Viel ist dieses Jahr in der Schweiz über die nationale und europaweite Versorgungslage diskutiert worden. Zuletzt traf sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga vergangene Woche mit Ministerinnen und Ministern der Penta-Länder (Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und die Schweiz), um Krisenmanagement und Risikoprävention im Energiebereich zu diskutieren. Die Mitglieder des Penta-Forums unterzeichneten im Dezember 2021 eine Absichtserklärung zur Stromkrisenvorsorge. Für die Schweiz in der Mitte Europas ist die Zusammenarbeit mit anderen Staaten essenziell. Doch wie sieht die Stromversorgung der Schweiz im Winter 2022 aus?
Einen Überblick über die tagesaktuelle Versorgungslage gibt das neue Energie-Dashboard, welches Produktion und Landesverbrauch sowie Trends graphisch darstellt. Rund fünf Prozent der Gesamtenergie sind demnach aus Photovoltaik-Anlagen generiert worden. Auch ein tagesaktueller Überblick über den Photovoltaik-Anteil in der Stromproduktion ist verfügbar. Sowohl im Dashboard als auch aus den vorläufigen Daten des Bundesamtes für Energie zur „Gesamten Erzeugung und Abgabe elektrischer Energie in der Schweiz 2022“ ist erkennbar, dass die Schweiz im Winter 2022 ein Netto-Importeur ist. Dies wird sich, laut der Studie „Energiezukunft 2050“, erstellt im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, auch in Zukunft nicht ändern. Es wird sogar mit einer Verschärfung der Importproblematik um das Jahr 2040 gerechnet, wenn die Schweizer Atomkraftwerke zum Großteil vom Netz genommen sein werden. Zusätzlich drohen aufgrund des fehlenden Stromabkommens Importbeschränkungen durch die Nachbarländer.
Energiepolitik treibt einheimische Produktion voran
Im Jahr 2022 stand die sichere Stromversorgung aus einheimischen Energiequellen im Fokus: Der Bund setzt auf die finanzielle Förderung und Zubau von erneuerbaren Energien, die Beschleunigung von Verfahren, auf ausgewählte Wasserkraftprojekte, erhöhte Sicherheit mit Hilfe des „Bundesgesetzes über Dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter“ sowie auf die Reduktion des Öl- und Gasverbrauchs.
Speziell im Bereich Solarenergie sind nun Auktionen für Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von über 150 Kilowatt ohne Eigenverbrauch sowie ein Bonus für alpine Photovoltaik-Anlagen wegen ihrer Bedeutung für die Stromproduktion im Winter vorgesehen. 600 Millionen Franken, umgerechnet etwa 610 Millionen Euro, werden für die Förderung der erneuerbaren Stromproduktion aus Photovoltaikanlagen 2023 bereitgestellt.
Der Bedarf an alpinen Photovoltaik-Anlagen in den Alpen wird dabei durch diverse Faktoren beeinflusst: Dazu zählen die Ausschöpfung des Photovoltaik-Potenzials auf Gebäuden und Infrastrukturen, die Importmöglichkeiten von Strom im Winter und die Größe und Art der verfügbaren Energiespeicher. Das Parlament hat mit dem Inkrafttreten von Art. 71a Energiegesetz ab 1. Oktober versucht, den raschen Ausbau großer Photovoltaik-Anlagen in alpinen Lagen voranzutreiben. Doch welche Rolle kann Photovoltaik, insbesondere alpine Solaranlagen im Winter einnehmen?
Rolle alpiner Solaranlagen
Um den Importbedarf der Schweiz positiv zu beeinflussen, muss der Fokus beim Zubau auf der Winterstromproduktion liegen. Photovoltaik-Anlagen in den Bergen liefern hier einen wichtigen Beitrag: Durch kühlere Temperaturen, wenig anhaltenden Hochnebel und durch sekundäre Energiegewinne über schneebedeckte Oberflächen haben alpine Photovoltaik-Kraftwerke eine verhältnismäßig höhere Winterproduktion. Sie können im Winterhalbjahr rund 3.5-bis 4-mal mehr Strom pro Fläche produzieren als vergleichbar große Freiflächenanlagen im Mittelland und einen um 20 Prozent höheren Ertrag als städtische Anlagen liefern. Insbesondere der Einsatz von bifazialen Modulen und steilen Neigungswinkeln erhöht ihre Ausbeute im Winter. Die größten Potenziale liegen laut VSE in den Kantonen Wallis und in Graubünden, wobei Einschränkungen durch die Verfügbarkeit vorhandener Infrastruktur bestehen.
Auch der Energiekonzern BKW betont, dass alpine Solaranlagen pro installiertem Watt über das ganze Jahr gesehen mehr Strom produzieren als Dach- und Fassadenanlagen, und gehen von einem Winteranteil bei der Erzeugung von rund 50 Prozent aus. Dabei sind nach Ihren Berechnungen die Gemeinkosten verschiedener Photovoltaik-Anlagen im Vergleich zum produzierten Winterstrom für alpine Großanlagen deutlich günstiger als für heutige mittlere Anlagen und für große Fassadenanlagen.
Am günstigsten würde der Ausbau von Winterstromkapazitäten durch eine Kombination von Wasser-, Solar- und Windkraft. Der Bau von 150 bis 250 alpinen Anlagen allein könnte jedoch die Gemeinkosten bereits um mehrere Milliarden Franken senken. Unter Gemeinkosten versteht BKW die Summe der Kosten, die zum Erreichen einer bestimmten zusätzlichen Winterproduktion entstehen.
Die Studie „Energiezukunft 2050“ des VSE hebt ebenfalls den Nutzen einer Diversifikation hervor und präsentiert insbesondere die Vorteile der einer Kombination aus alpinen Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Dadurch würden sowohl Produktionsrisiken reduziert und auch Kosten gesenkt.
Die entscheidende Frage ist jedoch die nach der Umsetzung. Das kürzlich angekündigte Projekt in der Combe de Prafleuri im Wallis wird unter Beteiligung von Alpiq und Grande Dixence in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Hérémence auf einer Fläche von 350.000 Quadratmetern in einem ehemaligen Steinbruch gebaut werden. Geplant ist eine hochalpine Photovoltaik-Anlage mit bifazialen Modulen, die 2025 in Betrieb gehen soll. Das ermittelte Potenzial für die Erzeugung liegt zwischen 40 und 50 Gigawattstunden pro Jahr.
Auch Axpo will im Rahmen Ihrer Solaroffensive 1,2 Gigawatt Photovoltaik-Leistung zubauen. Darunter fällt die 10-Megawatt Freiflächenanlage „NalpSolar“ am Nalps-Stausee im Kanton Graubünden auf rund 2000 Höhenmetern. Allein mit dieser Anlage ließe sich der Jahresbedarf von mehr als 11.000 Schweizer Haushalten produzieren.
Weitere Projekte befinden sich in unterschiedlichen Phasen der Planung, unter anderem eine Großanlage oberhalb der Gemeinde Scuol, die Konzeptstudie „Vispertal Solar” in Eisten, die Anlage „Grengiols-Solar“, das alpine Projekt „Gondosolar“, sowie das Projekt „Morgeten“. Die Frage, wie der der Strom für die Schweiz für den Winter gespeichert oder produziert werden soll, wird zumindest anteilig durch alpine Photovoltaik-Anlagen beantwortet. Sie werden zudem helfen, den Bedarf zur saisonalen Speicherung zu . Allerdings bleibt abzuwarten, wie schnell die benötigten Photovoltaik-Kraftwerke wirklich entstehen und in welchem Umfang. (Hannah Bergler)
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“ Allein mit dieser Anlage ( 10 MW ) ließe sich der Strombedarf von 300.000 Schweizer Haushalten decken.“
300.000 kann nicht stimmen.
Lieber Herr Jensen,
danke für den Hinweis. Sie haben Recht – die Anlage wird den Jahresverbrauch von mehr als 11.000 Haushalten decken. Wir haben die Stelle im Artikel korrigiert.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre pv magazine Redaktion
Gibt es eigentlich in Deutschland auch solche Planungen für Alpine PV? Hat jemand das Potenzial ermittelt für Bayern?
Zusatzkosten Netzverstaerkung?
In der Chart wird auf die „Zusatzkosten Netzverstaerkung“ hingewiesen, ein wichtiger Punkt.
Aber kann das sein das eine 10 kW Anlage auf einem Einfamilienhaus solche Zusatzkosten verursacht?
Ich hoere davon zum ersten Mal, bin selbst Besitzer einer vergleichbaren Anlage und hatte keine solchen Zusatzkosten.Ich kenne auch niemanden der von solchen Kosten betroffen war.
Was leider nicht erwähnt wird: Der Artikel 71a des Energiegesetzes läuft am 31.12.2023 wieder aus und damit eigentlich auch die Förderung von bis zu 60% der Investitionen in diese Alpensolarkraftwerke. Die Verordnung zum Gesetz sieht nun vor, dass bewilligte Projekte nur 10% der bewilligten Kapazität bis zum Stichtag 31.12.2022 in das Netz liefern müssen und der Rest über weitere 3 Jahre zugebaut werden kann. Private Investoren werden mit diesem Gesetz implizit vom Markt ausgeschlossen, denn für den Fall, dass ein Kantonswerk, ein Solarkraftwerk nicht anschliessen möchte, trägt der Privatinvestor das alleinige Risiko und solches Verhalten der Kantonswerke kann nicht eingeklagt werden. Ja die Schweizer Planwirtschaft wird mit diesem Gesetz erneut ein Jahrzehnt verlieren, um zumindest einen fairen offenen Stromerzeugungsmarkt zu schaffen. Lasst uns auch mal sehen, ob Pro Natura und WWF sich die gleichzeitige Aushebelung der Raumplanungs- und Umweltschutzgesetze gefallen lassen.