EU-Parlament erklärt Gas- und Atomenergie für nachhaltig

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Mit Spannung wurde die heutige Abstimmung des EU-Parlaments erwartet, ob Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen sind. Beobachter erwarteten ein knappes Ergebnis. Schließlich sprachen sich 278 Abgeordnete für einen Antrag aus, die Pläne der EU-Kommission zu blockieren. Das genügt nicht.  Eine Mehrheit von 328 Abgeordneten lehnten den Antrag ab und folgten damit der Linie der Kommission, 33 enthielten sich. Damit gelten Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig. Gleiches gilt für deren Finanzierung und Investitionen in Hersteller und Betreiber.

In den vergangenen Monaten hatten die in der Sylvesternacht 2021 bekannt gewordenen Pläne der Kommission für viel Aufregung gesorgt. Der Riss ging durch die Fraktionen. So sprach sich das CDU-Mitglied Daniel Caspary, Leiter der Gruppe der Deutschen in der EVP-Fraktion für den Vorschlag aus. Seine Fraktionskollegen, der Umweltpolitiker Peter Liese (CDU) und der Finanzpolitiker Markus Ferber (CSU) dagegen. Bei den Grünen wiederum hatten sich unter anderem Vertreter aus Finnland und Frankreich für Atomkraft als taxonomiekonform ausgesprochen.

Wochenlang hatten Gegner des delegierten Rechtsakts, den die EU-Kommission vorgelegt hatte, versucht, möglichst viele Nein-Stimmen zusammenzubekommen. Was anfangs wie ein hoffnungsloses Unterfangen aussah, gewann unerwartet an Popularität. Denn durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine drehte sich die Stimmung insbesondere beim Thema Gaskraftwerke. Aus wohlunterrichteten Kreisen in Brüssel hieß es, der Einfluss der Gaslobby sei zurückgegangen. Gleichzeitig hatten ukrainische Politiker und Diplomaten mehrfach darauf hingewiesen, dass es angesichts des Krieges in ihrem Land ein fatales Signal wäre, Gas als nachhaltig zu bezeichnen. Schließlich stamme ein großer Teil des importierten Gases aus Russland.

Vor allem für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist das Ergebnis ein Erfolg. Er will die Atomkraft ausbauen. Ferber kritisierte hingegen: „Das heutige Votum wird sich früher oder später als Fehler herausstellen.“ Er sieht gleich mehrere gefahren, vom Greenwashing bis hin zur Glaubwürdigkeit der Taxonomie.

Enttäuscht zeigten sich auch Umweltverbände und kündigten Gegenmaßnahmen an. „Das Abstimmungsergebnis ist ein Desaster für nachhaltige Finanzmärkte und wirkt wie aus der Zeit gefallen“, schimpfte Magdalena Senn, Referentin nachhaltige Finanzmärkte bei der Bürgerbewegung Finanzwende. Wie zuvor die Kommission ignoriere das EU-Parlament Wissenschaft und breite Öffentlichkeit, hieß es beim WWF Deutschland.Der delegierte Rechtsakt entspräche nicht der Taxonomie-Verordnung. Der WWF prüfe daher juristische Schritte.

Eine Klage hatten in den vergangenen Monaten bereits Österreich und Luxemburg angekündigt. Auch sie sehen im Vorgehen der Kommission einen Rechtsverstoß. Eine letzte Hoffnung besteht am 11. Juli. Dann entscheidet der EU-Rat, das sind Vertreter der Mitgliedsstaaten, über den delegierten Rechtsakt. Sollten 20 Staaten, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, dagegen sein, würde der Vorschlag doch noch gestoppt. Ein solches Ergebnis gilt allerdings als unwahrscheinlich.

(Jochen Bettzieche)

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