Zur Finanzierung der Strompreisbremse plant die Bundesregierung, Gewinne aus Solar- und Windparks abzuschöpfen. Ein Gesetzesentwurf sieht vor, dabei fiktive Erlöse anzusetzen. Das verstößt jedoch gegen EU-Recht und verletzt zudem die in der Verfassung festgeschriebene Eigentumsgarantie. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten der Kanzlei Raue, das der Ökostrom-Versorger Lichtblick in Auftrag gegeben hat.
Die Juristen kommen zu dem Schluss, dass eine Abschöpfung fiktiver Erlöse nach der EU-Notfallverordnung (EU-NotfallVO) unzulässig ist, da diese nur die Abschöpfung „realisierter“ Erlöse zulasse. Die EU-NotfallVO begründet dies damit, dass ein Einbrechen des PPA-Marktes verhindert werden solle. Ein derartiges Szenario drohe aber durch den Vorschlag der Bundesregierung.
Lichtblick verdeutlicht dies mit einem Szenario: Angenommen, der Betreiber einer Erneuerbaren-Bestandsanlage will über einen längeren Zeitraum ein PPA zu einem fixen Preis von 120 Euro pro Megawattstunde abschließen. Die Bundesregierung würde jedoch nicht den vereinbarten Preis, sondern den kurzfristigen Spotmarkt-Preis für die Abschöpfung heranziehen. Die Folge: Liegt der Spotpreis zum Beispiel bei 300 Euro, würde davon nach dem im Gesetz vorgesehenen Mechanismus rund 164 Euro abgeschöpft. Dass der Betreiber nur 120 Euro einnimmt, bliebe unberücksichtigt. Die Regelung soll für alle PPAs gelten, die ab dem 1. November 2022 abgeschlossen werden.
Die Konsequenz, so Lichtblick: Erneuerbare-Betreiber ziehen sich aus dem langfristig orientierten PPA-Markt zurück und weichen auf den Spotmarkt aus. Mit dem damit verbundenen Wechsel der Vermarktungsform entfallen auch die Herkunftsnachweise, so dass Versorgern weniger Mengen Ökostrom für ihren Vertrieb zur Verfügung stünde. Beide Effekte treiben die Strompreise für Endkunden mittelfristig in die Höhe, fürchtet der Versorger. „Der PPA-Markt ist bereits zum Erliegen gekommen, die Unsicherheit im Markt ist riesig“, erklärt Enno Wolf, Geschäftsführer Green Energy Markets bei Lichtblick.
Die Lichtblick-Konkurrenten EWS, Naturstrom und Green Planet Energy stoßen ins gleiche Horn: Sie haben kürzlich in einem offenen Brief an den Bundestag darauf hingewiesen, dass die geplante Regelung das Geschäftsmodell PPA bedroht. Eine Umfrage des Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) unter seinen Mitgliedern zeigt, dass drei Viertel der Unternehmen ihre Investitionsstrategien anpassen wollen, wenn die Bundesregierung wie geplant Erlöse aus Erneuerbare-Anlagen abschöpft. Das betreffe vor allem den Bau förderfreier Solarparks.
Einer Studie von Aurora Research zufolge bleibt die Profitabilität von Erneuerbare-Anlagen aber auch mit Gewinnabschöpfung erhalten.
Finanzierung bedroht
Eine ebenfalls im Auftrag von Lichtblick erstelle Analyse von Enervis zeigt darüber hinaus, dass die Erlösobergrenze auch Solarprojekte gefährdet, die sich über PPAs finanziert haben. Dem Gutachtern zufolge melden zwar viele Betreiber ihre Anlagen in eine EEG-Ausschreibung, nutzen die – aufgrund steigender Kosten – nicht mehr auskömmliche EEG-Vergütung aber lediglich als Rückfall-Option für eine Basisfinanzierung. Um die gesamte Finanzierung sicherzustellen, griffen die Betreiber auf PPAs zurück. Durch die Abschöpfung der PPA-Einnahmen könnten die Betreiber laufende Kredite nicht mehr bedienen. „Der Projektgesellschaft eines Photovoltaik-Parks droht damit innerhalb der bereits geschlossenen Verträge kurzfristig nach Greifen der Erlösabschöpfung eine Zahlungsunfähigkeit“, so das Gutachten von Enervis.
Nach Einschätzung von Lichtblick dürften von diesen Effekten insbesondere Solarprojekte betroffen sein, die in den letzten 12 bis 24 Monaten einen EEG-Zuschlag bekommen haben. Seit 2021 wurden laut Bundesnetzagentur neue EEG-Anlagen mit einer Leistung von 3,5 Gigawatt zugelassen.
Ein weiteres Ergebnis der Enervis-Analyse: Der Bau kleinerer Photovoltaik-Anlagen auf Flächen an sonnenärmeren Standorten – etwa in Norddeutschland – rechnet sich für die Zeit der Erlösabschöpfung kaum noch. Die Renditeerwartung für einen Zwei-Megawatt-Park sinkt auf eine Eigenkapitalverzinsung von nur noch 1,5 Prozent, wenn die Erlösabschöpfung bis Ende 2023 läuft. Sollte die Abschöpfung verlängert werden, läuft die Rendite gegen null. In der Folge werde der Bau zahlreicher Solarparks auf die Zeit nach der Erlösabschöpfung geschoben.
Übergewinnsteuer statt Gewinnabschöpfung
Der Versorger erwartet nach Inkrafttreten der Erlösobergrenze eine Klagewelle. „Die Bundesregierung wiederholt die rechtlichen Fehler, die Ende September bereits die Gasbeschaffungsumlage zu Fall gebracht haben, und versucht erneut, eine verfassungswidrige Sonderabgabe zu etablieren. Auch wir prüfen die Möglichkeit, in Luxemburg und Karlsruhe gegen den Erlösdeckel zu klagen“, erklärt der Lichtblick-Chefjurist Markus Adam.
Anstelle einer Gewinnabschöpfung schlägt Lichtblick eine Übergewinnsteuer für Erneuerbare vor. Statt riskante Eingriffe in die Wertschöpfungskette vorzunehmen, sollte der Staat die tatsächlichen, durch die Krise gestiegenen Gewinne der Anlagenbetreiber zusätzlich besteuern, argumentiert der Versorger. Die Steuerfinanzierung der Strompreisbremse wäre solidarisch, rechtssicher und würde auch die Energiewende nicht in Mitleidenschaft ziehen. Vorbild könnte die geplante Zusatzsteuer für die Erdgas-, Kohle- und Ölindustrie sein. Dem Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) zufolge ist eine Übergewinnsteuer für Erneuerbare mit EU-Recht vereinbar.
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Es wäre einfach Irrsinn, zwischen „richtigen“ (angemessenen) und „falschen“ (Übergewinn) Strompreisen zu unterscheiden. Jedes dieser Unternehmen muss eine Steuererklärung machen, und da können mit Hilfe von Sondertatbeständen auch rückwirkend besondere Gewinne weitgehend abgeschöpft werden. Fiktive Gewinne muss man da gar nicht erfinden. Auch Steuervorauszahlungen, also Abschläge auf die zu erwartende Steuerpflicht, wären möglich. Das einzige, was nicht bestand haben wird, wären Steuern über 100%.
Um die Gewinnabschöpfung etwas schonender zu gestalten, sollte den Unternehmen parallel eine Sonderabschreibung eingeräumt werden. Dann hat man, wenn alles gut läuft, in einigen Jahren immer noch höhere Steuereinnahmen.
Ein unverschämtes Argument ist es dagegen, zu behaupten, dass abgeschöpfte Gewinne nicht in Erneuerbare Anlagen reinvestiert werden können. Die Tatsache selber stimmt natürlich, aber es gibt ja bisher überhaupt keine Verpflichtung, Gewinne und also auch die „Übergewinne“, zu reinvestieren. Die Investition in erneuerbare Anlagen wird gefördert durch Einspeisevergütung und Einspeiseprivileg. Die Zinskosten für Kapitalbedarf müssen durch die Einspeisevergütungen gedeckt sein, und fallen im Übrigen bei Reinvestition von Gewinnen als Opportunitätskosten genauso an. Also alles nur Polemik.
Nicht jeder Unternehmer parkt seine auf Kosten der Allgemeinheit hinterlistig erbeuteten (und in Wahrheit gestohlenen) viel zu hohen und ungebührenden Gewinne in Steueroasen.
Es soll Unternehmer geben, die nutzen ihren Gewinn für Investitionen in ihr Unternehmen, seien es Mitarbeiter, Fabriken, Machinen, Ausbildungsplätze oder Immobilien etc. Diese gierigen Haie kriegen den Hals einfach nicht voll.
Ein etwas stark vorurteilbeladenes Menschenbild vom bösen und listigen Kapitalisten, meinen Sie nicht, lieber JCW?
JCW schrieb Folgendes:
„Ein unverschämtes Argument ist es dagegen, zu behaupten, dass abgeschöpfte Gewinne nicht in Erneuerbare Anlagen reinvestiert werden können. Die Tatsache selber stimmt natürlich, aber es gibt ja bisher überhaupt keine Verpflichtung, Gewinne und also auch die „Übergewinne“, zu reinvestieren.“
Das unverschämte Argument stimmt also doch, selbst deiner eigenen Aussage entsprechend?
Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Eine pauschale Übergewinnabschöpfung ist ein ausgehender Cashflow, welcher keinen Einnahmen gegenüber steht. Damit wird effektiv der finanzielle Ertrag, und damit auch die Möglichkeit, diesen Ertrag zu reinvestieren verringert. Kurz, die Möglichkeit der Investition wird dadurch bei den Firmen zerstört.
Nun hast du richtig erkannt, dass in der Tat eine Investition nicht erfolgen muss und Gewinne ausgeschüttet werden können. Was genau bewirkt eigentlich eine solche Ausschüttung? Ahja, richtig, eine Verminderung des Betriebsvermögens zum Nachteil der Firma. Und damit die Reduzierung der Möglichkeiten, die Firma zu entwickeln. Vorteil und Nachteil liegen bei den Eigentümern, darum ist Beides legal.
Wie handhabt der Staat eigentlich Investitionen? Mit Freibeträgen. Also der Staat greift Betrieben, welche investieren, weniger in die Tasche. Ansonsten werden Gewinne ohnehin schon steuerlich reduziert. Auch ausgeschüttete Gewinne, auf welche dann der Bevorteilte Steuern zahlt.
Hier ergäbe sich die Möglichkeit, die tatsächlichen Gewinne zielgerichtet mit einer höheren Steuerlast zu belegen und im Gegenzug die Investition im Rahmen von Bedingungen zu entlasten.
Ergo, abgeschöpfte Gewinne können tatsächlich nicht reinvestiert werden, egal wie man es dreht oder wendet. Aber die polemisch kreative Logik ergab sich ja bereits aus dem Ausgangsbeitrag, welcher sich selbst widersprach. Das ist kein „unverschämtes Argument“ sondern eine mathematische und ökonomische Tatsache.
Es bestünde aber die Möglichkeit, Solar, Wind etc. zielgerichtet zu besteuern, insofern eine Reinvestition nicht erfolgt. Das hat aber mit der geplanten Abschöpfung überhaupt nichts zu tun.
Leider hat man sich aber offensichtlich entschieden, die Möglichkeit der Reinvestition über eine Abschöpfung sicher zu verhindern, dann muss man sich auch nicht mit einer gezielten Investitionsförderung auseinandersetzen, da es von vornherein keine solche Reinvestition geben wird.
Interessant an JCW’s Beitrag is die enorme Kreativität in der Argumentation. Die Investition würde „gefördert“ durch die resultierenden Erträge. Sehr erfrischend zu lesen, aber nicht unbedingt korrekt.
Weiterhin scheint JCW gänzlich unklar zu sein, wie die Bewertung von Gewinn entsteht. (Einspeise)Privilegien jedenfalls haben keinen monetären Wert und haben in dieser Betrachtung genauso wenig zu suchen, wie Opportunitätskosten. Der Unterschied zwischen Kapitalbedarf und Finanzierungskosten scheint auch ein wenig verwaschen. Ich würde doch nur allzu gerne einmal sehen, unter welcher Rubrik in der Steuererklärung oder der Gewinn- und Verlustrechnung JCW Opportunitätskosten angeben möchte.
Generell würde ich vor solchen Ergüssen nahelegen, einmal „Accounting Concepts“ zu googlen.