Osterpaket vom Bundesrat verabschiedet – die Branche reagiert mit viel Lob und ein bisschen Kritik

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Nachdem am Donnerstag der Bundestag das Osterpaket verabschiedet hat, folgte am Freitag  auch der Bundesrat mit seiner Zustimmung. Sobald der Bundespräsident die Novelle unterzeichnet hat, erscheint sie im Bundesgesetzblatt. Einige Passagen treten direkt am Tag darauf beziehungsweise in einigen Wochen oder Monaten in Kraft, das Gesetz im Übrigen am 1. Januar 2023.

„Die Fesseln wurden gelockert, aber noch nicht vollständig gelöst.“ Mit einer Prise Ambivalenz kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig, das  Osterpaket. Viel Gutes steht drin. Mit dem beschlossenen Instrumentenkasten wird es vorangehen – keine Frage. Das EEG 2023 und die weiteren Beschlüsse sind eine deutliche Verbesserung zum Kurs der vergangenen Jahre. An einigen Stellen wird man aber hinter eigenen Ansprüchen und vor allem dem Pariser Klimaabkommen zurückbleiben. Von einer Umsetzungslücke ist hier die Reden. Hier wird die Branche noch auf das Herbstpaket hoffen müssen.

Das Paket sieht den Ausbau der Solarenergie von aktuell 60 Gigawatt auf 215 Gigawatt im Zieljahr 2030 vor. So würden pro Jahr 22 Gigawatt hinzukommen. Das sei ein Meilenstein auf dem Weg ins Solarzeitalter, sagt der Bundesverband der Solarwirtschaft. Bereits 2024 sollen 88 Gigawatt installiert sein. Zwei Jahre später 128 Gigawatt und bis 2028 sollen es 172 Gigawatt sein. Die Zielmarke für das Jahr 2040: 400 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung.

Der Anteil an Solarenergie am Strommix wird mit dem beschlossenen Ausbaupfad für Solarenergie von 10 Prozent heute auf 30 Prozent steigen – und das, obwohl auch die Stromnachfrage insgesamt steigen wird. Allerdings bemängelt der Verband, dass man sich den konsequenteren Abbau von Investitionsbarrieren gewünscht hätte.

Bessere Vergütung

„Die heute beschlossenen Gesetze sind ein erster wichtiger Meilenstein für eine klimaneutrale und unabhängigere Energieversorgung“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, Ingbert Liebing. Er begrüßte, dass die Einspeisevergütung für Teileinspeiser im Vergleich zum Referentenentwurf wieder gestiegen ist. Im Entwurf der Regierung war zunächst eine Kürzung der Vergütung für Teileinspeiser vorgesehen. Das sorgte für Verstimmung, denn es gehe darum, mit finanziellen Anreizen den Ausbau auch auf privaten kleinen Dachflächen voranzutreiben.

Dass das jetzt doch geschehen kann, liegt nicht nur an den Vergütungssätzen von 8,6 Cent für Anlagen bis 10 Kilowatt und 6,20 Cent für Anlagen bis 750 Kilowatt, sondern auch an der geplanten Beseitigung einer viel beklagten Hürde – Bürokratie. Einfacher, schneller und digitaler soll es jetzt werden. Dafür sollen Netzbetreiber Webportale zur Online-Anmeldung einführen. Auch steuerliche Vereinfachungen stehen in Aussicht. So soll geprüft werden ob Anlagen erst ab einer Größe von 30 Kilowatt einkommens- und gewerbesteuerlich angemeldet werden müssen. Ein weiteres Schmankerl: Die Degression der Vergütungssätze soll bis Anfang 2024 ausgesetzt und ab dann durch eine halbjährliche Degression ersetzt werden.

Die Zuschüsse für Volleinspeiser sind unterdessen im Vergleich zum Regierungsentwurf wieder etwas gefallen. Für das Anlagensegment bis 10 Kilowatt sollten 6,87 Cent pro Kilowattstunde zum anzulegenden Wert hinzukommen. Jetzt sind es nur noch 4,8 Cent pro Kilowattstunde. Diese Regelung soll zur Nutzung der gesamten Dachfläche anreizen, stieß allerdings auch auf Kritik. Es war nur schwer vorstellbar, warum Menschen ihr gesamtes Dach für Solar nutzen sollten, ohne selbst je eine Kilowattstunde davon zu verbrauchen.

EEG-Umlage entfällt

Ab dem ersten 1. Juli 2022 entfällt die EEG-Umlage. Diese Senkung des Strompreises soll auf die Verbraucher umgelegt werden. Mit Blick auf die zukünftige Finanzierung von erneuerbaren Energieanlagen sieht die Gesetzesnovelle eine komplette Streichung des Umlagesystems vor. „Die EEG-Förderung über den Strompreis wird beendet“, heißt es in dem Gesetz. Die Finanzierung soll künftig über den Bundeshaushalt ablaufen. Die notwendigen Mittel dafür sollen über den Brennstoffemissionshandel bereitgestellt werden. Ab dem kommenden Jahr entsteht so ein Finanzierungsbedarf von 4,4 Milliarden Euro. Doch schon ab 2024 werde der Bedarf auf 12 Milliarden Euro ansteigen. Bis 2030 könnten es 23 Milliarden sein, rechnet die Regierung in ihrem Gesetz vor, verweist aber auch auf Unsicherheiten bei Kostenaufstellungen über einen so langen Zeitraum.

Anlagenzusammenfassung

In der Beschlussfassung ist man darauf eingegangen und hat kurzerhand die sogenannte Anlagenzusammenfassung vereinfacht. So ist es möglich, einen Teil der Dachanlage als Teileinspeiseanlage anzumelden, den anderen Teil als Volleinspeiseanlage. Dabei können sich beide Anlagen auf demselben Dach befinden und gleichzeitig angemeldet werden. Nur zwei separate Zähler sind notwendig. Wollten Häuslebauer zuvor zwei Anlagen auf einem Haus anmelden, mussten sie 12 Monate zwischen den Anmeldungen warten.

Eine Regelung, die beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft auf Unterstützung stößt. Der Leiter des Bereichs erneuerbare Energien, Bernhard Strohmayer, sieht in der Anlagenzusammenfassung einen wichtigen Schritt. Gerade mit Blick auf landwirtschaftliche Betriebe könnten so große Dachflächen sinnvoll erschlossen werden.

„Es wird einfacher, Volleinspeisung und Eigenversorgung zu kombinieren. Das ist richtig und hilft, die Dächer voll zu bekommen. Gut ist auch, dass die unsinnige Spitzenlastkappung kleiner PV gestrichen wird“, so Geschäftsführer Robert Busch.

Keine 70-Prozent-Drosselung mehr

Zuvor wurde auch die effektive Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung gedrosselt. Damit ist jetzt Schluss – zumindest für Anlagen bis zu einer Größe von 25 Kilowatt. „Nach über 16 Jahren Ausbremsen der Bürgerenergie und Fesselung der Energiewende unter den Merkel-Regierungen kündigte Minister Robert Habeck im Januar 2022 seinen Photovoltaik-Booster an“, sagt Rainer Doemen, Vorstandsmitglied des Solarenergie-Fördervereins Deutschland. „Heute hat der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung mehrere Gesetzespakete aus dem Hause Habeck beschlossen. Positiv wirken müsste die Aufhebung der pauschalen Begrenzung der maximalen Wirkleistungseinspeisung in Höhe von 70 Prozent der installierten Leistung im EEG 2023.“

GEG-Novellierung

Der Bundesverband Wärmepumpe begrüßt die Änderungen im Gebäudeenergiegesetz und einiger Passagen im Energiewirtschaftsgesetz. So wurde im Zuge des Osterpakets der Neubaustandard auf das Effizienzhaus-55-Niveau angehoben. Eine Änderung, die man sich schon vor zwei Jahren gewünscht hat, so der Verband. Zudem begrüße man die Absenkung des Primärenergiefaktors für Großwärmepumpen. Das würde dazu führen, die Dekarbonisierung der Wärmenetze voranzutreiben. Gleichzeitig wünscht sich der Verband aber auch eine Anpassung des im GEG veranschlagten Strommixes. Dieser sei veraltet und würde nicht dabei helfen, Wärmepumpen energetisch sachgerecht zu bilanzieren.

„So richtig diese GEG-Novelle auch ist. Zur Frage, wie wir von der Abhängigkeit von russischen Gasimporten, der Verbrennung fossiler Energieträger und den hohen CO2-Emissionen im Gebäudesektor loskommen, trägt sie nur wenig bei“, so Martin Sabel, Geschäftsführer Bundesverband Wärmepumpe. „Gaskrise und Klimawandel sorgen gerade dafür, dass viele Menschen so schnell wie möglich ihre Heizkessel gegen eine Wärmepumpe tauschen wollen. Die Heizungsindustrie und das Handwerk brauchen daher jetzt langfristige Planungssicherheit, um sich voll auf erneuerbare Wärme auszurichten. Grundlegend ist hierfür, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung gesetzlich konkretisiert, dass ab dem Jahr 2024 jede neue Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Dafür muss noch in diesem Herbst direkt die nächste GEG-Novelle angegangen werden.“

Großer Markt für große Dächer

Auch der Bundesverband der Solarwirtschaft zeigte sich insgesamt positiv dem Gesetzespaket gegenüber. „Mit dem heutigen Parlamentsbeschluss sind erneuerbare Energien auch energierechtlich von ‚überragendem öffentlichen Interesse‘“, kommentiert, BSW-Präsident Carsten Körnig die Beschlüsse. „Vom Netzanschluss bis zum Steuerrecht müssen weitere Barrieren aus dem Weg geräumt und Prozesse beschleunigt werden. Je weniger Zeit Solarunternehmen für Papierkram aufbringen müssen, desto mehr Solaranlagen werden sie in den kommenden Jahren installieren können.“

Tatsächlich zeigen sich die Installationsunternehmen mit Blick auf den Abbau des administrativen Aufwands gutgestimmt. „Endlich befreit die Ampel die Prosumer vom Bürokratiemonster. Dass die Anwesenheit des Netzbetreibers bei der Inbetriebnahme von Anlagen bis 30 Kilowatt nicht mehr erforderlich ist, ist ein echter Beschleuniger für Prosumersegment“, sagt Markus Meyer, Politikchef bei Enpal.

Auch bei größeren Dachanlagen dürften sich Verbesserungen der Marktsituation einstellen.  Der BSW Solar goutiert, dass gewerbliche Dachanlagen, die sich über Marktprämien finanzieren, künftig nicht mehr an Ausschreibungen teilnehmen müssen. „Die Investitionsbereitschaft in diesem wichtigen Photovoltaik-Marktsegment wird jetzt stark von der weiteren Entwicklung der Kapital- und Material- sowie vor allen Dingen auch Stromkosten abhängen“, so Körnig.

Freiflächen-Anlagen

Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft verweist auf die Öffnung der Flächenkulisse und sieht hierin die richtige Richtung für die Branche. Zum Beispiel werden die Konversionsflächen und Seitenstreifen erweitert. Neben Autobahnen und Schienen können jetzt auf einem Streifen mit 500 Metern breite Solaranlagen errichtet werden. „Zentrale Forderungen des BDEW, wie die Verbreiterung der zulässigen Flächen für Photovoltaik neben Verkehrswegen sowie die Nutzung der Agri-PV auf Dauergrünland, wurden umgesetzt“, so die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae.

Der Verband moniert allerdings auch, dass man sich gewünscht hätte, die Flächenausweisung auch auf Landschaftsschutzgebiete unter Berücksichtigung des jeweiligen Schutzzwecks auszuweiten. Der Verband identifiziert auch eine zu eng gefasste Aufgabendefinition für „Wasserstoffpeaker“. „Aus Sicht des BDEW verhindert die einseitig auf die Rückverstromung fokussierte Regelung notwendige Anwendungen der Sektorenkopplung“, so Andreae weiter.

Unterm Strich?

Ergebnis der Debatten sind 593 Seiten druckfrische Energiegesetze, die zwar an vielen Stellen zu kurz greifen und die Klimaziele verfehlen werden, aber auch Lob aus Industrie- und Umweltschutz-Verbänden ernten. Eine Leistung, hinter der vorangegangene Energie-Gesetzespakete für gewöhnlich weit zurückgeblieben sind.

Der Vizekanzler und Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) spricht von der größten energiepolitischen Novelle seit Jahrzehnten. „Allein die schiere Anzahl und der Umfang der Gesetzentwürfe zeigen, wie wichtig die Energie und die Energiesicherung für Deutschland und für Europa geworden sind – wie wichtig sie sind für Sicherheit, Freiheit und Wohlstand unserer Republik. Wir werden den Anteil der erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt fast verdoppeln. Wir verdreifachen die Geschwindigkeit beim Erneuerbaren-Ausbau – zu Wasser, zu Land und auf dem Dach.“

Ein seltenes Lob für die Energiepolitik der Bundesregierung gibt es auch seitens der Umweltverbände. Die Deutsche Umwelthilfe zum Beispiel lobt, dass man bei der Bürgerenergie sowie im Photovoltaik-Sektor Fortschritte gemacht habe. Sie kritisiert aber auch, dass das Ziel, bis 2035 ein weitestgehend emissionsfreies Stromsystem aufzubauen, gestrichen wurde. Immerhin das ebenfalls wichtige Etappenziel, 80 Prozent emissionsfreie Stromerzeugung bis 2030 zu erreichen, ist erhalten geblieben

Die Umweltverbände führen die zu geringen Ambition im Osterpaket auf einen der Koalitionspartner zurück. „Vor allem die FDP ist zu oft der Bremsklotz, wenn es um ambitionierten Klimaschutz und funktionierenden Naturschutz geht“, kommentiert der Versitzende des BUND, Olaf Bandt. Auch die Deutsche Umwelthilfe erklärte, dass die Streichung des Ziels bis 2035 eine emissionsfreie Stromversorgung zu gewährleisten, „schmerzhaft sei“.

Die vielen Stimmen aus Industrie, Verbänden und Zivilgesellschaft lesen sich wie ein grundsätzliches Lob. Allerdings wird auch immer wieder darauf verwiesen, dass sich die Regierung nicht auf diesem ersten Etappenerfolg ausruhen darf. Bei der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen muss jetzt richtig Druck gemacht werden. An einigen Stellen sollte auch juristisch noch mal nachgeschärft werden. „Es braucht jetzt jede Kilowattstunde erneuerbarer Energie zur Kompensation der fossilen Importe“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter. „Deswegen muss das Osterpaket durch ein Herbstpaket ergänzt werden, um die Umsetzungslücke zu schließen.“

Der Artikel wurde am 8. Juli an der Stelle zu den steuerlichen Vereinfachungen für Anlagen unter 30 Kilowatt, von der Redaktion angepasst. Eine frühere Fassung war hier uneindeuting. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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