EU-Taxonomie: Reaktionen auf Ablehnung von Atomkraft und Gas

Flaggen vor EU Parlament

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Der Wirtschafts- und Währungsausschuss sowie der Umweltausschuss des EU-Parlaments haben am Dienstag den Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission abgelehnt, mit dem diese Atomkraft und Gas als nachhaltig in die Taxonomie aufnehmen wollten  Aus Politik, Wirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen kommen überwiegend positive Reaktionen.

„Yeah, yeah, yeah“, twitterte Luisa Neubauer, Aktivistin bei Fridays for Future. Die Deutsche Umwelthilfe hält die Entscheidung für einen wichtige Etappensieg. Ihr Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte: „Die Ausschussmitglieder haben erkannt, dass die EU-Taxonomie nicht zu einem Feigenblatt für Atomkraft und fossiles Gas verkommen darf.“ Die Organisation hat zudem ein Rechtsgutachten erstellen lassen, wonach der Plan der EU-Kommission ohnehin gegen die Taxonomieverordnung verstoße.

Fraktionsübergreifender Zuspruch

Auch aus anderen Vereinigungen kommen durchwegs positive Stimmen.  Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, spricht von einem starken Signal: „Umwelt- und Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments unterstreichen: Erdgas und Atomkraft sind nicht nachhaltig.“ Selbst Banken und Investoren hätten längst signalisiert, dass eine EU-Taxonomie mit Erdgas und Atomkraft für sie nicht vertrauenswürdig und hinter ihren eigenen Standards zurückbleibt. Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace, unkte: „Wer Gas und Atom nachhaltig nennen will, würde auch Pommes als Salat verkaufen.“

Österreichs Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler sprach von einem sehr erfreulichen Ergebnis. Die Alpenrepublik ist einer der großen Gegner der Brüsseler Kommissionspläne und hatte bereits angekündigt, dagegen zu klagen. Dieser Schritt könnte überflüssig werden, sollte das Vorhaben der Kommission scheitern.

Zuspruch für das Abstimmungsergebnis in den beiden Ausschüssen kommt auch aus vielen Fraktionen im EU-Parlament. Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen, sagte: „Das ist eine erste Klatsche gegen den Versuch der Kommissionschefin von der Leyen, Atomkraft und Gas durch die Hintertür als grün zu deklarieren.“ Der Verfassungsrechtler René Repasi, der für die SPD im EU-Parlament sitzt, hatte bereits im Vorfeld der Abstimmungen erklärt, seine Fraktion werde Nichtigkeitsklage erheben, wenn der Vorschlag der Kommission nicht abgelehnt werde. „Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Vorgehensweise der Kommission.“ Wie er zweifeln auch andere Juristen, dass die Entscheidung über Atomkraft und Gas in einem Delegierten Rechtsakt getroffen werden darf. Ebenfalls erleichtert zeigte sich der CSU-Politiker Markus Ferber. Die Abstimmung bewahre die Glaubwürdigkeit der Taxonomie, stellte er klar. Es sei wichtig, „dass wir heute ein Zeichen für eine glaubwürdige Taxonomie gesetzt haben.“

In politischen Kreisen hieß es vorab, der Druck, Atomenergie als nachhaltig zu bezeichnen, sei nicht mehr so groß wie zu Beginn des Jahres. Denn mittlerweile hätten die Franzosen den Präsidenten ihres AKW-Landes, Emmanuel Macron, wiedergewählt.

VKU skeptisch

Doch es gab auch Kritik. So sagte der Hauptgeschäftsführer des deutschen Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) Ingebert Liebing, der Vorschlag der Kommission sei „unverzichtbar für die schnelle und erfolgreiche Reduzierung von CO2-Emissionen“. Er bezeichnete Erdgas als wichtige Brücke zum Erreichen der Klimaziele. Allerdings argumentieren die Gegner des Rechtsakts, dass Brückentechnologien gerade nicht nachhaltig seien, sondern eben – wie der Name sagt – nur eine Zwischenlösung.

Zwar gilt als sicher, dass der EU-Rat den Vorschlag der Kommission durchwinken wird. Hier müssten 20 der 27 EU-Länder dagegen stimmen, die 65 Prozent der Gesamtbevölkerung umfassen, um den Delegierten Rechtsakt noch aufzuhalten.

Entscheidung im Juli

Dennoch ist Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) optimistisch: „Nun besteht eine ernsthafte Chance, dass dieser Rechtsakt, der an die Finanzmärkte ein fatales Signal senden würde, nicht kommt.“ Denn in rund drei Wochen stimmt das EU-Parlament ab. Dort genügt eine absolute Mehrheit von 353 der 705 Stimmen, um ein bindendes Nein zu erreichen.  Joachim Schuster, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten, ist gespannt: „Bei der Entscheidung des gesamten Europäischen Parlaments wird sich zeigen, wie ernst es den Abgeordneten mit dem Umwelt- und Klimaschutz in Europa wirklich ist.“ (Jochen Bettzieche)

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