Es ist ein Referentenentwurf zur Strompreisbremse aufgetaucht, der demnächst im Kabinett beraten und verabschiedet werden soll. Darin enthalten ist weiterhin ein Abschöpfungsmechanismus für die Zufallsgewinne am Strommarkt, die zur Refinanzierung genutzt werden sollen. Die EU hatte mit ihrer Notfallverordnung den Weg frei gemacht, dass die Mehrerlöse an den Strommärkten in den EU-Mitgliedsstaaten bis zu 90 Prozent abgeschöpft werden können. Zunächst war dafür ein Konzept aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt geworden, was eine Abschöpfung teilweise ab 1. März 2022 vorsah. In der letzten Version war dann noch vom 1. September die Rede und daran scheint die Bundesregierung auch festhalten zu wollen.
Im aktuellen Referentenentwurf wird nun weitgehend auf das Modell zurückgegriffen, was aus dem Kanzleramt stammt und für das Bund-Länder-Treffen vor zwei Wochen konzipiert wurde. Es sieht ein Abschöpfungsverfahren mit Wahlmöglichkeiten vor. Auch an der Schwelle von einem Megawatt soll festgehalten werden, also nur Anlagen ab dieser Leistung sind von den Plänen betroffen.
Aus Regierungskreisen in Berlin heißt es, dass Kraftwerke einen Teil ihrer Zufallsgewinne vom 1. September 2022 bis mindestens 30. Juni 2023 abführen müssen. „Betroffen sind Kraftwerke mit niedrigen Stromerzeugungskosten, die ihren Strom zu sehr hohen Preisen verkaufen konnten und können, weil die Erzeugungskosten von anderen Kraftwerken, vor allem von Gaskraftwerken, sehr schnell und sehr stark gestiegen sind. Zu den Kraftwerken mit den vergleichsweise niedrigen Stromerzeugungskosten gehören Wind-, Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen, Abfallverbrennungsanlagen, Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke. Nur bei diesen Kraftwerken werden Zufallsgewinne abgeschöpft“, heißt es weiter.
Für die Abschöpfung könnten sie dann „zwischen zwei Abrechnungsarten entscheiden“. Die Kraftwerksbetreiber könnten entweder die Verträge für ihre einzelnen Kraftwerke offenlegen und die tatsächlichen Mengen und Preise geltend machen. Oder sie könnten ihre Erlöse anhand von durchschnittlichen Preisen am Spot- und Terminmarkt berechnen lassen. „Die Anrechnung auf Basis tatsächlicher Verträge gilt bei Bestandsanlagen nur für bereits laufende Verträge, andernfalls wäre es zu leicht, der Abschöpfung mit kreativen Neuverträgen zu umgehen“, heißt es aus Regierungskreisen weiter. „Für Neuanlagen können zusätzlich auch neu abgeschlossene Verträge geltend gemacht werden. Dies ist zwingend erforderlich, um den Zubau vor allem von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien nicht zu gefährden. Dadurch bleiben alle neuen Investitionsprojekte wirtschaftlich attraktiv.“
Für beide Mechanismen soll ein Sicherheitszuschlag gewährt werden. „Um die Unsicherheiten von Produktions- und Preisdaten zu berücksichtigen, gibt es deshalb einen Sicherheitszuschlag von 3 Cent pro Kilowattstunde auf die errechneten Erlöse, den die Kraftwerksbetreiber einbehalten können. Für die zukünftig erfassten Termingeschäfte wird ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag von 1 Cent pro Kilowattstunde angerechnet, der immer zugunsten der Unternehmen wirkt. Damit es sich für die Kraftwerksbetreiber weiterhin lohnt, den Strom in Zeiten mit besonders hohen Preisen zu verkaufen, also dann, wenn er besonders gebraucht wird, werden nur 90 Prozent der errechneten Zufallsgewinne abgeschöpft. 10 Prozent verbleiben als sicherer Gewinn bei den Kraftwerksbetreibern. Die vorgeschlagenen Regelungen zur Abschöpfung sichern, dass Kraftwerksbetreiber weiterhin sichere Gewinne am Strommarkt erzielen“, heißt es zur Erklärung der Pläne aus Regierungskreisen. Sie betonen auch, am Merit-Order-Prinzip unverändert festhalten zu wollen.
Beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht man die Pläne mehr als kritisch. Der BSW-Solar warnt „vor einer Investitionsbremse für den Klimaschutz und die Energiewende in Milliardenhöhe“. Der Gesetzesentwurf sei dahingehend nachzubessern, dass die Strompreisbremse nicht durch unverhältnismäßige Eingriffe in den Solarmarkt und die Erlöse von Photovoltaik-Betreibern finanziert werden. „Die Strompreisbremse darf nicht zu einer Energiewendebremse werden“, mahnte BSW-Solar-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Die könnte „ein Vielfaches an Mehrkosten durch eine längere Abhängigkeit von immer teureren fossilen Energien und deren Klimafolgekosten für Verbraucher zur Folge haben“. „Eine tatsächliche Kostenentlastung wird es nur dann geben, wenn die Bundesregierung die Energiewende jetzt tatsächlich weiter beschleunigt und nicht abwürgt. Jeder Euro, der in der Solarwirtschaft abgeschöpft wird, kann weniger in neue Solarprojekte investiert werden. Es bedarf eines Solarboosters und keiner Solarbremse“, so Körnig weiter.
Während sich die Bundesregierung zweistellige Milliarden-Einnahmen verspricht, hat der BSW-Solar kürzlich die Ergebnisse einer Branchenbefragung veröffentlicht und davor gewarnt, dass im Falle einer Erlösabschöpfung im jetzt geplanten Umfang, insbesondere Neuinvestitionen in förderfrei finanzierte Solarparks in erheblichen Umfang reduziert oder verschoben werden. „Die Regierungspläne haben die erheblichen Kostensteigerungen, mit der auch die Solarwirtschaft derzeit zu kämpfen hat, nicht angemessen eingepreist“, erklärte Körnig. So seien die Kosten von Investitionen in neue Solarparks gegenüber 2020 oft um über 60 Prozent gestiegen. Kostentreiber seien das weiter steigende Zinsniveau, steigende Arbeits- und Komponentenkosten. Neben dem Solarsystem habe sich auch seine Stromnetzanbindung und die Kosten für die Direktvermarktung deutlich verteuert, hieß es vom Verband weiter. Insgesamt beziffert der BSW-Solar den Investitionsbedarf zur Umsetzung der Ampel-Ziele zum Ausbau der Photovoltaik allein bis 2030 auf deutlich über 100 Milliarden Euro. Der BSW-Solar und der BEE hatten bereits Rechtsgutachten veröffentlicht, die die Regierungspläne zur Erlösobergrenze als unzulässig nach geltendem EU- und Verfassungsrecht einstuften. Für die am 1. Dezember erscheinende neue Ausgabe des pv magazine Deutschland hat zudem Rechtsanwältin Margarete von Oppen die aktuellen Pläne zur Übergewinnsteuerabschöpfung einordnet.
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Warum eigentlich keine Sicherheitszuschläge von 0 oder sogar negativ?
Alternativ gleich feste max. Strompreise für EE Produzenten bis 2030 festlegen…
Unfassbar mit welcher Willkür hier vorgegangen wird und das EU Framework mehr oder weniger ignoriert wird.
Der Cal-23 Future war schon lange vor Kriegsbeginn > 10 Cent/kWh. Auch ohne Ukraine Krieg hätten mir nach dem permanenten Gelddrucken und Umverteilen heute eine steigende Inflation gehabt und sicher auch gestiegene Strompreise > 10 Cent/kWh.
Das wird die Gerichte lange beschäftigen!
Warum genau noch einmal wird bei Gaskraftwerken nicht abgeschöpft? Einige Betreiber haben in den letzten Wochen angegeben, Gewinnsteigerungen um den Faktor 2,5 erzielt zu haben.
Die fallen wahrscheinlich wieder unter den „Lobbyistenschutz“
Physikalisch dürften – nach dem Merit Order Prinzip – die teuren Gaskraftwerke gar nicht den Börsenpreis bestimmen, wenn die EE vorrangig im Lande verbraucht würden. Dann hätten wir einen wesentlich niedrigeren Börsenpreis, und Übergewinne so gut wie ausgeschlossen.
Dazu siehe im Folgenden meinen Kommentar vom 27 Okt. um 20.46 Uhr.
Nachtrag.
Zum Hinweis fehlt der Link, hier ist er.
https://www.pv-magazine.de/2022/10/20/umfrage-klimaneutrales-stromsystem-braucht-neues-marktdesign/
Mein Kommentar
Vom 27 Okt. um 20.46 Uhr.
Zum Beispiel:
SSE: „the adjusted operating profit at SSE Thermal – the part of the business that burns gas to generate electricity – nearly tripled to £100 million in the six months to the end of September.“
[Evening Standard]
Ich bin vor allem gespannt, wie die Bundesregierung aus dieser Nummer jemals wieder rauskommen will. Wird es ein endloses hin- und herjustieren je nach aktueller Windrichtung?
Und warum kann man in 8 Monaten neue LNG Terminals aus dem Nichts in Betrieb nehmen (tonnenweise Chlor wird dazu im Meer verklappt zweckes Reinigung), aber z.B. Windanlagen müssen weiterhin das volle mehrjährige Programm passieren? Die Notfallinbetriebnahmen müssen doch auch bei EE möglich sein. Es ist doch nur Gesetzestext und Verordnung, das kann adhoc einfach beschlossen werden, siehe LNG. Das ist überhaupt gar nicht kompliziert, sondern ist jederzeit per Beschluss umsetzbar.
Diese Punkte passen für mich einfach nicht zusammen im Handeln der Verantwortlichen. Stattdessen verlagert man sich auf neue Schauplätze und diskutiert über Preisgestaltung. Die Neid- und Preisdebatte lieben die Deutschen natürlich, aber sie löst das Problem nicht. Nur mehr EE wird helfen und genau da geht es einfach noch immer viel zu langsam weiter, vor allem bei Wind. Gerade z.B. an den Küsten, ich verstehe es einfach nicht, warum hier nicht ein Investitionstsunami losgetreten wird, im Milliardenbereich, wie beim LNG. Das müsste doch auch für die FDP und SPD eine Herzensangelegenheit sein…(private Gewinne und Arbeitsplätze)…
Quellenangabe nicht vergessen, sonst denkt noch einer, ich poste nur eine beliebige persönliche Meinung:
„Kritik am LNG-Terminal: Standards werden eingehalten“
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Lies-zu-Kritik-am-LNG-Terminal-Standards-werden-eingehalten,lng408.html
Es gibt 2 Arten von Gesetzen: Naturgesetze können wir nur anwenden, bzw. Berücksichtigen.
Von Menschen gemachte Gesetze können auch von Menschen verändert werden. Das bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen Co2 entsteht und dadurch sich die Menschheit selbst ausrottet ist ein Naturgesetz.
Nun können die Gesetzgeber aller Länder die von Menschen gemachten Gesetze zu Gunsten des Überlebens der Menschheit verändern, dazu müssen Diese aber den Mut haben alte lieb gewordene Verdienst-und Macht Einkünfte zu verlassen. Sind unsere jetzigen Entscheidungsträger dazu in der Lage?
Also wird tatsächlich nach dem Stufenmodell abgeschöpft. Das hätte ich nicht gedacht. Also erhalte ich als Privatperson nun bei meiner 2,7 MWp PV-Anlage mit Marktprämienmodell und einer damals erhaltenen Ausschreibung von 5,1 Ct/kWh rückwirkend zum 01.09.2022 maximal 3 Ct/kWh als Marge (also 8,1 Ct/kWh) und nochmal 10% vom anzusetzendem Gewinn? (Bsp. 200 €/MWh – 51 €/MWh = 149 €/MWh x 0,1 = 14,9 €/MWh = 1,49 Ct/kWh Zusatz-Erlös. Also wird dann rückwirkend zum 01.09.2022 mein Gewinn auf grob 8,1 Ct./kWh + 1,49 Ct./kWh = 9,59 Ct/kWh gedeckelt?
Danke für eure Zeit
Das ist ein interessantes Geschäftsmodell an Investoren von Erneuerbaren Energien, das der Staat da vorschlägt:
Du darfst investieren und das Betreiberrisiko des Solar- und Windparks tragen.
10% vom Übergewinn sind dann für dich, 90% für mich.
Ich bin mal gesprannt, wem dieser Deal gefällt.
Was ist das mit den Übergewinnen?
Ernst gemeint oder als Versuchsballon definiert von einer koksverseuchten Kommunity des Wirtschaftsministeriums ?
Wie kann es sein, daß ein Rechtstsaat seine Spielregel im Nachhinein ändern will; es erinnert eher an die Vorgehensweise einer Bananenrepublik.
Rechstverdreher der Republik machen sich schon in den Startlöchern bereit!
Übergewinne! Wo werden diese definiert?
Wo finde ich das Geschäftsmodell 2023 des Wirtschaftsministerium zur aktuellen Strompreis-Findung?
Erneurerbarere, Speicherwirtschaft, Vergütung von Überproduktion?
Ich stehe der Strompreisbörse sehr skeptisch gegenüber; wie hat das früher funktioniert?
Wurden im Wirtschaftsministeriums nur Fachkräfte mit begrenzter Fähigkeit der Reparaturfunktion eingestellt?
Persönlich wurde ich die Tage von einer Strompreiserhöhung des Versorgers von 31 auf 66 cent/kWh überrascht; gehts noch?
Das hat mittlerweile Nichts mit gesicherter Energieversorgung zu tun.
Die Bundesregierung sollte hier schnellstmöglich aktiv werden.
Thomas I schreibt
Wo finde ich das Geschäftsmodell 2023 des Wirtschaftsministerium zur aktuellen Strompreis-Findung?
@ Thomas. I
Wie man das finden kann, habe ich schon einige male hier gepostet. Im Wirtschaftsministerium haben die Lobbyisten offensichtlich verhindert, dass da mal einer drauf gekommen ist.
Siehe im folgenden Link das vierte Bild von oben, wie nach Angebot und Nachfrage „aktuell“ die Richtpreise entstehen, die zu den Übergewinnen führen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Merit-Order
Wie einfach man das ändern könnte, habe ich hier schon X- mal dargestellt.
Hier noch einmal.
Die Erneuerbaren ( EE ) müssen wieder „Physisch“ gewälzt werden, wie das bis 2010 gesetzlich geregelt war. Das heißt die EE müssen den Bilanzkreisen der Versorger mit sogenannten Ökobändern zwingend zugeteilt werden. Dann hätten die mindestens 35% Ökostrom in ihrem Vertriebsportfolio, die sie dort, wo sich der Preis bildet, nicht nachfragen müssten.
Das hätte zur Folge, dass auf der obigen Merit Order Grafik N1 auf N2 fallen würde und dadurch P1 auf P2 sinken. Die teuren und Preis bestimmenden Gaskraftwerke kämen auf der Merit Order Angebotskurve nicht mehr zum Einsatz, und die wesentlich billigere Steinkohle würde den Preis bestimmen. Übergewinne, wären kein Thema. Gleichzeitig hätten wir niedrigere Börsenpreise und die Gasspeicher sind schneller gefüllt als gedacht. Offensichtlich hat man in letzter Zeit die „physische“ Variante mal ausprobiert, sonst hätten nicht überraschenderweise die Börsenpreise sinken können, und die Gasspeicher widererwarten schnell gefüllt sein können.
Für neu hinzukommende Leser, siehe im Folgenden unter Auswirkungen wie diese – Energiewende kontraproduktive – Konstruktion zu Stande gekommen ist. Vor allem wer die Befürworter waren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Damals ist eine „monetäre“ Spielwiese entstanden, mit der Möglichkeit von zwei Varianten für die Macher der Strompreise. Nämlich .zum einen der Physikalischen, das heißt der Ökostrom – der ohne hin in den Netzen ist – wird vorrangig genutzt und die Preise sinken Merit Order bedingt, und zum anderen der Virtuellen, wo die EE außerhalb der Preisfindung an der Börse als Überschuss verramscht werden.