Langzeitspeicherung als neue Technologie für die Energiewende

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In den vergangenen 15 Jahren sind die Kosten für Windenergie, Photovoltaik und Lithium-Ionen-Batterien deutlich schneller und tiefer gefallen als prognostiziert. Selbst vor wenigen Jahren wurde es in einigen Kreisen für unmöglich gehalten, dass Stromkosten (ohne Subventionen) aus Wind- und Solarenergie günstiger als Produktion aus Gas oder Kohle sein könnten. Es ist jedoch so gekommen.

Die Technologieentwicklung geht weiter. Während die Massenspeicherung von Strom bisher fast ausschliesslich mit Pumpspeicherkraftwerken wirtschaftlich machbar war, könnte eine Reihe von neuen Technologien die Kosten der Langzeitspeicherung (Langzeitspeicherung hier als größer als acht Stunden definiert) deutlich senken.

Somit ist jetzt neben Wind- und Solarenergie sowie Kurzzeitspeicherung (Lithium-Ionen) ein viertes wesentliches Element eines «NetZero»-Stromsystems verfügbar.

Rolle für Langzeitspeicherung im Energiesystem

Der Long Duration Energy Storage Council hat auf COP26 den Bericht «Net-zero power – Long duration energy storage for a renewable grid» präsentiert. Die von McKinsey durchgeführten Analysen haben gezeigt, dass Langzeitspeicherung (Long Duration Energy Storage – LDES) zwischen Lithium-Ion und Wasserstoff als dritte Kategorie der Energiespeicherung zu sehen ist. Lithium-Ionen-Batterien sind für bis zu vier Stunden und überwiegend für Steuer- und Regelfunktionen geeignet, jedoch zu teuer für Massenspeicherung von Energie. Hinzu kommt die Sorge, dass Li-Ionen Batterien für stationäre Speicherung die gleichen Lieferketten wie Batterien für Elektrische Fahrzeuge teilen, und damit auch mögliche Engpässe mit Kobalt, Nickel und Lithium.

Wasserstoff ist für Industrieanwendungen und als Ersatz für Erdgas in strategischen Reserven erforderlich, jedoch wegen schlechten Wirkungsgrades keine ideale Lösung für Intraday (bis zu 24 Stunden) und Intra-Woche (bis zu 150 Stunden) Speicherung.

Eine neue Hybridlösung?

Bisher hat die Bundesregierung ein «erneuerbare Energien plus Gas»-Hybridsystem geplant. Die schwankende Produktion von Windkraft und Photovoltaik wird durch flexible Gaskraftwerke im Gleichklang mit dem Bedarf gehalten. Erdgaspreise aus Russland waren so günstig, dass diese Lösung auch wirtschaftlich schwer zu unterbieten war – die günstigen Gaspreise haben nicht nur eine starke Lieferantenabhängigkeit erzeugt, sondern auch den Einsatz von anderen Lösungen erschwert.

Deutschland hat geplant, «NetZero» zu erreichen, indem Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt wird. Die Verfügbarkeit von LDES Technologien eröffnet eine neue Alternative – ein «erneuerbare Energien + Langzeitspeicher + Wasserstoff»-Hybridsystem.

Neben verbesserten Effizienzen kann das neue System schneller als eine reine Wasserstoff-Strategie umgesetzt werden. Der Einsatz von Langzeitspeichertechnologien kann schneller erfolgen, da einige LDES-Technologien bereits in der kommerziellen Produktion sind oder kurz davor stehen.

Auswirkungen von Langzeitspeichern auf das deutsche Energiesystem

Die möglichen Auswirkungen des Einsatzes der Langzeitspeicherung im deutschen Energiesystems wurden bereits im Bericht «Perspektiven für Langzeitenergiespeicher in Deutschland» modelliert und erläutert. Simulationen des deutschen Stromsystems mit Einsatz von 15 Gigawatt Langzeitenergiespeichern (aufgebaut bis 2040) haben folgende Auswirkungen der Integration von Langzeitspeicherung ergeben:

  • Höherer Nutzen der erneuerbaren Energien; Abriegelung kann um bis zu 30 Prozent verringert werden. Damit wird erneuerbare Energie, die sonst nicht benutzt werden kann, nutzbar gemacht.
  • Reduktion von Erdgasverbrauch; gespeicherter Strom kann zu Spitzenbedarfszeiten aus Langzeitspeichern eingespeist werden.
  • Reduziert den Bedarf an Wasserstoff im Stromsektor um 13 Prozent; auch Wasserstoff kann anteilig durch gespeicherte erneuerbare Energien ersetzt werden.
  • Reduziert Gesamtsystemkosten um 24 Milliarden Euro (2025 bis 2050); Speicherung ermöglicht ein effizienteres Nutzen von allen Ressourcen im System.
  • Grosshandelsstrompreise bleiben stabil um 80 Euro/Megawattstunde; Speicherung reduziert Volatilität, da Bedarfsspitzen durch gespeicherte Energie bedient werden können.
  • Sichert Pläne für grünen Wasserstoff; Sollten die Kosten für grünen Wasserstoff 10 Prozent höher als der angenommene Wert von ca. 100 Euro/Megawattstunde liegen, werden die Auswirkungen durch Langzeitspeicher-Einsparungen zum Teil kompensiert.

Möglicher Beitrag zur Gasreduzierung

Langzeitspeicherung hat in bisherigen Plänen der Bundesregierung keine nennenswerte Rolle gespielt. Dies reflektiert die historische Tatsache, dass die Kosten von herkömmlichen Batterien zu hoch waren. Wie in der Einführung erwähnt, ist Langzeitspeicherung jetzt die 4. Technologieklasse, in der signifikante Kostenreduzierungen durch technologische Fortschritte erzielt wurden.

Bisher wurde grüner Wasserstoff als klimafreundlicher Nachfolger von Erdgas vorgesehen. Wasserstoff wird als Speichermedium verwendet – mit erneuerbaren Energien aus Wasser produziert, komprimiert oder verflüssigt für Transport und Speicherung, danach mit Gasturbine, Kolbenmotor oder Brennstoffzelle wieder in Strom umgewandelt.  Durch diese Kette geht etwa 80 bis 90 Prozent der ursprünglichen Strommenge verloren – was wiederum den notwendigen Aufbau von Wind- oder Solarenergieproduktion um Faktor 5 bis10 erhöht. Die kleineren Verluste durch Energiespeicherung in Langzeitbatterien verringern den notwendigen Upstream-Aufbau der erneuerbaren Stromproduktion. Dies hilft wiederum der Zeitachse, da insgesamt wesentlich weniger Neues gebaut werden muss. Auch aus diesem Grund kann der Einsatz von Langzeitspeicherbatterien zum schnelleren Ersatz von Erdgas führen.

Neue Dringlichkeit

Die Relevanz von Speicherung im Netz wurde bereits von der Bundesregierung erkannt und im Koalitionsvertrag verankert. Zwischenzeitlich geht es um weitaus mehr als Klimaschutz – erneuerbare Energien in Kombination mit Speichern sind der sicherste Ersatz für Erdgas und Schutz vor Abhängigkeiten von Importen aus autokratisch geführten Ländern.

In den USA wurde dies bereits erkannt; der Inflation Reduction Act (IRA) beinhaltet eine Reihe von Förderungen für Betreiber und Produzenten von Speichersystemen. Zwei Ziele werden zeitgleich ins Visier genommen: (1) eine Beschleunigung des Aufbaus von Großspeichern im Energiesystem und (2) der Aufbau der Produktion von Speichersystemen im Land; auf Dauer bringt es nichts, eine Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen durch eine Abhängigkeit von importierten Batterien ersetzen.

Nicht-Lithium Technologien sind hier von besonderer Bedeutung, da diese nicht nur eine bessere Eignung für Speicherung von mehr als acht Stunden anbieten, sondern auch eine Gelegenheit zur (Re)-Etablierung einer lokalen Produktion von Batterien, die keine Lieferketten-Überschneidungen mit Li-Ionen Batterien hat. Lithium-Ionen-Batterien sind von zentraler Bedeutung für Elektromobilität; für Langzeitspeicherung von Strom gibt es jedoch neue und bessere Alternativen.

Fazit

Langzeitspeichertechnologien sind komplementär zu Windkraft und Photovoltaik und bieten neue und wirtschaftliche Alternativen zu Erdgas und Wasserstoff. Die Technologien sind bereits in kommerzieller Produktion oder stehen kurz davor. Es handelt sich um neue Technologien, die kein Lithium verwenden und in USA und Europa (sowie anderen Ländern) produziert werden können. Der Aufbau kann mit entsprechendem Fokus und Investitionen beschleunigt werden. Die EU hat bereits sehr viele Investitionen in diesem Bereich vorgesehen; Langzeitspeicherung ist neu und sollte jetzt als Priorität gesehen werden, um den Ersatz von Erdgas durch gespeicherte erneuerbare Energien zu beschleunigen.

— Der Autor Alan Greenshields ist Director of Europe bei ESS, Inc. Er bringt es auf mehr als 15 Jahre Erfahrung im Sektor für wiederaufladbare Batterien. Als Entrepreneur gründete Greenshields eine Reihe von Unternehmen, die sich auf neue Technologien fokussieren, in Großbritannien, Deutschland und der Schweiz. Zudem war er im Management für verschiedene Batterieunternehmen tätig. https://essinc.com/ —-

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