Der Patentstreit zwischen Hanwha Q-Cells und verschiedenen Photovoltaik-Konkurrenten spielt sich seit 2019 auf verschiedenen Kontinenten ab. So hat der südkoreanische Hersteller unter anderem in Deutschland, den USA und Australien Klagen gegen Longi Solar, Jinko Solar und REC eingereicht. In den USA ist der Fall dabei gerichtlich schon deutlich weiter fortgeschritten als etwa in Deutschland. Longi Solar erklärte am Donnerstag, dass das US-Berufungsgericht für den Federal Circuit eine Berufungsentscheidung über die Ungültigkeit des US-Patents US9893215B2 von Hanwha Q-Cells kürzlich erlassen habe. Die Richter hätten damit die „Ungültigkeitsentscheidung“ des US-Patent- und Markenamts (USPTO) bestätigt und die Ungültigkeit des Patents festgestellt, heißt es von Longi. Der chinesische Photovoltaik-Hersteller habe damit den Rechtsstreit bei der Internationalen Handelskommission (ITC) der USA als auch das Patentnichtigkeitsverfahren (IPR) gegen Hanwha Q-Cells in dem Land gewonnen.
In Europa hingegen gibt es mittlerweile verschiedene Schauplätze für den Patentstreit zwischen Hanwha Q-Cells und Longi. Während die Berufungsverhandlung in Deutschland noch aussteht, erstrecken sich Verfahren auch auf die Niederlande und Frankreich. Hanwha Q-Cells hatte in erster Instanz vor dem Landgericht Düsseldorf gewonnen. Die Richter entschieden, dass die Konkurrenten ihre Solarmodule, in der die patentrechtlich geschützte Passivierungstechnologie genutzt wird, nicht mehr vertreiben darf und auch bereits verbaute Module zurückrufen sollen. An einem niederländischen Gericht erwirkte Hanwha Q-Cells mittlerweile, dass dieses Urteil in elf europäischen Ländern angewendet wird. Das Berufungsgericht in Den Haag hat nach Angaben von Hanwha Q-Cells erst Mitte Mai in einem Vollstreckungsverfahren ein Urteil erlassen, dass den Umfang der zuvor gegen die niederländische Longi-Tochter verhängte Rückrufaktion bestätigt.
Nach der Bitte von pv magazine nach einem Statement zu diesem Fall verweist Longi Solar auf ein Urteil aus Frankreich von Beginn der Woche. So habe ein nicht näher spezifiziertes Fachgericht in Paris vor einigen Tagen entschieden, dass die von Hanwha Q-Cells im Jahr 2021 in Frankreich durchgeführten Beschlagnahmungen der Solarmodule von Longi Solar rechtswidrig und damit ungültig gewesen seien. Die Richter begründen dies nach Angaben von Longi damit, dass sich Hanwha Q-Cells illoyal verhalten hätte. Sie ordneten demnach die Freigabe und den Rückruf aller von Hanwha Q-Cells rechtswidrig beschlagnahmten und zurückgehaltenen Dokumente und Materialien an, sofern das französische Urteil nicht angefochten oder aufgehoben wird.*
Longi Solar führt weiter aus, dass das französische Gericht das illoyale Verhalten damit begründete, dass Hanwha Q-Cells den Richtern wichtige Informationen vorenthalten habe. Dazu zählten zum einen die Stellungnahme der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (EPA) vom 21. Oktober 2020. Darin ist Longi Solar zufolge die Nichtigkeit des Hanwha-Patents festgestellt worden. Zum anderen habe Hanwha Q-Cells die Information zurückgehalten, dass die entsprechenden Patentansprüche in den USA vom United States Patent and Trademark Office (USPTO) bereits für ungültig erklärt worden waren.
In dem Statement an pv magazine schreibt Longi Solar weiter, dass sofern das Urteil in Frankreich nicht angefochten oder aufgehoben werde, es sofort vollstreckbar sei. Longi werde daher die rechtlichen Möglichkeiten auch für andere damit verbundene Verfahren nutzen, unter anderem das Verfahren in den Niederlanden. „Da ein erheblicher Teil der Beweise von Hanwha in dem niederländischen Verfahren während der französischen Beschlagnahmungen erlangt wurden oder nur aufgrund der illegal beschlagnahmten Dokumente und Informationen erlangt wurden, ist Longi der festen Überzeugung, dass diese Entwicklungen einmal mehr zeigen, dass das niederländische Gericht mit seiner verfrühten Entscheidung im Eilverfahren falsch lag“, erklärt das Unternehmen. „Das Urteil des niederländischen Gerichts, in dem drastische Maßnahmen gefordert wurden, stützte sich zumindest teilweise auf illegal beschaffte Beweise und wurde getroffen ohne eine vollständige Abwägung der Interessen aller Beteiligten und ohne umfassende Kenntnis der der nationalen Gesetze in den Gerichtsbarkeiten, in denen das Patent validiert wurde. Ungeachtet der Rücknahme dieser missbräuchlichen Beschlagnahmungen verursachte das illoyale Verhalten von Hanwha Longi einen irreversiblen Schaden durch die Weitergabe streng vertraulicher Informationen“, so Longi in seinem Statement weiter. Zudem habe Hanwha Q-Cells auch in den Niederlanden notwendige Informationen dem Gericht vorenthalten.
Longi erklärte weiter, Berufung gegen das Urteil in Den Haag vor dem niederländischen Gerichtshof eingelegt zu haben. Dies begründet der chinesische Photovoltaik-Hersteller unter anderem mit den Urteilen zu seinen Gunsten in den USA und Frankreich. Auch habe Hanwha Q-Cells dem Gericht erklärt, dass Module, die aus den Photovoltaik-Anlagen infolge des Patentstreits entfernt werden müssten, an anderen Stellen wiederverwendet werden könnten. Dies sei nach niederländischem Recht aber nicht der Fall, da Solarmodule als dauerhaft und unbeweglich gelten würden. Zudem würde die Entfernung der gebrauchten Solarmodule irreparable Schäden verursachten, so Longi weiter. Longi sei daher der Überzeugung, dass die Entscheidung in den Niederlanden „unfair und unangemessen“ sei – erst Recht vor dem Hintergrund, da Hanwha Q-Cells in dem Land keine Patentrechte besitze, über die vor Gericht gestritten wird.
Ferner sei noch ein Einspruch von Longi beim Europäischen Patentamt EPA anhängig. Dabei gehe es um die Gültigkeit des entsprechenden europäischen Patents EP2220689B1. Auch in Deutschland stehe das Urteil der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung der Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf weiterhin aus. In Bezug auf Australien berichtet Longi Solar, dass sich das Verfahren mit Hanwha Q-Cells über die Nichtverletzung und die Ungültigkeit in der Phase des Beweisaustauschs und der Verteidigung befinde. Der Richter wird den Fall voraussichtlich im vierten Quartal 2022 verhandeln, wie der chinesische Photovoltaik-Hersteller weiter berichtet.
*Anmerkung der Redaktion: Der letzte Halbsatz ist am 24.6.2022 nachträglich auf Bitte von Longi in den Artikel eingefügt worden.
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