Kürzlich wurde von der Bundesnetzagentur der Szenariorahmen für den Netzentwicklungsplan 2037/2045 veröffentlicht. Betrachtet man die für die Netzentwicklung zugrunde gelegten Ausbaupfade für Energiespeicher, wird fürs Jahr 2037 – in 15 Jahren – angenommen, dass 67,4 Gigawatt an Photovoltaik-Batteriespeichern und weitere 23,7 Gigawatt an Großbatteriespeichern im deutschen Stromnetz installiert sein werden. Ein Vielfaches der heutigen Volumina! In der Genehmigung des Szenariorahmens wird angegeben, dass Großbatteriespeicher „einen Beitrag zur Integration von Wind und Photovoltaik leisten“ und es wird angenommen, dass jene Speicher in räumlicher Nähe zu Photovoltaik und Wind übers ganze Land verteilt entstehen werden.
Aktuell wird dieser grundsätzlich sehr sinnvolle Gedanke allerdings konterkariert, denn eine in der Öffentlichkeit wenig beachtete, für die geographische Platzierung von Großbatteriespeichern aber ausschlaggebende Ungenauigkeit in der Gesetzgebung wird von derselben Bundesnetzagentur nicht im Sinne eines sinnvollen Speicherausbaus ausgeräumt. Die Rede ist vom sogenannten „Baukostenzuschuss“, den der Netzbetreiber anlässlich des Netzanschlusses von Verbrauchern erhebt. Nach gängiger Praxis ist der Baukostenzuschuss an die Höhe der jährlichen Netzentgelte gekoppelt, die Verbraucher für die Leistungsaufnahme aus dem Netz zahlen. Somit wird von neuen Anschlussnehmern gewissermaßen ein zusätzlicher Jahresbeitrag an Netzentgelten verlangt, der vom Netzbetreiber für allgemeine Netzausbaumaßnahmen (nicht für den eigentlichen Netzanschluss – der ist separat zu bezahlen) verwendet wird. Die Höhe des Baukostenzuschusses ist regional sehr unterschiedlich und typischerweise in Süddeutschland deutlich höher als in Norddeutschland. Er stellt für Großbatteriespeicher eine erhebliche Größenordnung dar. So beträgt der Baukostenzuschuss für einen Speicher mit 100 Megawatt Anschlussleistung in Norddeutschland in Regel nicht mehr als 5 Millionen Euro, in Süddeutschland aber in weiten Teilen über 14 Millionen Euro. Die im Beispiel genannten 9 Millionen Euro Zusatzkosten stellen einen erheblichen Teil der Investitionskosten dar, welche eine prohibitive Wirkung auf Bauvorhaben im Süddeutschen Raum erzeugen. Der einzig sinnvolle Ausweg besteht momentan darin, die Speicher bei sonst völlig gleichen Voraussetzungen in Gebieten mit geringem Baukostenzuschuss zu platzieren: Also überwiegend in Norddeutschland. Leider, denn natürlich werden Speicher überall in Deutschland benötigt!
Doch machen wir einen Schritt zurück. Warum zahlen Batteriespeicher überhaupt einen Baukostenzuschuss? Immerhin ist ein Energiespeicher ja per gesetzlicher Definition im kürzlich neu gefassten §3 Nr. 15d des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) eine „Anlage in einem Elektrizitätsnetz, mit der die endgültige Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt als den ihrer Erzeugung verschoben wird (…)“ und eben kein Letztverbraucher elektrischer Energie, für den die Erhebung des Baukostenzuschusses ausschließlich möglich ist.
Nun könnte man einwenden, dass diese Regelung erst seit Juni 2022 besteht und sich die Konsequenzen noch nicht in allen Verordnungen und in der Umsetzungspraxis niedergeschlagen haben. Doch weit gefehlt: Der Gesetzgeber hat schon vor vielen Jahren im § 118 des Energiewirtschaftsgesetzes eine Übergangsregelung geschaffen, die den Speicherausbau, wie wir ihn aktuell in Deutschland erleben, überhaupt erst möglich gemacht hat. Dort heißt es unter Nr. 6 nämlich: „Nach dem 31. Dezember 2008 neu errichtete Anlagen zur Speicherung elektrischer Energie, die ab 4. August 2011, innerhalb von 15 Jahren in Betrieb genommen werden, sind für einen Zeitraum von 20 Jahren ab Inbetriebnahme hinsichtlich des Bezugs der zu speichernden elektrischen Energie von den Entgelten für den Netzzugang freigestellt.“ Diese Befreiung gilt also derzeit und nach aktuellem Stand für Neuanlagen bis ins Jahr 2026.
Ist das Geschäftsgebaren der Netzbetreiber, den Baukostenzuschuss dennoch zu erheben, also rechtswidrig? Dies ist leider am Ende eine Frage für Juristen, welche wir bei Kyon Energy derzeit in einen laufenden Missbrauchsverfahren bei der Bundesnetzagentur klären lässt. In der Zwischenzeit wird von zahlreichen Netzbetreibern der Baukostenzuschuss für Batteriespeicher weiter erhoben – mit allen negativen Konsequenzen für die Verteilung der Speicher im deutschen Stromnetz.
Klar scheint hingegen die Absicht des Gesetzgebers im § 118 EnWG zu sein, nämlich die Hürden für den Ausbau von Speichern abzubauen und einen diskriminierungsfreien Netzzugang für Speicher im Vergleich zu Erzeugungsanlagen herzustellen. Letztere zahlen prinzipiell keine Entgelte für den Netzzugang, also insbesondere weder Baukostenzuschüsse noch Netzentgelte. Gut möglich, dass der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund bei der Formulierung des entscheidenden Absatzes 6 des § 118 schlicht nicht damit rechnete, dass hinsichtlich der Befreiung vom Baukostenzuschuss noch Interpretationsspielraum bleiben könnte.
Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Im Rahmen einiger Gesetzesvorhaben zur Sicherung der Energieversorgung im Winter hat der Bundestag am 30. September 2022 unter anderem formal die Bundesregierung aufgefordert, „Vorschläge vorzulegen, um bestehende Hemmnisse für die Errichtung und Nutzung von Speichern, auch großer Batteriespeicher, zu beseitigen. Hierzu gehören im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs unter anderem Fragen der Netzentgeltsystematik und Baukostenzuschüsse.“ Die einzig naheliegende Konsequenz für die Bundesregierung, um dieser Aufforderung nachzukommen, besteht nun in der Vorlage eines Gesetzentwurfs zu Klarstellung, dass Energiespeicheranlagen keinen Baukostenzuschuss bezahlen müssen.
Wir können uns in der aktuellen Energie- und Klimakrise keine weiteren Verzögerungen erlauben. In diesen Tagen werden gewaltige Investitionsvolumina mobilisiert, um Speicher mit einem Volumen von mehreren Gigawatt in Deutschland zu errichten. Die äußerst ambitionierten Ziele aus dem Szenariorahmen rücken damit in Reichweite. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass dabei die südliche Hälfte des Landes leer ausgeht und dort keine Speicher für eine bessere Integration von Erneuerbaren zur Verfügung stehen, mit allen negativen Konsequenzen für den Netzausbaubedarf und schlussendlich für die Versorgungssicherheit. Die Branche ist bereit die notwendigen Speicherkapazitäten für Deutschlands Energiesicherheit zu schaffen und erwartet nun die notwendigen Weichenstellungen aus der Politik. Deshalb richten wir hiermit einen dringenden Appell an die Bundesregierung:
Folgen Sie der Aufforderung des Bundestags, und stellen Sie schon in der nächsten Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes klar, dass Batteriespeicher und weitere Energiespeicheranlagen keinen Baukostenzuschuss zahlen müssen!
Die einfachste Lösung hierfür wäre die simple Ergänzung der zwei Worte „einschließlich Baukostenzuschüsse“ bei der bestehenden Befreiung im § 118 EnWG. Damit wäre Zeit bis zu einer umfangreichen Reform des Energierechts gewonnen, in der dann die neue Speicher-Definition als separate Anlagenklasse neben Erzeugern und Verbrauchern konsequent berücksichtigt werden könnte. Mit einer pragmatischen und schnell umsetzbaren Präzisierung der Übergangsregelung im § 118 EnWG wäre unmittelbar für alle Beteiligten klargestellt, dass Energiespeicher von der Entrichtung von Baukostenzuschüssen befreit sind, auch ohne dass die Bundesnetzagentur, die Netzbetreiber und die Projektentwickler in langwierigen Verfahren ihre Juristen zur Klärung dieser Frage bemühen müssten. Die Industrie und alle Verbraucherinnen und Verbraucher in Süddeutschland werden es Ihnen danken!
–— Der Autor Benedikt Deuchert ist Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, einem der führenden Projektentwickler für stationäre Batteriegroßspeicher in Deutschland. Er ist verantwortlich für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und leitet Initiativen zur Gestaltung des regulatorischen Umfelds für Flexibilitätsdienste im Stromnetz im Allgemeinen und für Batteriespeicher im Besonderen. Vor seinem Eintritt in das Führungsteam von Kyon Energy sammelte er 8 Jahre Erfahrung im Energiesektor, zuletzt als Senior Consultant bei E-Bridge Consulting (Bonn, Deutschland). Benedikt Deuchert hat einen MSc (Master of Science) in Elektrotechnik der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. https://www.kyon-energy.de/—
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Es ist abenteuerlich wie die Lobbyisten die letzten Jahre gewütet haben. Wäre der einfachste Schritt nicht die Zuschüsse in Bayern und Baden-Württemberg so abzusenken, dass ein Bau eines Akkus im Süden genauso lukrativ ist wie im Norden. Danach kann man die Gesetzeslage neu formulieren. Oder will Herr Söder bei der nächsten Landtagswahl ohne Windräder und ohne Akkus da stehen. Die Pumpspeicherkraftwerke aus Österreich werden vielleicht bald selbst im Land gebraucht. Für den Tourismus wie Bergsteigen und Wandern wird es vielleicht noch reichen und Industrie ist sowieso schädlich für ein Urlaubsland.
Alleine bei der Tatsache, dass es Unterschiede zu den Bundesländern gibt, langt man sich schon an den Kopf; egal ob Photovoltaik oder anderen Themen.
Es ist sowieso ein mittleres Drama, dass das Prinzip der Kostenwahrheit zugunsten von hämischen Benachteiligungen und völlig übertriebenen Bevorteilungen durchbrochen wird. Gerade die Netzkosten sind da ein Negativbeispiel: Was da nicht alles drinsteckt. Leitungskosten, Reservekosten, Redispatch, Anschlusskosten, … . Wenn es sich dabei nur um Tausendstel-Cent-Beträge/kWh handelt ist das ja noch verschmerzbar, aber bei Zehntel-Cent fängt es an, schmerzhaft zu werden. Insbesondere, wenn die belastete Modalität die Kosten, mit denen sie da belastet wird, gar nicht verursacht, sondern im Gegenteil sogar reduziert. Darunter leiden vor allem die Speicher, und deshalb ist es dringend reformbedürftig, die verschiedenen Netzgebühren verursachergerecht auf Erzeuger, Speicher und Verbraucher aufzuteilen. Dabei darf es nicht darum gehen, irgendetwas besonders zu fördern oder abzustrafen. Nur die verursachergerechte Kostenaufteilung kann gewährleisten, dass sich die effizienteste Struktur einstellt.
werden die von den Versorgern angegebenen Netzkosten durch einen Dritten validiert?
Die Bundesnetzagentur muss die Netzgebühren genehmigen. Das ändert aber leider nichts daran, dass ein Potpourri unterschiedlichster Kosten darin hineingemixt ist. Mag sein, dass das zu Zeiten der Wärmekraftwerke auch nicht weiter schlimm war, weil die Netzgebühren ohnhin am gesamten Strompreis einen geringeren Anteil hatten, und die meisten Modalitäten auch zumindest eine Mitverantwortung an den einzelnen Kostenarten trugen. Aber spätestens Speicher passen nicht mehr in dieses Raster, weil sie manchmal eine Leitungsbelastung darstellen, wenn der Strom lange Umwege nehmen muss, um zu ihnen hin- und wieder wegzukommen. Sie können aber auch für eine Leitungsentlastung sorgen, wenn sie vor einem Netzengpass überschüssige Leistung aufnehmen und dahinter fehlende ergänzen, was sich früher „Redispatch“ nannte, mit Batteriespeichern aber geradezu nebenher erledigt werden kann.
@JWC, ich stimme Ihne zu.
Allerdings haben Stillegungen von Kraftwerken, Aufbau einer Infrastruktur von Speicherkapazitäten und verstärkter Erzeugung auf der Niederspannungsebene mit einer strategischen Entscheidung der Politik zu tun; weniger mit dem Erhalt der Infrastruktur der Versorgung.
Nach meinem Wissen haben wir verschiedenste Gründe für einen kompletten Netzumbau oder auch nur einfache Erhaltungsmaßnahmen im Mittelspannungs-Versorgungsbereich.
Das alles Omi-Oma als letztendliche Netzverbraucherin aufzubürden, scheint mit nicht angemessen.
Wenn die BRD sich richtigerweise zu einem Umbau der Energielandschaft mit Abschaltung von gewichtigen Kraftwerkskapazitäten incl. der Höchtspannungstrassen, Umbau auf Gleichspannung statt Wechselstrom entschließt, und damit wesentliche Versorgungstrassen umbauen, Umspannknoten anpassen oder neu errichten muß, sollte sie dafür die Kosten aus dem Steuersäckel finanzieren, anstatt in alter Manier einfach nur auf die Verbraucher „umzulegen“!
Die notwendigen „Anpassungen“ werden noch ein paar Jahre weiterhin anhalten.
Die Netzargentur täte gut daran, die bisher veranschlagten Kosten und daraus resultierende Beträge für die Steigerung an Netzkosten der Öffentlichkeit nicht weiter im Klein-Klein vor zu enthalten.
Danke dem Autor und den Kommentaren für das schöne Beispiel aus Schilda.