pv magazine: Compleo richtet sich neu aus. Warum und wie?
Jörg Lohr (Foto): Compleo richtet sich eigentlich nicht ganz neu aus, sondern sie richtet sich nochmal neu aus. In den letzten eineinhalb Jahren haben zwei große Transaktionen stattgefunden. Compleo hat mit der Wallbe aus Paderborn und der Innogy eMobility Solutions als Teil des Eon-Konzerns zwei Unternehmen übernommen. Diese verfügten über ähnliche und teilweise redundante Portfolios. Die allgemeinen strategischen Ausrichtungen wichen dagegen stark voneinander ab. Als neuer Vorstand ist es jetzt meine Aufgabe, unser Unternehmen mit einer noch kundenzentrierteren Strategie und mit einem verschlanktem Produktportfolio aufzustellen.
Sind das die Gründe, warum der Aktienkurs eingebrochen ist?
Möglicherweise. Analysten nennen uns aktuell drei Punkte: Der eine ist, dass die Integration der verschiedenen Unternehmensteile nach Ankauf noch nicht vollständig abgeschlossen wurde. Der zweite ist, dass sich Compleo sehr ambitionierte Ziele gesetzt hat, die wir am Kapitalmarkt mehrmals nach unten korrigieren mussten. Das ist sehr ungünstig und führt in der Regel zu Konsequenzen, die sich im Aktienkurs widerspiegeln. Der dritte Grund ist, dass wir angekündigte Meilensteine im Unternehmen, wie zum Beispiel die Markteinführung der Solo Wallbox oder des Hochleistungsladers, verschoben hatten. Die Summe dieser Gründe hat dazu geführt, dass Investoren das Vertrauen in unser Unternehmen verloren haben.
Sie wollen das ändern. Wie wird die gemeinsame Produktstrategie von Compleo aussehen?
Als ich am 1. September 2022 in den neuen Vorstand aufgerückt war und den Vertrieb sowie die Produkte verantwortete, haben wir bei Compleo die Situation direkt und intensiv durchleuchtet. Eines unserer Findings war eine fehlende Fokussierung auf die Kernaufgaben. Wir hatten durch unser anorganisches Wachstum, also durch die Zukäufe, über 340 verschiedene Produktvarianten angeboten. Das ist für ein Unternehmen in dieser Größenordnung und für einen mittelständischen Anbieter von Ladetechnologie extrem viel. Sie brauchen schließlich für jede dieser Produktvarianten ein Entwicklungs-, ein Produktions- und ein Logistikkonzept. Sie brauchen zudem für jede Variante ein Service- und Ersatzteilkonzept. Das ist eine Variantenvielfalt, die die Organisation am Ende maßlos überfordert hat. Dabei ist das gar nicht nötig, weil Sie mit deutlich weniger Produktvarianten den Großteil der Anwendungsfälle für das Laden von Elektrofahrzeugen abdecken können. Als ersten Schritt haben wir mit den Teams das Produktportfolio angeschaut, die Anwendungsfälle verglichen und darauf basierend das Produktportfolio signifikant verschlankt. Aktuell gehen wir nur noch mit fünf Produkten mit jeweils fünf Varianten in die Zukunft. Das heißt, wir kommen von hunderten Produktvarianten auf Kleinstvolumina von lediglich 25 Varianten.
Welche Produkte von Innogy, Wallbe und der alten Compleo bleiben übrig?
Es bleiben aus allen Bereichen die besten Produkte übrig. Wallbe, jetzt Compleo Connect, ist im Bereich der Zahlungsabwicklung am Ladepunkt sehr stark. In diesem Bereich haben wir Know-how, was es so am Markt wahrscheinlich nicht noch einmal gibt. Die Bezahllösungen, oder auch Payment Solutions, bleiben weiter in unserem Produktportfolio. Wir trennen uns allerdings von der Hardware wie beispielsweise den ehemaligen Wallbe-Wallboxen, da wir sie ansonsten teuer weiterentwickeln müssten. Allerdings garantieren wir, dass Kunden, die Wallbe-Produkte gekauft haben oder kaufen, während der gesamten Produktlebenszeit Ersatzteile, Dokumentationen und Schulungen bekommen werden. Von der Innogy-Seite werden wir ganz klar mit der Wallbox eBox ins Rennen gehen, sie ist außerordentlich stark. Außerdem werden wir an den für das öffentlichen Laden bestimmten AC- und DC-Produkten der Compleo. Darüber hinaus bieten wir aus beiden Welten aggregierte Ladeprodukte wie das Backend an. Zudem arbeiten wir gerade an einer HPC-Ladestation, unserem eTower. Dieser hat dann 200 Kilowatt Ladeleistung. Die Markteinführung soll im Frühjahr 2023 erfolgen.
Compleo Charging Solutions ist mit vier Produkten in der aktuellen pv magazine Marktübersicht Wallboxen und Ladelösungen vertreten. Die CITO 500 (Foto) ist eine 50-Kilowatt-DC-Ladesäule, die eBox professional, die eBox professional cable und die Compleo Solo Advanced sind unter anderem für Häuser und Gewerbeparkplätze gedacht. Hier finden sie die Produktdatenbank mit 200 Wallboxen und Ladesäulen.Compleo in der pv magazine Marktübersicht Wallboxen und Ladelösungen
Sie sprachen von Ihren Payment Solutions. Was ist das Besondere bei diesen Lösungen?
Ab dem kommenden Sommer 2023 müssen Sie physische Kartenterminals als Bezahlvariante an der Ladeinfrastruktur anbieten. Die öffentlich zugänglichen Ladesäulen müssen dann über eine starke Kundenauthentifizierung also eine PIN-Eingabe verfügen. Die Vorgaben dienen dazu, Online- oder kontaktlose Offline-Zahlungen vor Betrug noch sicherer zu machen. Ohne PIN-Eingabe können Zahlungen einer Karte abgelehnt werden, bei der beispielsweise zu viele kontaktlose Zahlungsvorgänge durchgeführt oder festgelegte Maximalbeträge erreicht wurden. Beim Thema Bezahlmethoden an den Ladestationen sind wir dem Markt weit voraus. Unsere Bezahllösungen haben wir bereits auf den Messen E-World und Light & Building vorgestellt. Alle unsere Produkte sind zusätzlich zu den anderen Bezahloptionen mit einem Kreditkarten-Terminal ausgestattet, um den strikten Vorgaben der Ladesäulenverordnung zu entsprechen.
Wichtig bei den Bezahlsystemen ist die so genannte Transparenzsoftware, mit der Verbrauchern eichrechtskonform ermöglicht wird, den Ladevorgang zu prüfen, ohne zur Ladesäule fahren zu müssen. Derzeit bietet das etwa die herstellerübergreifende Initiative S.A.F.E. an. Sie haben Patente an der Softwarelösung und wollen diese nun monetarisieren, was für Diskussionen am Markt führt. Was steckt da dahinter?
Grundsätzlich haben wir bei der Transparenzsoftware eine Möglichkeit der eichrechtskonformen Darstellung von Ladevorgängen. Die zweite eichrechtskonforme Darstellung von Ladevorgängen liegt auch bei der Compleo, das ist das sogenannte SAM, also unser Speicher- und Anzeige-Modul, das es ermöglicht, am Ladepunkt selbst den Zählerstand geeicht abzulesen. Beide Wege sind mit dem Eichrecht absolut vereinbar. Die Transparenzsoftware kommt über Innogy ins Haus. Es ist in anderen Industrien gang und gäbe, dass man geistiges Eigentum und Innovation monetarisiert, indem man die Patente anmeldet, sie sich schützen lässt und sich irgendwann als kommerziellen Vorteil oder Wettbewerbsvorteil zu eigen macht. Die Elektromobilität ist eine sehr junge Industrie, in der wir alle gemeinsam als Akteure über Jahre erst einmal den Markt schaffen wollten, bevor wir Wettbewerb schaffen. Nichtsdestotrotz kommen wir nun in eine Situation, in der wir natürlich auch das geistige Eigentum und die Kapazitäten und das Geld, das in die Entwicklung geflossen ist, monetarisieren wollen.
Elektroauto-Ladelösungen in pv magazine November 2022
Schwerpunkt zu Elektroauto-Ladelösungen – Wallboxen und Ladesäulen in der pv magazine Ausgabe November 2022 (Premium Content, zum Shop):
- Begleitartikel zur Marktübersicht Elektroauto-Ladelösungen: hier finden Sie unter anderem eine Diskussion der Marktübersichts-Einträge zu solaroptimierten Laden für Eigenheime
- Layoutete Übersichtstabelle: sie vereinfacht den Vergleich der Systeme und die Orientierung beim Surfen durch die Online-Datenbank
- Ladeinfrastruktur auf größeren Parkplätzen: Energiemanagement und Planung für Gewerbe-Ladeinfrastruktur
- 20 Produkte für Bidirektionales Laden: Autos tragen zur Stromversorgung des Hauses bei.
- Eichrechtskonforme Ladepunkte: Wann sind sie nötig?
- Volkswagen-Tochter Elli: Bereit machen für den epochalen Wechsel zur Bidirektionalität
- Supermarkt-Laden: Sicht von Investoren, Planern und Installateuren
- LKW: Elektro-Ladesäulen kommen auch hier
- Mehrfamilienhäuser: Ladelösungen und Planungsstrageien
- THG-Quoten: wer bekommt wie viel?
- Steuerliche Aspekte der Elektromobilität: Freiberufler und Kleingewerbe müssen beim Umstieg einiges beachten
- Wirtschaftlichkeit: Trotz hoher Anschaffungspreise kann Elektromobilität wirtschaftlich mit Verbrennungsmotoren mithalten
Wettbewerber sehen das anders?
Dass das am Markt bei den Wettbewerbern nicht gern gesehen ist, ist durchaus verständlich. Wie gesagt, es ist aber auf der anderen Seite, wenn Sie sich in unsere Lage versetzen, auch nicht unüblich. Es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass ein Akteur, der etwas entwickelt hat, eine eigene technische Entwicklung zu seinem Vorteil nutzen möchte. Nichtsdestotrotz steht über allem, und das hatte ich auch in Berlin zur Intercharge Network Conference in aller Öffentlichkeit gesagt: Wir wollen den Markt nicht verhindern, es geht also nicht darum, dass wir irgendeinen Akteur ausschließen oder dass wir diese Entwicklung blockieren. Das zeigt auch die Lizenzvereinbarung, die wir mit der Firma Keba geschlossen haben: Es geht darum, dass wir mit den Wettbewerbern eine Rechtssicherheit für beide Parteien, für uns und für den Wettbewerber, bekommen. Keba hat ja auch bestätigt, dass wir uns sehr respektvoll miteinander verständigt haben. Wir sind zuversichtlich, dass uns das auch mit anderen Markteilnehmern gelingt.
Es sind viele Firmen mit eigenen Wallboxen auf den Markt gekommen. Erwarten Sie eine Konsolidierung?
Das werden wir in der Elektromobilität generell erleben. Wir haben jetzt schon im Bereich der Hardwareproduktion einige Kooperationen und Konsolidierungen. Weitere werden kommen, weil der Markt stark wachsen wird. Das ist der so sogenannte Hockeystick. Erst wächst alles ganz langsam, dann ganz steil. Wir werden im Infrastrukturausbau exponentiell wachsen und es gibt einen Unterschied zwischen sehr gut entwickelter und produzierter Ladeinfrastruktur auf der einen Seite und der Skalierfähigkeit auf der anderen Seite. Für Letztere müssen Sie entlang des gesamten Produktlebenszyklus Produkte in mehreren Märkten mit gleicher Qualität, gleichem Servicekonzept und gleicher Ersatzteilbelieferung anbieten können. Das können nur wenige.
Viele Solarinstallateure tasten sich in das Ladeinfrastruktur-Feld hinein. Sie bauen erst eine, dann auch mal fünf oder sechs Ladestationen bei Gewerbebetrieben, wo sie auch Photovoltaik installieren, vielleicht auch mal eine Schnelladestation. Wie wird das weiter gehen und wer wird in Zukunft die Ladeinfrastruktur bei den Gewerbebetrieben installieren? Wird das für Solarinstallateure ein größeres Geschäftsfeld sein?
Sie müssen die Anwendungsfälle unterscheiden. Größere Ladeparks mit 15 oder 20 Hochleistungsladern an strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkten, dafür wird es sicherlich Spezialinstallationsbetriebe geben. Das ist in der Regel das Geschäft der Generalunternehmer und großen Baufirmen. In der breiten Masse und im halböffentlichen und privaten Bereich sind das mit Sicherheit die Solarinstallateure und Solarunternehmen. Sie haben ein ureigenes Interesse daran, der Logik folgend, dass es zwischen der Solarenergie und dem Einspeisen ins Elektrofahrzeug und später mal dem Einspeisen aus dem Elektrofahrzeug wieder zurück in das Heimnetz oder Verteilnetz eine Verbindung gibt. Wir haben auch ein Interesse daran, im Bereich der Solarinstallateure eine Kompetenz aufzubauen, die es ermöglicht, entsprechende Produkte in diesem Segment anzubieten. Ich sehe für die Installateure im Solarbereich hier definitiv einen ganzen großen Markt.
Wo wird man aus Ihrer Sicht in Zukunft laden?
Es gibt Studien, die sagen, dass 80 bis 90 Prozent der Ladevorgänge zu Hause oder am Arbeitsplatz stattfinden. Das ist im ländlichen Raum und in Vororten sicherlich der Fall. Es gibt aber genauso eine Studie, die ich mit dem Land Berlin gemeinsam gemacht habe: In Städten wie Berlin hat nur einer von vier Haltern von Fahrzeugen einen dezidierten Parkplatz. Das heißt, drei von vier Halter eines Fahrzeuges fahren abends in der Nachbarschaft mit einem Anwohnerparkausweis rum und müssen sich erst einmal ihren Parkplatz suchen. Die können Sie mit öffentlicher AC-Infrastruktur nicht bedienen, weil Sie sonst alle 20 Meter eine öffentliche AC-Säule in der Stadt hätten. Im ländlichen Raum wird das Ladeverhalten also ein anderes sein als in Großstädten. Das halböffentliche Laden, sprich das oft zitierte Laden am Arbeitsplatz, funktioniert natürlich auch nur dort, wo Sie genügend Kapazität haben und wo Sie auch genügend Parkplätze haben und auch eine Zuordnung haben. Im Verteilnetz in Gewerbegebieten haben wir in der Regel die Herausforderung, dass nicht ausreichend Kapazität verfügbar ist. Das öffentliche Laden wird mehr und mehr in Richtung Hochleistungsladen gehen. Das finden wir im Moment weitgehend entlang von Autobahnen. Die großen Betreiber wie EnBW und Ionity gehen jetzt aber auch in die Städte. Dort bin ich auf dem Weg von zu Hause zur Arbeit und zurück, auf öffentliche Hochleistungsinfrastruktur angewiesen. Insbesondere dann, wenn ich an der Arbeitsstätte oder in der Nachbarschaft keine Lademöglichkeit haben. Wir steigen jetzt mit unserem eTower 200 auch in den Markt des HPC-Geschäfts ein. Das Basismodell ist ein 200 Kilowatt-Lader. Den sehen wir als Game Changer im Unternehmen, weil HPC die Königsklasse der Ladeinfrastruktur ist.
Sie haben schon länger eine DC-Ladesäule im Bereich 50 Kilowatt. Aus diesem Segment sehen wir jetzt einige neue in unserer Marktübersicht. Wie sehen Sie das Marktsegment?
50 Kilowatt haben wir auch. Auch das ist eine Frage der Use Cases. Es gibt definitiv eine Daseinsberechtigung für 50 kW-Lader. Die finden Sie dort, wo Sie ein bis maximal zwei Stunden verweilen. Am Shopping Center oder am Kino zum Beispiel. An der Autobahn nutzen diese Lader nur wenigen Menschen.
Wie sieht es bei Ihnen mit bidirektionalem Laden aus?
Das macht sicherlich Sinn, wenn Sie sich das Home Charging anschauen. Im Hochleistungsbereich will der Kunde so schnell wie möglich weiterfahren. Da spielt bidirektionales Laden keine Rolle. Wir schauen es uns aber für den unteren Leistungsbereich intensiv an, weil das mit Sicherheit eine Möglichkeit ist, das Fahrzeug als Energiespeicher zu nutzen.
Wann wird das bei Ihnen kommen?
Geben Sie uns da gerne noch ein bisschen Zeit. Wir sind gerade dabei, unsere DC-HPC-Strategie komplett zu validieren.
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Na Ja; so ganz überzeugend war das jetzt nicht!
Welchen Preis-Aufschlag muß ein Serviceanbieter einer Ladeinfrastruktur überhaupt generieren, um bestehen zu können?
Was heißt das letztendlich für die Errichtungskosten?
Ich wünsche der Compleo ein Überleben in dem sich weiter entwickelnden Markt.
Wir haben seit Jahren zum Glück nur wenige compleo im Einsatz. Die Stationen machen nur Ärger und der Techniker Stundensatz liegt im Bereich eines guten Ingenieurs oder Beraters. Auch ein Geschäftsmodel, wenn auch nicht langfristig ausgelegt.