Deutliche Marktwertvorteile atypischer Erzeugungsprofile im deutschen Strommarkt

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Bisher werden in Deutschland fast 100 Prozent aller größeren Photovoltaik-Freiflächenanlagen mit fest nach Süden ausgerichteten Modulen gebaut. Dies führt zu erheblichen Gleichzeitigkeitseffekten der Erzeugungsprofile: Alle Anlagen erzeugen mehr oder weniger im Gleichschritt. Durch die hohe Gleichzeitigkeit der Erzeugung werden bei steigenden Anteilen der Photovoltaik am Gesamtstrombedarf sogenannte Kannibalisierungseffekte ein immer wichtigeres Thema. Das Überangebot an Stromerzeugung in sonnenreichen Stunden führt zu einem Verfall der Marktwerte dieser Anlagen. Deshalb ist zu erwarten, dass die Erzeugung aus Anlagen mit standardisiertem Aufstellungskonzept tendenziell der Kannibalisierung stärker ausgesetzt sind und damit relativ gesehen weniger Erlöse aus dem Strommarkt erzielen – ihr Profilwert nimmt im Zeitverlauf ab.

Abbildung 1 – Normiertes Erzeugungsprofil verschiedener Photovoltaik-Anlagendesigns an einem Beispieltag im Sommer

Grafik: Enervis

In unserer neuen Studie „Analyse innovativer Anlagendesigns für ein strommarktoptimiertes PV-Portfolio“ werden unterschiedliche nicht-Standard Anlagendesigns und Ausrichtungen von Photovoltaik-Freiflächenprojekten hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit im Strommarkt und ihrem Nutzen für das zukünftige Energiesystem untersucht. Dabei zeigt sich, dass durch ihre spezielle Ausrichtung und das dadurch im Vergleich zu Standard-Freiflächenanlagen atypische Erzeugungsprofil vor allem senkrecht aufgestellte bifaziale Ost-West Module sowie steil aufgeständerte fest nach Süden ausgerichtete Photovoltaik-Anlagen deutliche Marktwertvorteile gegenüber Standard-Süd ausgerichteten Anlagen erzielen. Ein zunehmender Zubau von Photovoltaik-Projekten mit solchen Erzeugungsprofilen bietet im Hinblick auf stabilere Profilwerte aufgrund der Diversifizierung der Erzeugungsstruktur vielversprechende Vorteile.

Abbildung 2 – Normiertes Erzeugungsprofil verschiedener Photovoltaik-Anlagendesigns an einem Beispieltag im Sommer

Grafik: Enervis

Bewertet mit einem aktuellen Enervis-Strommarktszenario zeigt sich: schon mittelfristig ergeben sich für die oben genannten atypischen Anlagendesigns Profilwertvorteile von über zehn Prozent gegenüber dem Referenzwert, der für alle Photovoltaik-Anlagen berechnet wird (www.netztransparenz.de). Damit erzielen innovative Photovoltaik-Anlagendesigns deutlich höhere spezifische Strommarkterlöse als der Marktdurchschnitt, was sich grundsätzlich auch in den projektspezifischen PPA-Preisen niederschlagen sollte. Dies ist vor allem auf die überproportionale Erzeugung in den Vor- und Nachmittagsstunden oder in den Wintermonaten zurückzuführen. Die Studie kommt zum Schluss, dass durch diese Erlösvorteile vor allem bei einer gleichzeitigen landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche auch bei höheren spezifischen Investitionskosten attraktive Renditen erzielt werden können. Ein weiterer Vorteil ist die vergleichsweise sehr viel weniger bebaute Fläche durch diese Anlagen. Durch die senkrechte oder sehr steile Aufständerung wird der effektive Flächenverbrauch deutlich minimiert.

Im zweiten Teil der Studie analysieren wir einen volkswirtschaftlich optimalen Zubau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen bei einer möglichst hohen Abdeckung der Photovoltaik an der gesamten Stromversorgung. Dabei ist festzuhalten, dass bei den vorgesehenen stark steigenden Photovoltaik-Anteilen an der Gesamtstromdeckung das Photovoltaik-Anlagendesign und das daraus resultierende Erzeugungsprofil der Technologie einen immer wichtigeren Einfluss auf den kostenoptimierten Zubau haben. In drei Szenarien zeigen wir, dass ab einem Anteil von 30 Prozent an der Gesamtstromversorgung im Jahr 2030 beziehungsweise einer installierten Photovoltaik-Leistung, die noch unter den Zielen des Koalitionsvertrags liegt, ein optimaler Zubau zunehmend mit innovativen Photovoltaik-Anlagendesigns erfolgen sollte.

Hinweis

Eine Online-Vorstellung der Studie findet am 13.12.2022 um 16:00 statt. Eine kostenfreie Teilnahme ist nach Anmeldung möglich.

Durch die hohe Gleichzeitigkeit und bei begrenzt verfügbaren Lastflexibilitäten gehen in der Analyse die Profilwerte der Standard-Süd ausgerichteten Photovoltaik bei steigenden installierten Leistungen sukzessive stark zurück. Zusätzlich spielt die Abregelung aufgrund von negativen Preisen und §51-Verlusten mehr und mehr eine Rolle. Somit erscheint ein Zubau, der sich allein auf das Standard-Anlagendesigns fokussiert, unter Systemperspektive, aber auch mit betriebswirtschaftlichem Blick nur begrenzt sinnvoll. Das Szenario mit einem Zielanteil von 30 Prozent Strombedarfsdeckung durch Photovoltaik zeigt, dass innovative Anlagendesigns die Marktwerte stützen und helfen die abgeregelten Strommengen aufgrund fehlender Nachfrage zu begrenzen. Damit können auch etwas höhere Stromgestehungskosten atypischer Anlagendesigns durch die effektiv höheren Marktwerte vor allem in Tagesrandstunden und geringere Abregelungsmengen gerechtfertigt werden.

Beim Ziel eines hohen Photovoltaik-Stromanteils ist es demnach sinnvoll, beim Zubau bereits kurzfristig verstärkt auf innovative Photovoltaik-Anlagendesigns zu setzen. Deren atypische Erzeugungsprofile ermöglichen einen großen Hebel um auch ohne zusätzliche Lastflexibilitäten den Anteil der Photovoltaik-Erzeugung an der Gesamtstromdeckung zu maximieren und dabei die Kannibalisierung zu begrenzen.

— Der Autor Thomas Rosenzopf ist Consultant bei der energiewirtschaftlichen Beratung enervis und hier für PV relevante Themen zuständig. Seine Expertise reicht vom systematischen Vergleich von Preisen von Power Purchase Agreements bis hin zu der Einbindung und Bewertung von Strom aus PV-Anlagen in ein industrielles Lastprofil. —

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