Fast elf Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es in Deutschland. Zur Energiewende tragen sie bislang nur wenig bei – obwohl sie ein enormes Potenzial haben. Das geht aus dem Prosumer Report 2022 hervor, die der Energieversorger Lichtblick mit Daten von EUPD Research erstellt hat.
Die Bestandsaufnahme zeigt, dass die Photovoltaik die am weitesten verbreitete Energiewende-Technologie im Eigenheim ist: Fast 16 Prozent der Häuser erzeugen heute Solarstrom. Strombetriebene Wärmepumpen kommen in acht Prozent der Eigenheime zum Einsatz. Über Heimspeicher verfügen gut vier Prozent der Haushalte in Ein- und Zweifamilienhäuser, bei Elektroautos sowie Smart Metern sind es drei Prozent, mit Energiemanagement-Systemen sind zwei Prozent der betrachteten Gebäude ausgestattet.
Das Zubau-Tempo hat 2021 bei fast allen Technologien angezogen. Wurden etwa 2020 noch 159.000 neue Photovoltaik-Anlagen auf Eigenheimen installiert, waren es 2021 insgesamt 208.000. Die installierte Leistung in diesem Segment lag Ende 2021 bei 13,5 Gigawatt.
Aus den Bestandszahlen hat Lichtblick einen Prosumer-Index errechnet, der den Stand der Energiewende in den Eigenheimen abbildet und ihn mit dem Potenzial abgleicht– aktuell liegt der Index bei 9,5 von 100 Punkten. Lichtblick will ihn künftig jährlich aktualisieren.
Der Versorger rechnet vor, dass sich 96 Milliarden Kilowattstunden Solarstrom im Jahr erzeugen ließen, wenn sämtliche Ein- und Zweifamilienhäuser mit einer Photovoltaik-Anlage ausgerüstet würden. Das entspricht nach Angaben von Lichtblick der Erzeugungsmenge von zehn mittelgroßen Kohlekraftwerken.
Hohe Autarkiequote spart viel Geld
Da sich Strom deutlich effizienter in Wärme und Mobilität umwandeln lässt als Gas oder Öl, würde der Energiebedarf der Eigenheime bei einem vollständigen Umstieg auf Stromheizungen wie Wärmepumpen sowie auf Elektromobilität um 65 Prozent sinken – von heute 336 auf 119 Milliarden Kilowattstunden. Mit einer Photovoltaik-Anlage könnten die Haushalte rechnerisch also vier Fünftel ihres Energiebedarfs selbst erzeugen. Heute beträgt die Autarkiequote bei Ein- und Zweifamilienhäusern insgesamt gesehen gerade einmal vier Prozent.
Angesichts steigender Energiepreise spart das den Haushalten viel Geld. Das zeigen zwei Modellrechnungen für die Sanierung und den Neubau von Einfamilienhäusern, die über 20 Jahre Investitions- und Energiekosten von fossilen und erneuerbaren Lösungen in unterschiedlichen Energiepreis-Szenarien vergleichen. Im Schnitt liegt die Kostenersparnis für Eigenheimbesitzer zwischen 25 und 36 Prozent (32.000 bis 55.000 Euro). Bei dauerhaft hohen Energiepreisen und einer intelligenten Vermarktung von überschüssigem Solarstrom an der Börse steigt das Sparpotential auf bis zu 54 Prozent (95.000 Euro). Auch der Klima-Fußabdruck fällt weit geringer aus: Die Haushalte vermeiden im gleichen Zeitraum bis zu 81 Tonnen CO2.
Vermarktung an der Börse bringt mehr Ertrag
„Durch die Digitalisierung und Vernetzung von Solaranlagen, Speichern, Wärmepumpen und Elektroautos kann die Wirtschaftlichkeit von weitgehend energieautarken Häusern in Zukunft weiter verbessert werden“ erläutert René Zerwes. Prosumer-Experte bei Lichtblick. Er verweist darauf, dass die Erlöse aus der Vermarktung von überschüssigem Solarstrom an der Strombörse dreimal höher sind als die Erträge aus der Einspeisevergütung nach dem EEG. Bisher nähmen aber erst weniger als ein Prozent aller Prosumer schon entsprechende Vermarktungsangebote von Versorgern oder alternative Optionen wie Teilnahme an Strom-Communities wahr.
Lichtblick verweist allerdings darauf, dass der Weg zur Energieautarkie nach wie vor mit vielen bürokratischen Hürden versehen ist. So fehle es an der Möglichkeit, Solaranlagen oder Speicher schnell und unkompliziert digital anzumelden. „Um das Potential der Energiewende im Eigenheim schnell zu heben, muss die Politik den analogen Hürdenlauf zum Haus-Kraftwerk in einen digitalen Spaziergang verwandeln“, fordert Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Bundesweit einheitliche Anschlussbedingungen, eine Clearingstelle bei Konflikten mit Netzbetreibern sowie die einfache Teilnahme an den Energiemärkten würden den Wandel erheblich beschleunigen.
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Ich habe im Laufe meines Lebens Kohlekraftwerke mit Leistungen zwischen ca. 20 und 2000 MW persönlich kennengelernt. Was soll also diese Art reisserisch erscheinender Überschrift in einem Fachjournal?
Mit der Fläche des Saarlandes (oder wahlweise in Fußballfeldern) lässt es sich halt nicht angeben.
@ Jürgen.
Wenn Sie Kohlekraftwerke schon persönlich kennen gelernt haben gehe ich davon aus, dass Sie in der Branche tätig waren oder sind, und somit über Sachkenntnis verfügen. Deshalb meine Frage an Sie. Was halten Sie von Überschriften die da lauten, „Und wieder mussten für Millionen Ökostrom ins Ausland verschenkt werfen“
Es mag ja stimmen, dass man im Augenblick an der Börse für seinen PV-Reststrom mehr bekommt, als die (bekanntermaßen) zu niedrige Einspeisevergütung. Aber ist das auch nachhaltig?
Der Privathaushalt kann natürlich in ein spekulatives Geschäft einsteigen, aber besser ist er beraten, die Sicherheit einer Einspeisevergütung zu wählen als die unsicheren Verkaufserlöse an einer Börse.
Ein Beispiel aus den 80ern aus einem anderen Bereich: Fairtrade-Einkäufer garantierten Kakaobauern einen auskömmlichen Preis, der höher als der Marktpreis war. Den nahmen die natürlich gerne. Als aber der Börsenpreis über diesen fest vereinbarten Garantiepreis stieg, verkauften die Bauern plötzlich nicht mehr an die bewährten, fairen Geschäftspartner, sondern an die Spekulanten, die die Preise hoch getrieben hatten. Damit unterminierten sie die gute Geschäftsbeziehung, das Geschäft war gestorben. Bei dem ebenso sicher folgenden Absturz der Börsenpreise konnten sie natürlich nicht so einfach wieder dazu zurückkehren. Die Lehre der Geschichte: Wenn’s gut läuft, dann wird genommen, was man kriegen kann, irgend ein windiger Geschäftsmann kommt schon, und überzeugt einen, dass die Preise nur noch eine Richtung kennen: Nach oben. Wenn’s schlecht läuft hätte man gerne wieder einen regulierten, fairen Markt, mit auskömmlichen Preisen. Aber da findet sich dann kein Abnehmer mehr, und der windige Geschäftsmann bedauert, nicht mehr zahlen zu können, als der Markt hergibt.
Die kleinen Prosumer sollten froh sein, dass mit der garantierten Einspeisevergütung ein faires Modell gefunden wurde, die spekulativen Marktschwankungen, deren Risiko sie nicht tragen können, von ihnen fernzuhalten. Das Marktrisiko trägt das EEG-Konto und damit die Gemeinschaft der Stromverbraucher oder der Steuerzahler, in jedem Fall breitere Schultern als sie ein Privathaushalt hat. Den Verlockungen von Lichtblick in der gegenwärtigen überhitzten Marktsituation sollte man nicht folgen. Der Staat sollte das Recht zur Ablieferung seines Stroms zum Garantiepreis noch durch eine ebensolche Pflicht ergänzen, damit die Machtverhältnisse ausgeglichen sind.
prinzipiell stimme ich Ihren Ausführungen zu – allerdings denke ich, dass es unabhängig von einer garantierten Einspeisevergütung sinnvoll wäre, eine Vergütungskomponente (welcher Art auch immer) einzuführen, die netzdienliches Einspeisen vs. speichern belohnt.
Spätestens wenn mehr Elektroautos vehicle-to-load-fähig sind, muss ein Weg gefunden werden, diese Speicher auch für die Netzstabilisierung verfügbar zu machen.
@JCW
Hier sollte man nicht vergessen, dass es eben Spot(t)marktpreis-basierte Marktmodelle waren, welche es ermoeglichten, Verbrauchern die Ueberproduktion zu erschliessen, statt den Strom zu verwerfen und zu verschenken. Ein solches Modell muss den Verbraucher nicht dem vollen Risiko aussetzen, es reicht voellig aus, wenn angebotsabhaengig die Nachfrage angepasst werden kann. Selbstverstaendlich im Rahmen einer ueblichen Preisgestaltung, unter Ruecksicht des hoeheren Risikos fuer den Verbraucher, welcher hier hilft, das Netz zu stabilisieren, indem er die teuren Spitzenzeiten vermeidet.
Die Umwidmung des Spot(t)marktes in eine Art Las Vegas mit Verbrauchergeldern allerdings hat dem Ganzen einen gehoerigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Sicher war das keine perfektes Modell, da sich der Spotmarktpreis nicht notwendigerweise rein nach Angebot und Nachfrage richtet, oder auch so gut wie gar nicht, wenn Angebote kuenstlich verknappt werden koennen, um an anderer Stelle den gleichen Strom fuer deutlich mehr Geld zu verklingeln. Nicht das sowas passieren je koennte …
Aber es war viel besser als gar nichts.
@JCW
Hier sollte man nicht vergessen, dass es eben Spot(t)marktpreis-basierte Marktmodelle waren, welche es ermoeglichten, Verbrauchern die Ueberproduktion zu erschliessen, statt den Strom zu verwerfen und zu verschenken. Ein solches Modell muss den Verbraucher nicht dem vollen Risiko aussetzen, es reicht voellig aus, wenn angebotsabhaengig die Nachfrage angepasst werden kann. Selbstverstaendlich im Rahmen einer ueblichen Preisgestaltung, unter Ruecksicht des hoeheren Risikos fuer den Verbraucher, welcher hier hilft, das Netz zu stabilisieren, indem er die teuren Spitzenzeiten vermeidet.
Die Umwidmung des Spot(t)marktes in eine Art Las Vegas mit Verbrauchergeldern allerdings hat dem Ganzen einen gehoerigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Sicher war das keine perfektes Modell, da sich der Spotmarktpreis nicht notwendigerweise rein nach Angebot und Nachfrage richtet, oder auch so gut wie gar nicht, wenn Angebote kuenstlich verknappt werden koennen, um an anderer Stelle den gleichen Strom fuer deutlich mehr Geld zu verklingeln. Nicht das sowas je passieren koennte …
Aber es war viel besser als gar nichts.
Den Bericht kann man hier herunterladen: https://brand.lichtblick.de/s/56/qGtuNVhe
Die Modellrechnungen sind unterste Schublade. 80% der Gesamtersparnis kommt durch den Wechsel auf ein Elektrofahrzeug, wo die THG Quote als zusätzliche Einnahme gerechnet wird, die höheren Anschaffungskosten aber einfach ignoriert werden.
Wenn man Ihre eignen Zahlen für die PV (10kwp mit 10 kwh Akku) rechnet, Anschaffung 27000€, Finanzierung 5000€, Ersatz WR 2500€, Austausch Akku 3000€, 0,5% Instandhaltung/Jahr: 2700€, kommt man auf Systemkosten von 40000€ über 20 Jahre, bei einer Produktion von 192800 kwh.
Davon wird 50% eingespeist und mit ~7 cent EEG vergütet: 6750€, was zu einem Selbstkostenpreis von 32500€/96400kwh = 34 cent/kwh führt.
Ich habe die Rechnung nicht nachvollzogen, aber 34ct, für 20 Jahre sicher, das wäre doch sogar gar nicht so schlecht? Wer im letzten halben Jahr seinen Stromanbieter wechseln musste, zahlt jetzt schon 50% mehr, Bestandskunden werden möglicherweise in drei bis vier Jahren auch bei Preisen zwischen 50 und 60ct sein. Es wäre eine Abkoppelung vom Marktrisiko, für Privatleute immer ein Wert an sich, den sie sich auch etwas kosten lassen, wenn sie klug sind.
Hallo Jürgen. Ihre liebenswerten Kohlekraftwerke werden durch erneuerbare Energien ersetzt, dass steht fest. Da macht es doch Sinn wie viel Solar oder Windparks ich aufbauen muss um ein Kohlekraftwerk oder mehrere zu ersetzen. Auch die Überschrift wie viele Kohlekraftwerke ich ersetzen kann, wenn jedes Haus eine Solaranlage auf dem Dach hat, ist vollkommen legitim und überhaupt nicht reißerisch, sondern ein ganz normaler Vorgang für die Zukunft. Die Nachfrage nach einer Solaranlage für das Eigenheim ist extrem hoch und wir könnten sicherlich das drei bis fünf fache installieren, wenn genug Fachkräfte und Material vorhanden wäre.
„Mit einer Photovoltaik-Anlage könnten die Haushalte also vier Fünftel ihres Energiebedarfs selbst erzeugen. Heute beträgt die Autarkiequote bei Ein- und Zweifamilienhäusern insgesamt gesehen gerade einmal vier Prozent.“
Mir fehlt hier das Wort rechnerisch oder bilanziell vor den vier Fünftel. Denn für die privaten Haushalt bleibt dennoch das Dilemma das Stromverbrauch und der Peak der Erzeugung nicht zusammenfallen. Ich selbst sehe bei mir wie sich die Kombination Wärmepumpe und pv im gut gedämmten Haus lohnt – allerdings sehe ich auch das trotz 13kwp auf m Dach quasi von November bis Januar kein Strom für Mobilität oder zum einspeisen zur Verfügung steht. Die AutarkieQuote ist im Dezember oder Januar gerade mal bei gut 10 Prozent, im Gesamtjahr ja immerhin bei 50 Prozent bei 4000 kWh/a strombedarf.
Was ich nicht ganz glauben kann das angeblich 16 Prozent aller einfamilienHäuser bereits eine Pv haben, zumindest hier im Nordosten schätze ich den Anteil auf unter 10 Prozent. Dennoch nur mit und Tatendrang, knallt die Dächer zu!
Hallo Nico, im Nordosten liegt der Anteil bei sicherlich unter 5%. Da gibt es noch sehr viele Skeptiker und die meisten warten auch auf das Wasserstoff Auto. Jetzt ziehen aber die Anfragen deutlich an, da die hohen Energiepreise das monatliche Budget an die Grenze bringen. Dafür haben Bayern und Baden-Württemberg sehr hohe Ausbauraten. Deswegen sind die 16% schon richtig. Mit intelligenter Technik und kompletter Sektorenkopplung ist Autarkiegrad von 80% im Jahresdurchschnitt keine Hexerei und auch in der Masse machbar.
Für mich stellt sich die Frage: Wann kommen endlich die Elektroautos für bidirektionales Laden? Wenn man bedenkt welches Potenzial bei 50-70kW pro Auto da an Speicherkapazität möglich wären, insbesondere auch zur Selbstversorgung. Bislang gibt es solche Fahrzeuge kaum. Man hört auch von den Autobauern wenig dazu (ausgenommen asiatische).
E3 DC und VW arbeiten an einer DC Lösung welche aber noch sehr teuer ist. Für VW ist sie international aber besser zu vermarkten. Hier in Deutschland wird sicherlich eine preiswerte dreiphasige AC- Lösung das Rennen machen. In Holland wird schon seit längerer Zeit im Markt getestet und 2023 oder 24 soll die Skalierung starten. Was jetzt auf dem Markt ist, sind 3,6 kWh Ausspeiseleistung auf einer Phase. Damit kann man einen liegengebliebenes anderes E-Fahrzeug versorgen oder Kaffee kochen und den Elektrogrill anschmeißen, aber zur Hausversorgung ist es eigentlich nicht geeignet.
Diese Loesungen gibt es schon, Ernst Gruber hat bereits Beispiele erwaehnt, wenn auch rein auf DC beschraenkt. Ausser V2G (vehicle to grid) gibt es auch V2H (vehicle to house) und V2L (vehicle to load). Insbesondere letzteres kann zum Beispiel via Victron Quattro erschlossen werden. Es muss nicht notwendigerweise DC sein. Auch AC-Kopplung is absolut machbar. Preisguenstig ist letzteres aber auch nicht unbedingt. Es gibt andere Ansaetze, V2L als eine Art USV zu schalten, das benoetigt aber ueblicherweise Nutzeraktion.
Eine DC Wallbox kostet zur Zeit 5000 Euro und muss in der Nähe des E-Autos platziert werden. Die AC Lösung ist wesentlich billiger und wird im Auto verbaut. So kann das E-Auto flexibel als Hausspeicher eingesetzt werden.