Im bayerischen Dietfurt ist für ein halbes Jahr das Energiesystem der Zukunft simuliert worden – zumindest in Ansätzen. Sieben Haushalte waren an dem Projekt „BASE.V“ beteiligt, das einen Stromhandel zwischen den Nachbarn testete. Initiiert das das Projekt die Technische Universität München (TUM). Die Forscher wollten dabei untersuchen, was im Stromnetz passiert, wenn in Zukunft die Zahl der Haushalte weiter steigt, die mit einer Photovoltaik-Anlagen ihren Strom selber produzieren und dazu noch einen Speicher und Elektroautos haben.
Das Ergebnis zeigt: Der gegenseitige Kauf und Verkauf von Strom kann bei wirtschaftlichem Anreiz Verbrauchsspitzen senken und Engpässe vermeiden, so dass die Netzstabilität bei intelligenter Steuerung profitiert, wie die Münchner Forscher am Mittwoch erklärten. Darüber hinaus habe sich ihre These bestätigt, dass wenige Haushalte ausreichend seien, um einen nachbarschaftlichen Energiehandel in Schwung zu bringen. Es könnte damit ein Modell sein, künftig schwankende Energieerzeugung und steigenden Stromverbrauch in Einklang zu bringen, ohne die Netzstabilität oder Versorgungssicherheit zu gefährden.
Industriepartner für das Forschungsprojekt, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wurde, war Sonnen. Es stattete die sieben Testhaushalte in Bayern mit jeweils einer Photovoltaik-Anlage, einem Heimspeicher und einem Elektroauto samt Ladestation aus. Über eine zentrale Peer-to-Peer-Handelsplattform konnten die Teilnehmer dann den Strom kaufen oder verkaufen. Nach Angeben der Beteiligten wurden die einzelnen Handelsaufträge per „Smart Contracts“ ausgeführt, die über ein Blockchain-Gateway des Computer- und Kommunikations-Spezialisten Moxa abgewickelt wurden.
„Die besonderen Anforderungen eines Feldexperiments haben die leichte Fernwartungsfähigkeit unserer IoT-Plattform bestätigt. Keine einzige Änderung erforderte einen Besuch unserer Experten vor Ort. Wir konnten während des gesamten Versuchs jedes gewünschte Update von Ferne auf das Gateway aufspielen“, erklärte Martin Jenkner, Projekt Manager, Moxa Europe. Auch für die beteiligten Netzbetreiber ist der erfolgreiche Pilotversuch ein wichtiger Fingerzeig für die Zukunft. „Bereits heute speisen mehr als 350.000 dezentrale Erzeugungsanlagen in das regionale Stromnetz der Bayernwerk Netz GmbH ein. Zur steigenden Zahl dezentraler Photovoltaik-Anlagen auf der Erzeugerseite kommen immer mehr Wärmepumpen und Elektroautos auf der Verbraucherseite“ erklärt Projektleiter Stefan Bergermeier von der Bayernwerk Netz. „Zusammen mit einer hohen Gleichzeitigkeit in Verbrauch und Erzeugung stellt dies eine große Herausforderung für das Ortsnetz dar.“
Mit den Ergebnissen von „BASE.V“ sehen die Münchner Forscher auch ihr Modell bestätigt, wonach selbst bei sieben Haushalten schon große Unterschiede im Verbrauchs- und Erzeugungsverhalten auftreten, die ausreichen, um Energie untereinander zu handeln. Die Netzstabilität wurde dabei von Bayernwerk Netz durch die dynamische Anpassung der Netzentgelte unterstützt, wie es weiter hieß. Die Steuerung sei dabei gemäß dem Ampelmodell des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bei Netzengpässen im Stromnetz gefolgt: Bei Grün gibt es keinerlei Einschränkungen. Wer gerade zu viel Strom hat, kann ihn selbst verbrauchen, ins Netz einspeisen oder an den Nachbarn verkaufen. Bei Gelb droht ein Netzengpass, der durch hohe Einspeisung oder Verbrauch entstehen kann. Hier wurde das Netzentgelt angepasst. Bei Rot muss ein Netzbetreiber umgehend eingreifen und durch Redispatch 2.0 eine akute Netzüberlastung verhindern.
Die Ergebnisse des Feldversuchs zeigten, dass Bayernwerk Netz durch eine dynamische Anpassung der Netzentgelte in der gelben Ampelphase die Wahrscheinlichkeit von roten Ampelphasen verringern konnte. Wirtschaftliche Anreize führten also automatisch zu mehr Netzstabilität. Die entscheidende Rolle spielten dabei die Flexibilität der stationären Stromspeicher und der Elektroautos. Die TU München hatte zudem ein Energiemanagement-Algorithmus entwickelt, der die Ladestrategie des stationären Speichersystems und auch die des Elektroautos beeinflusste. Die Projektergebnisse hätten zudem gezeigt, dass der anreizbasierte, nachbarschaftliche Stromhandel den erforderlichen Netzausbaus sinnvoll ergänze. „Peer-to-Peer-Handel zwischen Haushalten ist keine Zukunftsmusik, sondern mit den technischen Möglichkeiten heute umsetzbar“, erklärte Susan Käppeler, Country Managerin Sonnen DACH. „Sowohl bei den Speichermöglichkeiten als auch bei der intelligenten Steuerung. Um den Menschen solche Lösungen zugänglich zu machen, benötigen wir eine digitale Energie-Infrastruktur, in der Smart-Meter die absolute Grundvoraussetzung sind.“ Zudem müssten über den regulatorischen Rahmen, wirtschaftliche Anreize gesetzt werden.
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Ich weiß nicht, was dieser Pipifax soll. Da können sich ein paar Leute auf Kosten der Allgemeinheit kleine Vorteile verschaffen, und das wird dann so gefeiert? Wenn die für ihren Reststrombedarf das bezahlen müssten, was er wirklich kostet – dieser Strom ist nämlich deutlich teuerer zu produzieren als es dem durchschnittlichen Haushaltsstrompreis entspricht – dann wären alle diese Vorteile dahin. Viel Arbeit und kein Ertrag. Solange die aber den Reststrom zum niedrigen Haushaltsstrompreis bekommen, dessen Kalkulation nur so lange funktioniert, wie die Masse der Verbraucher allen Strom aus dem Netz bezieht, auch zu den Zeiten, zu denen er billig zu produzieren ist, zahlt die Allgemeinheit für die kleinen Vorteile einer Minderheit.
Gerecht ist es nur, wenn entweder ein höherer Spezialtarif für Reststrombezieher eingeführt wird (aufwendig!), oder wenn jeder PV-Anlagenbetreiber seinen Strom vollständig einspeist und damit der Allgemeinheit zur Verfügung stellt – das ist die wesentlich einfachere Lösung.
Die dritte Lösung, dass sich nänlich eine kleine Gemeinschaft ganz vom Stromnetz abkoppelt, ist zwar theoretisch denkbar, praktisch aber nicht mit der gewohnten Versorgungssicherheit zu vertretbaren Kosten realisierbar. Das entfällt deshalb für den Durchschnittsverbraucher, der sich ohnehin so wenig wie möglich um seinen Stromverbrauch kümmern möchte.
Ich würde meinem Nachbarn gerne meinen Überschuss verkaufen dürfen, vielleicht für 15 bis 20 Cent pro Kilowattstunde. Oder von ihm etwas hinzu kaufen, wenn mein E-Auto gerade mal schneller geladen werden soll und der eigene Solarstrom nicht ganz reicht – es sei denn, JCW wäre mein Nachbar. Den würde ich mir einem solchen Pipifax garantiert nicht behelligen.
JCW schreibt.
Ich weiß nicht, was dieser Pipifax soll. Da können sich ein paar Leute auf Kosten der Allgemeinheit kleine Vorteile verschaffen, und das wird dann so gefeiert?
@ JCW
Wer ist denn die Allgemeinheit ?? Wenn die paar Leute ihren Nachbarn günstigen Strom abgeben, tun sie doch mehr für die Allgemeinheit als diejenigen die gegenwärtig „Übergewinne“ machen, oder ???
Diejenigen, die sich kleine Vorteile gegenüber denen verschaffen, die das nicht können, beispielsweise Mietern, verbrämen das gerne noch mit der Legende, sie würden damit etwas für alle tun. T aus M hätte sogar gerne noch mehr persönliche Vorteile. Aus der Graswurzelperspektive durchaus verständlich, aus einer sozialen aber keineswegs förderungswürdig.
JCW schreibt.
Diejenigen, die sich kleine Vorteile gegenüber denen verschaffen, die das nicht können,
@ JCW.
Auf der Tatsache, dass sich einige Vorteile verschaffen können, beruht doch unser gesamtes Wirtschaftssystem und Wohlstand, weil auch diejenigen davon profitieren, die sich das nicht leisten können. Bei der Energiewende z.B. ist es Nachhaltigkeit, von der alle Profitieren, ob arm oder reich.
Das Reststromthema resultiert doch aber nicht aus diesem Modell, sondern gilt für alle, die mit ihren PV Anlagen einen Autarkiegrad <100% haben oder nicht?
Völlig richtig. Je höher der allgemeine Strompreis steigt, desto mehr Leute in EFHs werden versuchen, so viel Strom wie möglich selbst zu produzieren. Da sie aber immer noch nicht zu 100% autark sind, brauchen sie weiterhin teuer zu produzierenden Reststrom. Die Arschkarte haben nur die gezogen, die nicht im EFH wohnen, und deshalb allenfalls überteuerte und viel zu kleine Balkonkraftwerke betreiben können. Ihr Strompreis steigt immer weiter, weil sie einen steigenden Anteil teuren Reststroms, den die Eigenerzeuger aber zum günstigeren Mischpreis beziehen können, mitfinanzieren müssen.
Wenn es um Unterhaltung und Freizeit geht, sähe ich darin auch kein Problem. Strom ist aber ein Produkt der Daseinsvorsorge, wie Wasser, Müllentsorgung, Krankenhäuser, Polizei, etc.. Da hat der Staat eine Fürsorgepflicht, dass jeder zu gleichen Bedingungen Zugang dazu haben muss. Sonst verliert er seine Existenzberechtigung. Dann gilt wieder Faustrecht. Um es etwas positiver auszudrücken: Jeder Starke ist gut beraten und hat sogar die moralische Pflicht, dafür zu sorgen, dass auch die Schwachen gut leben können. Das Beharren auf dem Faustrecht verschafft im vielleicht einen relativen Vorteil gegenüber dem Schwachen, absolut geht es auch ihm schlechter. Die Schlauen setzen sich also durch, gegen die Doofen, die noch Schlaueren kümmern sich um die Doofen, dass die auch einen angemessenen Anteil bekommen.
Exemplarisch kann man das auch im Ukrainekrieg beobachten: Der Krieg kostet auch Russland Wohlstand und Lebensqualität, aber die Ukraine kostet er noch mehr. Solange das so ist, fühlt sich Putin als Sieger. Das ist die Haltung der Halbintelligenten: „Solange es mir nur relativ besser geht, als den Schwächeren, bin ich zu frieden.“ Die Vollintelligenten bemühen sich um die Schwächeren, weil das auch ihren eigenen Wohlstand steigert. Der offensichtlich sehr lebenskluge Kölner fasst das in die Worte: „Levve un levve losse“.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit die „Entsolidarisierung“ durch PV Eigenverbrauch zu reduzieren: Entkopplung der Netzkosten von der Verbrauchsabrechnung. Man zahlt dann eine Netzpauschale nach Anschlussleistung und vielleicht noch in Abhängigkeit von der Wohnfläche.
Das ist die unbürokratischste Lösung. Im Prinzip haben wir das ja schon noch etwas unbürokratischer ohne Berücksichtigung der Wohnfläche. Die Frage nach „Eigenerzeugung ja/nein“ beim Tarifangebot erscheint mir allerdings zielführender. Dann können Grundgebühr und Arbeitspreis kostenentsprechend angeboten werden. Eigentlich sollten die Stromhändler auch dazu verpflichtet sein, diese Frage zu stellen, damit entsprechend unterschiedliche Verbrauchsprofile den Lieferbeziehungen zwischen Stromhändler und Verteilnetzbetreiber zugrunde gelegt werden können. Die üblichen Balkonkraftwerke (L < 1kWp) könnte man da ausnehmen, weil die weniger aus monetären Gründen als aus Idealismus betrieben werden. Ihr Einfluss auf das Verbrauchsprofil dürfte marginal sein.
Eigenverbrauch zu verbieten fände ich nicht den richtigen Weg, weil das nicht in einen liberal verfassten Staat passte. Er darf bloß nicht auf Kosten der Allgemeinheit verbilligt werden. Auch so ist er problematisch genug, weil aufgrund der niedrigen Kosten für selbst erzeugten Strom die Motivation sinkt, mit diesem Strom verantwortlich umzugehen. Man kann damit auch seinen Swimmingpool günstig heizen. Aber in der Abwägung von Freiheit und Verantwortung für das allgemeine Wohl hat die Freiheit bei uns einen sehr hohen Stellenwert, und das hat auch seine Berechtigung. Schließlich hat man auch die Freiheit, seiner Verantwortung für das allgemeine Wohl gerecht zu werden.