhaltigkeit festgeschrieben werden.

„Der heutige Kabinettsbeschluss ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem digitalisierten Energiesystem. Es fügt sich ein in den Umbau unseres Energiesystems“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Wir brauchen den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien und mit gleicher Konsequenz müssen wir das Gesamtsystem anpassen und verbessern.“ Genau darauf ziele der Gesetzentwurf ab. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der stärkere Einsatz von Elektroautos im Verkehrsbereich und Wärmepumpen in Gebäuden erfordern eine intelligente Verknüpfung von Stromerzeugung und – verbrauch“, so Habeck weiter. Das Energiesystem werde somit flexibler und komplexer und brauche Smart Meter. Ihr Einbau müsse aber systematisiert, beschleunigt und entbürokratisiert werden.

Tibber begrüßt Entwurf, BDEW vermisst schlüssiges Gesamtkonzept

Tibber, ein Ökostromanbieter der bereits auf dynamische Tarife setzt, begrüßte den Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium mit Blick auf Neustart und Entbürokratisierung. „Außerdem begrüßen wir, dass Habeck auch die zentralen Vorteile für dynamische Tarife für die Privathaushalte und die Energiewende erkannt hat“, sagte Marion Nöldgen, Deutschland-Chefin von Tibber. „Damit können Privathaushalte von niedrigen und sogar negativen Preisen an den Strombörsen profitieren – und damit gerade große Verbräuche wie das Laden von E-Autos und den Betrieb von Wärmepumpen in Zeiten verschieben, in denen der Strom günstig und grün ist.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist hingegen weniger zufrieden mit dem Gesetzentwurf. „Wichtig dafür ist aber ein schlüssiges Gesamtkonzept, dass den Rollout dort voranbringt, wo er am wichtigsten ist. Der heute vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf wird diesem Ziel leider nicht gerecht“, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. „Er sieht beispielsweise vor, dass jeder Kunde auf Antrag zeitnah ein intelligentes Messsystem eingebaut bekommen kann. Aus Sicht der Energiewirtschaft ist das in der Hochlaufphase ineffizient, weil alle Kundenwünsche vorzuziehen wären, unabhängig von ihrem Nutzen für das Gesamtsystem.“ Wichtig sei eine Priorisierung für die Messstellenbetreiber, nach der Pflichteinbaufälle beispielsweise prioritär behandelt werden können. „So könnten Messstellenbetreiber den Rollout effizienter planen und umsetzen. Auch die Chance zu einer deutlichen Vereinfachung des Messtellenbetriebs durch eine Modernisierung der eichrechtlichen Vorschriften wird – anders als angekündigt – verpasst“, erklärte Andreae weiter. Grundsätzlich sei der Vorstoß aber gut, müssen allerdings im parlamentarischen Verfahren noch nachgebessert werden.

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