Hermann Scheer wird gern als „Vater der Energiewende“ bezeichnet. In der Tat ist er der entscheidende Vordenker. Doch sind seine Gedanken überhaupt noch bekannt? Lassen sich die heutigen Akteure der Energiewende von ihnen inspirieren? Ich habe mir mal sein letztes Buch „Der energethische Imperativ: 100 Prozent jetzt: Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist“ – erschienen in seinem Todesjahr 2010 – vorgenommen und möchte anregen, sich hiermit intensiv zu befassen.
Es hat einen Vorgänger mit einem Buchstaben weniger: „Der energetische Imperativ“ von Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, erschienen 1912. Der Verfasser macht darauf aufmerksam, dass die Vorräte an fossilen Brennstoffen begrenzt sind. Als Energiequelle für eine Wirtschaft, die dauerhaft sein soll, kommen sie daher nicht in Frage. Nur die nach menschlichen Begriffen unerschöpfliche Sonnenenergie eignet sich hierfür.
Diese Feststellung ist einfach, klar, schlechterdings unwiderlegbar und entspringt einem Geist, der sich an den Naturgesetzen orientiert und darüber nachsinnt, wie die Menschen im Sinne ihres Wohlergehens mit diesen umgehen sollten.
Ostwald war zu seiner Zeit eine angesehene Persönlichkeit, doch wurde sein Ansatz niedergewalzt vom „homo oeconomicus“, dem persönlicher Gewinn für ein paar Jahre alles bedeutet und Nachhaltigkeit oder das Wohl der Menschheit nichts.
Scheer hat das „h“ eingefügt und damit auf die entscheidende Bedeutung der Ethik – er nennt sie auch „gesellschaftlicher Wert“ – bei der Ablösung der fossil-atomaren Energien durch die Erneuerbaren hingewiesen. Nachdem zusätzlich zur fehlenden Nachhaltigkeit der fossilen Energien deren lebenzerstörende Wirkung zutage tritt, ist dies von äußerster Dringlichkeit. „Sie [die erneuerbaren Energien] repräsentieren daher einen den atomaren und fossilen Energien überlegenen gesellschaftlichen Wert. Für das Denken über Energie ist das der springende Punkt.“ (Seite 10) Und das Einschlagen des schnellstmöglichen Weges zum Energiewechsel „darf nicht nur betriebswirtschaftlich oder energiepolitisch, sondern muss volkswirtschaftlich, gesamtpolitisch und nicht zuletzt nach ethischen Grundsätzen entschieden werden.“ (Seite 26)
Scheer spricht übrigens nicht von „Energiewende“, sondern benutzt den Begriff „Energiewechsel“. Dieser ist entschiedener, strikter als „Wende“, bei der ein „sich winden und wenden“ leicht mit ins Spiel gerät. Auch wertschätzt er die aus Dänemark stammende Ausdrucksweise „bleibende“ Energie statt „erneuerbare“. Sie ist in der Tat zutreffender, denn es gibt niemanden, der etwa die Sonnenenergie erneuert, auch sie selbst erneuert sich nicht, sondern ist einfach ständig da.
So wie durch die Dampfmaschine die industrielle Revolution und damit die Umwälzung der gesamten Gesellschaftsstruktur ausgelöst wurde, handelt es sich auch beim Umstieg auf die Erneuerbaren nicht bloß um eine technische Veränderung der Energieerzeugung, sondern um einen Vorgang von „zivilisationsgeschichtlicher Bedeutung“.
Im konventionellen Energiesystem aus fossil oder atomar betriebenen zentralen Großkraftwerken haben sich wenige Konzerne zu Oligopolen entwickelt. Die übergreifenden zentralistischen Strukturen führen ganz naturwüchsig zu einer Verquickung mit staatlichen Instanzen, so dass „Regierungen zum integralen Bestandteil der atomaren/fossilen Energiewirtschaft“ wurden und so ein übermächtiges Bollwerk entstand. „Die konventionelle Energiewirtschaft … hat die Gesellschaften angekettet … Sie errang nicht nur eine bereits von ihren Energiequellen vorbestimmte Monopol- beziehungsweise Oligopolstellung, sondern auch das geistige Monopol. Sie hat das Weltbild der Energieerzeugung geprägt“. (Seite 40) So wird „selbst unter Protagonisten erneuerbarer Energien“ „der überkommenen zentralisierten Struktur immer noch ein überragender und unverzichtbarer Stellenwert zuerkannt.“ (Seite 128)
Die Gründe sieht Scheer „bis ins Psychologische“ reichend: „Bei nicht wenigen ist es vielleicht unbewusstes Grundvertrauen in die etablierten Energieanbieter, ein verinnerlichter Respekt vor den angestammten Majestäten der konventionellen Energieversorgung“. Oder: „Das überkommene Energiesystem mit seinen Großstrukturen spricht ein trügerisches Sicherheitsbedürfnis an und schürt Ängste vor Alternativen.“ (Seite 128)
Mächtige Hindernisse stehen dem Wechsel auf die Erneuerbaren also entgegen; wie können letztere ihre unbezweifelbare Gesamtüberlegenheit hinsichtlich des gesellschaftlichen Wertes real werden lassen?
Eine Zeit des Übergangs, in der das konventionelle System und die Erneuerbaren nebeneinander existieren, ist unvermeidlich. Scheer nennt sie „Hybridphase“, die von heftigen Reibungen, Konflikten und vielgestaltigen Kämpfen zwischen dem Alten und dem aufstrebenden Neuen gekennzeichnet ist. Während in der Anfangszeit des Energiewechsels die Fronten sehr klar waren – auf der einen Seite die Phalanx des überkommenen Machtgefüges, auf der anderen eine noch kleine Schar von Pionieren – wurde im Zug der weiteren Entwicklung die Gemengelage komplizierter. Die Konzerne gaben ihre Totalablehnung auf und begannen, selbst in die Erneuerbaren zu investieren – wenn auch in einem eher symbolischen Umfang. Die Unterscheidung, wer ist jetzt eigentlich Freund und wer Feind, wurde dadurch aber erschwert. In den Kreisen der Akteure des Energiewechsels entstanden unterschiedliche Einschätzungen: sollte man sich in Kooperationen mit Teilen des konventionellen Systems einlassen oder nicht? Indem derartige Fragen unterschiedlich beantwortet wurden, kam es zu Differenzen und Spaltungen innerhalb der Befürworter des Energiewechsels.
Scheer illustriert: „Regierungen laden zu Konsensgesprächen ein, in denen es um ein Nebeneinander und Miteinander von konventionellen und erneuerbaren Energien geht. … Vielen Verfechtern erneuerbarer Energien, die sich lange in einer verachteten Außenseiterrolle befanden, erscheint das als großer Fortschritt. Und weil Konsens immer angenehmer ist als Konflikt, entsteht daraus auch praktische Kompromissbereitschaft, in der oft unversehens die meist unsichtbare Grenze überschritten wird, an der ein Kompromiss aufhört und die Kompromittierung beginnt.“ Und er stellt klar: „Die Frage muss stets sein: Konsens für was und mit wem, und wer sitzt dabei am längeren Hebel? … Ein Konsens aller Betroffenen für einen schnellen Energiewechsel wäre nur denkbar, wenn das damit verfolgte Ziel eine win-win-Perspektive für alle eröffnete. … Bei der Umorientierung zu erneuerbaren Energien ist jedoch ein >win-win< objektiv unmöglich. … Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein.“ (Seite 23)
Der Schlüssel liegt also nicht in geschicktem Verhandeln, im Konsens oder Kompromiss, sondern vielmehr in der großen Zahl und der Vielschichtigkeit der Akteure. „Die zur Ablösung der konventionellen Energien führende technologische Revolutionierung der Energieversorgung kann sich nur über viele unabhängige Initiativen an vielen Plätzen entfalten, nicht über eine technokratisch durchgeführte Planifikation durch politische und wirtschaftliche Entscheidungseliten, die diesen Prozess zeitlich und räumlich gestaffelt organisieren.“ Neue Fakten können nur gesetzt werden, „ohne dass die Träger der bestehenden Struktur um Erlaubnis gefragt werden … Jede Revolution wird zur Farce, wenn den revolutionären Kräften Zeitpunkt, Methode und Standort ihrer Aktionen zugewiesen werden sollen, wenn sie sich dafür anmelden und bewerben müssen. Der Widerspruch wird noch größer, wenn das Zulassungsverfahren in der Hand derjenigen liegt, gegen die sich die Revolution richtet.“ (Seite 158) Scheer weist weiter auf „Formen der gemeinschaftlichen oder sogar der individuellen Selbstversorgung“ hin und auf das „eigene Gestaltungsinteresse“ von Menschen, die ein „sie selbst betreffendes und nicht allein ein globales Interesse an einer emissionsfreien Energieversorgung“ haben. (Seite 161)
„Mit der Möglichkeit der autonomen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien wird Energie vom bloßen Wirtschafts- und Konsumgut zum Kulturgut. Das ist die Sozio-Logik erneuerbarer Energien: Aus der passiven Energiegesellschaft mit immer weniger und dabei immer größer werdenden Anbietern einerseits und gleichgeschalteten und verplanten Energiekonsumenten andererseits wird die aktive Energiegesellschaft, in der die Energieversorgung in wachsendem Maß autonom erfolgt, in zahlreichen neuen Trägerformaten.“ (Seite 169)
Gerade in der aktuellen Situation, in der das Handeln der „offiziellen“ Politik mehr und mehr im Chaos versinkt, ist zu empfehlen, dass die Akteure des Energiewechsels eigene und autonome Konzepte entwickeln und sich dabei an Hermann Scheer orientieren.
— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —
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Ich muss gestehen, ich selbst habe das erwähnte Buch noch nicht gelesen, unterhalte mich aber mit meinem Sohn, öfter über Bücher von Hermann Scheer, im Verhältnis zu dem was gerade energiepolitisch geschieht Zudem habe ich Hermann Scheer einige mal bei seinen Vorträgen erlebt, wobei ich besonders einen in der Opelstadt Rüsselsheim in Erinnerung habe. Mitte der Neunzigerjahre sprach er vor einem größeren Publikum, u.a. auch Vertretern des Konzerns, von Heimspeichern die bei Opel zusammen mit einer E-Autoproduktion entstehen könnten, wenn sie den richtigen Weg in die Zukunft einschlagen würden. Ich selbst, war 40Jahre bei Opel, konnte damals mit dieser Aussage Heimspeicher noch weniger anfangen.
Das ist bei Opel auch auf taube Ohren gestoßen, weil die damalige Konzern Mutter „GM“ zu sehr mit den amerikanischen Mineralölgesellschaften verbandelt war. Heute unter Renault, laufen sie der Zeit lange hinterher.
Aber nun zu dem Artikel.
Zitat daraus……. In den Kreisen der Akteure des Energiewechsels entstanden unterschiedliche Einschätzungen: sollte man sich in Kooperationen mit Teilen des konventionellen Systems einlassen oder nicht? Indem derartige Fragen unterschiedlich beantwortet wurden, kam es zu Differenzen und Spaltungen innerhalb der Befürworter des Energiewechsels. Und weil Konsens immer angenehmer ist als Konflikt, entsteht daraus auch praktische Kompromissbereitschaft, in der oft unversehens die meist unsichtbare Grenze überschritten wird, an der ein Kompromiss aufhört und die Kompromittierung beginnt.“ Und er stellt klar: die Frage muss stets sein: Konsens für was und mit wem, und wer sitzt dabei am längeren Hebel? Zitat Ende.
Genau unter dem Gesichtspunkt, den ich aus dem Artikel zitiert habe, Kommentiere ich hier. Soll man sich in Kooperationen mit konventionellen Systemen einlassen, oder nicht ? Und da beginnt das Problem in den Reihen der Energiewende Befürworter.
Oberflächlich betrachtet klingt es immer sympathisch wenn die Altgediente nun – nach langem Zögern – endlich bereit sind in die Wende einzusteigen. Konsens ist angenehmer als Konflikt heißt es im Artikel, der Meinung bin ich auch Wo aber hört der Kompromiss auf und fängt Kompromittierung an. Wo beginnt der Punkt, wo die konventionelle Seite unter dem Deckmantel Kompromiss das System eigens in ihrem Interesse gestaltet. Für den oberflächlichen Betrachter der Energiewende so gut wie nicht wahrzunehmen. Ich habe es am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als ein Diskutant, der sich hier als Vertreter der PV Branche outete, und meine Kommentare mysteriös findet.
Dank des Autors des Artikels, sind wir wieder bei meinem Lieblingsthema, dem „Faulen Ei“, das der Energiewende 2010 ins Nest gelegt wurde.
Für neu hinzugekommene Leser siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgleichsmechanismusverordnung
Kompromittieren pur fand statt, als die Erneuerbaren in einem Schnellverfahren ( Ermächtigungsverordnung ) 2010 aus den Bilanzkreisen der Versorger raus genommen wurden, und zum Verramschen“ an die Börse verbannt worden sind. Diese Kompromittierung zieht sich seit dem, wie ein roter Faden zum Vorteil der „Alten“ und nachteilig für die EE, durch den gesamten Wendeprozeß
Es wurde das geschaffen, was ich hier die separate Energiewende, oder den Ramschmarkt der Großen nenne.
Nochmals meinen Dank an den Autor für diese Steilvorlage, wo man ja nur noch den Fuß hinhalten musste um das Tor zu erzielen, um mal die Fußballsprache zu benutzen.
„am eigenen Leibe zu spüren bekommen“
diese Geschichte würde sehr interessieren, MfG
Na.. dann lesen Sie den Artikel mal genau, und dann die folgende Passage meines Kommentar dazu, und die Geschichte ist erzählt.
Zitat:.. Wo beginnt der Punkt, wo die konventionelle Seite unter dem Deckmantel Kompromiss das System eigens in ihrem Interesse gestaltet. Für den oberflächlichen Betrachter der Energiewende so gut wie nicht wahrzunehmen. Ich habe es am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als ein Diskutant, der sich hier als Vertreter der PV Branche outete, und meine Kommentare mysteriös findet. Zitat Ende.
„Vorenergiewendlich“
das sind auch Begriffe wie „Grenzkraftwerk“ und „preisbildend“
„„Bei nicht wenigen ist es vielleicht unbewusstes Grundvertrauen in die etablierten Energieanbieter, ein verinnerlichter Respekt vor den angestammten Majestäten der konventionellen Energieversorgung““
genau dieser Verantwortung (und dem damit einvernehmlichen Grundvertrauen) wurde *ein Teil* der Aktienkonzerne und teils große Stadtwerke mit dem „Energiewechsel‘ nicht länger gerecht (was heutige, größere „Ökostrom“konzerne mit anderen Organisationsprinzipien auch schon damals – für einen Teil der Bevölkerung mit – kritisiert haben)
damaliges monopolartiges Geschäftsverhalten (incl. der Stromnetzplanung) wurde gestattet, weil die Konzerne ihrer Verantwortung gerecht wurden (bis etwa Mitte der 1970/1980er Jahre)?
Das ist aber nur eine halbe Wahrheit, der Medaille
Mit dem Gesetzgebungs“wechsel‘ hiesse das Auffüllkonto für das EEG-Konto jetzt „Sondervermögen Energie- und Klimafonds‘, Geldgeber sind somit Steuerzahler*innen statt Stromkund*innen
https://www.stromdao.de/stromdao-news/2022-was-passiert-mit-den-milliarden-wenn-die-eeg-umlage-zum-01-juli-abgeschafft-wird
Die Altanlagen zur Stromerzeugung gehören dann wohl den großen „Öko’strmkonzernen, nach 21 Jahren.
@Hans Diehl, welche Ehre!
Das wäre mit Sicherheit so nicht nötig gewesen.
Gibt es aus ihrer Feder auch mal progressive Beiträge, so in die nahe oder auch fernere Zukunft gerichtet?
2010! Die Vermächtigungsverordnung! Ich kann es schon garnicht mal hören!
Tomas I schreibt.
Gibt es aus ihrer Feder auch mal progressive Beiträge, so in die nahe oder auch fernere Zukunft gerichtet?
@ Thomas.
Wer aus meinen Beiträgen nichts Progressives raus lesen kann, ist selbst dran schuld.
Bei der Umorientierung zu erneuerbaren Energien ist jedoch ein >win-win< objektiv unmöglich. … Ein Strukturwandel ohne Verlierer und Gewinner ist undenkbar. Verlierer werden unweigerlich die Anbieter der konventionellen Energien sein.“ (Seite 23)
Ich bin ein großer Verehrer von Herman Scheer, den ich ein paar mal in Vorträgen und Diskussionen erleben durfte.
Dem Satz, den ich aus dem ausgezeichneten Artikel entnommen habe, kann ich jedoch aus heutiger Sicht nicht zustimmen.
Aus Scheers Demokratieverständnis erwuchs auch der Wunsch nach demokratischen Energieversorgungs- Strukturen… und entsprechend dem Wunsch, dass die großen Spieler auf Grundstrukturen begrenzt werden.
…..es wäre schön, wenn es so geworden wäre…, sicher auch von ihm so gedacht ! Jedoch haben die vorherige Regierungen, die Bedingungen so gestaltet, dass "die Großen", an ihren Großkraftwerken und Strukturen doppelt verdienen…
Und die jetzige Regierung wird es angesichts der Zerreiskräfte und klammen Kassen, auch nicht angehen, die Gemeinschaftsaufgaben zu vergesellschaften – sprich Netze zu verstaatlichen.
Und auf der Ebene der WählerInnen, stimme ich auch den von Seite 128 zitierten Beharrungskräften zu. Auf der Weltebene gesehen, leben wir im Paradies…, dieses aus Mitgefühl für den Rest des Planeten aufzugeben ist ein fast unmögliches Ansinnen.
„Jedoch haben die vorherige Regierungen, die Bedingungen so gestaltet, dass „die Großen“, an ihren Großkraftwerken und Strukturen doppelt verdienen“
Wo sehen Sie da die Trennlinie?
Der Energiewechsel weg von Fossil und Atom ist unumkehrbar. 260 GW an PV Kapazität wurde weltweit 2021 installiert. AKWs: seit langem werden wenige AKWs pro Jahr neu ans Netz genommen und genauso viele alte endgültig abgeschaltet.
Die Produktionskosten von Strom durch PV und Windstrom an Land sind niedriger als die der billigsten Kohle und Gaskraftwerke und billiger als neue AKWs. (Bloomberg)
Der Energiewechsel kann nur dezentraler aufgebaut sein, allein weil Firmen, Kommunen und Privatpersonen eigene Kraftwerke betreiben können, die ihre Energieversorgung sicherer und die Kosten berechenbarer machen.
ein volatiler Stromerzeuger aus bleibender Energiequelle kann nicht günstiger sein als ein Grundlastkraftwerk, wenn
I) Mangel an Stromerzeugung
II) Mangel an Zwischenspeicherung
( III) Mangel an weiträumiger Vernetzung für Strommangelzeiten (aus politischen, wirtschaftlichen, technischen Gründen )
( IV) Schadenskosten diverser Nutzungs- bzw. Aufbau/Umbau/Rückbau/Nachfolgephasen der Kraftwerke, bilanztauglich, nicht )
( V) das Verständnis soziokultureller Einflüsse und Gesellschaftsveränderungen nicht )
( usw. )
systemimmanent sind
Es gibt einen Prozentanteil an Backupkraftwerken, welche (im heutigen Gesamterzeugungssystem) unrentabel bleiben und durch die Mittelung der jährlichen Gesamtstromerzeugung kompensiert werden.
Das Problem der zentralisierten Systemsicht sind die Wachstumserwartungen (der elitären Progressionsspekulant*innen und der medial erzogenen Bevölkerung mit Zins/Rendite/Dividendenerwartungen), welche durch bleibende Energiequellen versorgt werden müssten und sollen und dabei die (grundsätzliche, an der Kapazitätsgrenze des Investitionskapitals und der technischen und umweltrelevanten Möglichkeiten) Begrenztheit des Energieangebotes (im Kontrast zum teils jahrhundertelangen Raubbau am fossilen Energiespeicher Kohle/Gas/Erdöl/….., auch Naturflächen und systemen) vernachlässigen.
In liberalen (geistig, weniger kapitalistisch und marktliberalen) Staaten kann man diesen Anforderungen geeigneter gerecht werden und die Wertschätzung der individuellen Beiträge zur progressiven Annäherung an naturale Optimierungsgrenzen und die Respektierung dieser zeigt sich in diesen Staaten auch durch gesellschaftsdienliche Blütezeiten.
nur für geistig liberale Leser*innen schreibt.
ein volatiler Stromerzeuger aus bleibender Energiequelle kann nicht günstiger sein als ein Grundlastkraftwerk,
@…nur für geistig liberale Leser*innen
Offensichtlich „doch“
Ihre Grundlastbetrachtung ist noch „Vorenergiewendlich“ .
Seit der Energiewende gibt es das in dieser Form nicht mehr.
Schauen Sie mal im Folgenden, wie lukrativ grundlastfähig die Volatilen sein können.
Zitat aus einer Hochschulrecherche:
Diese zwei Artikel beantworteten sehr gut unsere Frage, wer eigentlich an der Strombörse einkauft. Denn es wurde immer nur von Versorgungsunternehmen, Stromhändlern, industriellen Großkunden und Banken gesprochen. Nun wissen wir dazu gehören auch die Stadtwerke und Unternehmen, wie E.ON, RWE usw. Es gibt also keinen Zwischenhändler mehr. Der Grund dafür, dass Unternehmen wie RWE auch an der Börse einkaufen, obwohl sie selbst rund 30 Kraftwerke besitzen und somit eigentlich genug Strom produzieren, ist einfach. Es gibt Tage, da ist der Strompreis an der Börse so günstig, dass eine Eigenproduktion viel teurer wäre. Daher werden dann die Kraftwerke gedrosselt und lieber günstig eingekauft. Zitat Ende.
Dass es sich hierbei um Langzeitverträge am Terminmarkt handelt, muss ich wohl nicht dazu sagen
Und dass mit Langzeitverträgen, Grundlast bedient wird, ist auch nicht neu.
„beantworteten sehr gut unsere Frage, wer eigentlich an der Strombörse einkauft“
es wäre Zeit für eine aktualle Studie zu Eigentümerstrukturen in der Photovoltaik und (bei regenerativen Energiewandlern generell) und damit verglichen der Veränderungen während der zurückliegenden 30 Jahren.
es wäre Zeit für eine aktuelle Evaluation der Rentabilitätsentwicklungen für Privatkunden/Gewerbe/Industrieaufdachanlagen und Freiflächenanlagen in den Segmenten -10kWp, -30(40)kWp, -100kWp, -xMWp
es wäre Zeit für eine europaweite Diskussionskultur auf dem Niveau Hermann Scheers (seiner Zeit und seiner intellektuellen Einflüsse), jedoch selbst mit deutschen Führungseliten in diversen Gremien mit Verdichtungen in den Jahren 201x-2022 in Europa und teils globalen Interessenverbünden kann man diese philosophische und intellektuelle Dichte und Weitsicht nicht durchgängig erkennen (Land mit Vorbildcharakter zur Energiewende?), diese Welt hat Weitsicht, Verständnis und Intelligenz eingebüßt, mit egozentrierten Novellierungen zu nationaler Wirtschaftsoptimierung und damit konträr zum Verständnis einer Zeit Hermann Scheer’s
wir warnen vor einem Rückfall in „altdeutsche‘ Werte vor Europa
wir fördern europäische Solidarität und gesellschaftsweiten, deeskalierenden Ausgleich
https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Photovoltaics-Report.pdf
Ethisches Denken ist Mangelware am Markt, leider.
Herr Scheer fordert von uns allen unermuedlich moralisches Handeln.
Danke.
Geehrter Christfried Lenz,
danke für das Memorial an Hermann Scheer!
Auch für mich war und ist noch immer die Lektüre der Hermann-Scheer-Werke die beste Inspiration für die „bleibenden Energien“, vorneweg die von ihm so bezeichnete „Königsdisziplin“ Photovoltaik.
In seinem letzten Werk, dem „Energethischen Imperativ“ wird er ja nochmal sehr philosophisch und führt gleichwohl Immanuel Kant wie auch Wilhelm Ostwald folgerichtig in die Realisierung.
Wir hingegen beschäftigen uns lediglich mit juristischen, techischen, bestenfalls noch fiskalischen Aspekten, verstricken uns darin, bekämpfen uns gar mit Detailwissen …. ob das der Sache dient?
Ich möchte ein Zitat Hermann Scheers in Erinnerung rufen, aus „Solare Weltwirtschaft“, erschienen 1999, als er gerade mittendrin gewesen sein dürfte in der Formulierung der 7 goldenen Paragrafen des ersten EEG:
Auch wenn sich viele mit dieser Erkenntnis schwertun: Es ist schon entschieden, dass die fossile Energie von der Sonnenenergie wieder abgelöst wird. Die einzige noch offene Frage ist; ob das so rechtzeitig stattfindet, dass die sich zuspitzenden ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Katastrophen fossiler Ressoursennutzung noch abgewendet werden können …. Diese Schicksalsfrage der menschlichen Zivilation entscheidet sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts ….
Unbedingt Lesen : Hermann Scheer !
Mit sonnigen Grüßen
Claus Scheuber, Ravemsburg
Hallo Herr Lenz,
vielleicht möchten Sie Ihre Artikel mit jeweils einem Zitat aus Hermann Scheers Verständnis für die Energieverteilung umrahmen?
MfG
Strom und Markt:
Bei Strom handelt es sich um ein Gut, auf das der Kunde nicht ohne Umstände oder auch gar nicht verzichten kann. Meiner Meinung nach ist es ein Gut der Daseinsfürsorge, um das sich der Staat zu kümmern hat und das jedem Bürger so „günstig“ wie möglich zur Verfügung stehen sollte ähnlich wie Wasser.
Hallo!
Das ganze und vor allen Dingen deren Kommentare ließt sich für mich wie ein philosopfisches Seminar über Sinn und Unsinn der Energienutzung im Allgemeinen und auch im Besonderen! Sorry! Erneuerbar sollte im Sinne von Herrmann Scheerer als Stichwort erhalten bleiben, wie von Christfried Lenz wortreich dargelegt!
Marktmacht und die eigentliche richtungsweisende aktuell politische Entscheidungsfindung sollte uns im Moment mehr interessieren; siehe Gaspreisumlage.
Was da gerade eingefädelt wird, erinnert mich an dich, an die so viel zitierte Ermächtigungsverordnung.
Heiße Nadel; einseitige Sichtweise und letztendlich Unausgewogenheit!
OK. es betrifft ja nur Gasverbraucher……im Moment noch. Hat aber jetzt schon Auswirkungen auf die vorraussichtliche Inflationsrate.
Strom oder gar Energie – hat das schon mal jemand in der Hand gehabt?, gesehen? gehört? gerochen? … genau, das ist der Grund, warum sich Endverbraucher*innen so schwer damit tun und in letzter Instanz froh sind, dass sich jemand anderes darum kümmert … es sei denn, es geht ans eingemachte (Geld). Strom oder gar Energie … das ist daher ein geniales Geschäft … sorgen „wir“ also dafür, dass Endverbraucher*innen es uns nicht wegnehmen … 600 Watt ModulWR-Leistung an der Steckdose sind nun wirklich mehr als genug, komplette energetische Eigenversorgung? Gar noch das Auto als Batteriespeicher für das Haus / die Wohnung nutzen? Bloss nicht, wenn das denn jeder machen würde. Als Biologe schaue ich etwas anders auf „Energie“ … nach Ernst Mayr: Neben einigen größeren und zahlreichen kleineren Problemen hatten die ersten Lebewesen zwei Aufgaben zu bewältigen: 1. Energie beschaffen, 2. Fortpflanzung … Meine Biologensichtweise der energetischen Evolution: „Bioenergie“: Stufe 1: z.B Eisen zu Rost; Stufe 2: (erster Gamechanger) mit Solarenergie Schwefelwasserstoff in Wasserstoff und Schwefel spalten (Nachteil: fester Schwefel als Abfall); Stufe 3: (zweiter Gamechanger) mit Solarenergie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten (Nachteil – damals – Sauerstoffgas verändert die Atmosphäre und tötet fast alle bisherigen Lebwesen), Stufe 4 (?): (finaler Gamechanger?) Solarenergie vor Ort in zivilisatorische Nutzenergie wandeln, Speichern, vielseitig verwendbar nutzen … (Nachteil: … wessen Daseinsberechtigung könnte obsolet werden?). Es kann also gar nicht anders sein, dass aus einem „nebulösen Umfeld“ heraus mit allen juristischen Bedenken, sozialverträglichen Randeffekten, technischen Vorbehalten und Scheinargumenationen diese Stufe 4 zu verhindern versucht wird. Ein Recht auf Eigenversorgung mit „Energie“ solte ins Grundgesetz wie das Recht auf freie Berufswahl, körperliche Unversehrtheit, freie Wahl des Wohnortes … Wäre das also das Umfeld eines energethischen Imperativ? – leisten wir unseren Beitrag dazu!