Mehr als ein Jahr nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) den Smart-Meter-Rollout mit einer Entscheidung zulasten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf Eis legte, ist wieder Bewegung in das Verfahren gekommen. Am vergangenen Freitag entschloss sich die Behörde zur Rücknahme ihrer strittigen Allgemeinverfügung – auch bekannt als Markterklärung – von 7. Februar 2020 und erließ stattdessen eine Übergangsregelung. „Damit kann der Weiterbetrieb und Einbau intelligenter Messsysteme durch die Messstellenbetreiber fortgeführt werden“, hieß es vom BSI. Zudem sei der bisherige Rollout der intelligenten Messsysteme damit abgesichert.
„Der Entscheidung des BSI zur Rücknahme der alten Allgemeinverfügung vorausgegangen war ein intensiver Abstimmungsprozess, um für die beteiligten Akteure nach der Entscheidung durch das OVG NRW zeitnah Rechtssicherheit wiederherzustellen und die Beschleunigung des Rollouts voranzutreiben“, so das BSI weiter. Dabei sei ein Bündel von Maßnahmen erarbeitet worden, das neben der bereits erfolgten Novellierung des Messstellenbetriebsgesetzes und der Festschreibung des systemischen Ansatzes auch die stufenweise Weiterentwicklung der technischen Standards vorsehe.
In kürzester Zeit seien die Technische Richtlinie TR-03109-1 mit Fokus auf funktionale Interoperabilität überarbeitet (v1.1) und parallel ein formales Konformitätsverfahren etabliert worden. Bis Ende Januar dieses Jahres seien bereits Smart-Meter-Gateways (SMGW) von drei unabhängigen Herstellern durch das BSI zertifiziert worden, hieß es von der Behörde. Sie hätten den Nachweis zur Konformität nach der Technischen Richtlinie erbracht und dienten als Grundlage für den weiteren Rollout. Die Behörde werde nun eine neue Markterklärung vorbereiten, um die Fortführung des Smart-Meter-Rollouts unter Gewährleistung von Sicherheit und Datenschutz zu ermöglichen.
Der Smart-Meter-Rollout war im September 2016 mit dem „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ beschlossen worden. Für Photovoltaik-Anlagen ab 7 Kilowatt Leistung soll der Einbau von intelligenten Messsystemen damit schrittweise verpflichtend sein. Die Verpflichtung kann aber erst mit der Zertifizierung von drei Smart-Meter-Gateways starten, was das BSI im Februar 2020 als erfüllt ansah. Daher verpflichtete es damals die Betreiber von Messstellen, alle Haushalte mit mehr als 6000 Kilowattstunden Jahresstromverbrauch mit einem Smart-Meter auszustatten. In ihrem Eilbeschluss stoppten die Richter des OVG NRW diesen Prozess. Nach dem Urteil wurden die zertifizierten Systeme den Anforderungen des maßgeblichen Messstellenbetriebsgesetzes nicht gerecht. Zudem warfen die Richter dem BSI vor, technische Richtlinien eigenmächtig abgeändert zu haben. Damit habe die Behörde ihre Kompetenzen überschritten.
Die Entscheidung des BSI scheint im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung und damit einer finalen gerichtlichen Klärung zu stehen. Diese war nach Aussage der Kanzlei BBH Becker Büttner Held für diesen Mittwoch vor dem Verwaltungsgericht Köln geplant. Mit der Rücknahme der Marktverfügbarkeitserklärung für intelligente Messsysteme aus dem Februar 2020 komme das BSI nun der Forderung vieler BBH-Mandanten nach. Die Kanzlei hatte das Eilverfahren vor dem OVG NRW für rund 50 Mandanten angestrebt, wo die Richter die Erklärung als „voraussichtlich rechtswidrig“ einstuften. Mit der Aufhebung der Allgemeinverfügung sei das Verfahren nun formal beendet, hieß es weiter.*
Das Unternehmen Tibber, ein Anbieter von flexiblen und dynamischen Stromtarifen, begrüßte die Entscheidung des BSI. „Endlich kann der in Deutschland immer wieder verzögerte Rollout von Smart Metern weitergehen – das ist so dringend wie nie“, erklärte Deutschland-Chefin Marion Nöldgen. Smart Meter in Kombination mit dynamischen Tarifen geben – wie in vielen anderen europäischen Ländern längst üblich – Anreize, Strom dann zu verbrauchen, wenn er besonders grün und günstig ist. Das wird umso relevanter, je mehr steuerbare Großverbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen in privaten Haushalten vorhanden sind.“
*Anmerkung der Redaktion: Die Stellungnahme der Kanzlei BBH haben wir nachträglich in den Artikel aufgenommen.
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„Endlich kann der in Deutschland immer wieder verzögerte Rollout von Smart Metern weitergehen – das ist so dringend wie nie“ , wie bitte???
Der Rollout ist nie gestoppt worden, lediglich die kostenpflichtige Zwangsbeglueckung von Abnehmern war gestoppt worden. Wenn Firmen wie Tibber den Kunden vorteilhafte Tarife anbieten/anboeten, wird denen die Bude von ganz allein eingerannt, von Kunden die gerne ein Smartmeter haetten.
Dazu muesste aber der gesamte Energiemarkt neu strukturiert werden. Und das wiederum moechte keiner, ausser vielleicht den Kunden, welche seit Jahren Rekordpreise zahlen, ohne einen Gegenwert zu bekommen. Die Energiewende wird nahezu ausschliesslich von Privat getragen und die Foerdermittel sind ueberwiegen ueber den Umweg einer EE-Foerderung direkt in die Taschen der konventionellen Energieerzeuger geflossen.
Stimmt genau.
Ich bin von Tibber wieder weg, weil mein dafür nötiges Smartmeter einfach nicht lieferbar war. Der Durchschnittspreis stieg und stieg, und ich konnte den flexiblen Preis gar nicht nutzen.
Es hat fast genau 1 Jahr gedauert, bis es installiert wurde. Jetzt kann ich bald zurück zu Tibber – wenn der Stromliefervertrag rum ist.
Tibber ist die richtige Idee imho, aber zur falschen Zeit.
Solange alles als Graustrom gehandelt wird, bezahlt man zwangsläufig teure Kohle/Gas/Atom/etc mit, und der Preis wird damit zu teuer.
Das Prinzip der Strombörse, wo alles in einen Topf kommt, funktioniert nicht mehr auf Dauer, weil EE die meiste Zeit des Jahres viel günstiger sind und eine andere Kalkulationsmethode hat.
Bei tagelanger stabiler Starkwindlage möchte ich im Norden günstig Strom nutzen, aber das sehe ich nicht bei Tibber. Stattdessen werden die Anlagen abgeschaltet und ich bin wieder gezwungen den überteuerten Kohlestrom zu kaufen.
Das ist ein Problem beim Vorrang von Fossilem und der zentralen Preisfindung. Diese beiden Märkte gehören getrennt. Dann werden die Leute schon sehen, was Kohlestrom wirklich kostet. Vor allem bei realistischer CO2 Einpreisung unter Berücksichtigung aller entstandenen und zukünftigen Schäden, die dadurch entstehen. Prost Mahlzeit.
Ein Smartmeter bietet keinen Mehrwert für private PV Anlagen.
Bei 10,1 kWp Einspeiseanlage gehen etwa 1,2 Cent von 6,25 Cent Vergütung direkt in die Tasche der Netz- bzw. Messstellenbetreiber. Das sind 19,2 % des gesammten Umsatzes bei meist negativen Gewinn.
Anlagen unter 7 kW werden zukünftig wohl kaum erweitert. Dazu kommt der gesetzlich vorgeschriebene Maximalpreis von 120 EUR ab 10 kW als neue Hürde, den viele Messstellenbetreiber schon heute verlangen.
Direktvermarkter können sich nun natürlich freuen, da damit eine große Einstiegshürde gegenüber der EEG Vergütung entfällt.
Der Smartmeter wird ein weiterer Sargnagel für private PV-Anlagen sein.
Bitte stoppt sofort diesen Unfug!
Ein Smartmeter macht dort ökologischen und evtl. ekonomischen Sinn, wo größere Verbräuche anfallen. So angewendet würde er sogar PV als Alternative fördern. Der Wechselrichter bringt in diesem Fall automatisch die Funktion des Smartmeters zur Überwachung und Optimierung des Eigenverbrauchs gebührenfrei mit.
Aus meiner Sicht sind smartmeter in Kombination mit PV eine sehr sinnvolle Option. Ich habe eines und nutze einen dynamischen Stromtarif, sodass ich im Winter bevorzugt Windstrom nutzen kann. Ich kann mit meinem go-echarger automatisiert mit jedem Tiefdruckgebiet günstigst Laden aus dem Netz und ich kann ohne weitere Hardware sogar eine PV-Überschussladung im sekündlichen Intervall machen.
Entscheidend für den Erfolg von smartmetern ist, dass das Strommarkt Design angepasst wird. Es kann nicht sein, dass das letzt produzierende (Gas-)Kraftwerk den Strompreis für alle bestimmt und somit die Kostenvorteile der Erneuerbaren viel zu wenig zum Tragen kommen… und viel zu hohe Preispeaks zustande kommen.
Natürlich gehört da ebenso eine regional-dynamische Komponente hinein, sodass echte Netzdienlichkeit belohnt werden kann. Papa Staat könnte z.B. sehr gut nachvollziehbar Stromsteuer oder Netzentgelt für eine Erzeugung und Bezug in direkter Nähe belohnen… zurzeit ist es absurderweise sogar so, dass ausgerechnet im Norden bei viel Windkraft das Netzentgelt am höchsten ist und solche dynamischen Tarife kaputt macht.
Dennoch… mit 10 Cent Basispreis pro kWh (im Juli ohne EEG-Umlage) plus Börsen-Spotpreis und monatlichen 20 Euro (alles Brutto) habe ich bei meinem Tarif Glück und bin im Gesamten trotz extremen Börsenzickzack etwas im Plus (gegenüber einem Standard Stromtarif)… ich kann mir keine bessere Ergänzung zu meiner PV-Anlage aus ökologischer Sicht vorstellen.
Ein smartmeter mit dynamischen Tarif ist natürlich nur sinnvoll, wenn man die eigene Energiewende bereits abgeschlossen hat und ordentliche Dauerverbraucher wie E-Auto oder Wärmepumpe davon profitieren können….
@Detlef K.: Offensichtlich haben Sie größere Stromverbräuche als ich. Damit ist der Smartmeter für Sie evtl. wirtschaftlich.
Die monatlichen Abschlagszahlungen samt Netzgebühr sind bei mir 14 EUR, da ich trotz BEV auf eine Autarkie zwischen 91% und 96,7% komme. Mit einem Smartmeter müsste ich fast das doppelte zahlen.
Meine Wallbox kann die Einspeisung aus dem Wechselrichter auslesen, benötigt also nicht einmal einen Smartmeter, d.h. auch der technische Gewinne wäre sehr gering.
So lange freiwillig, habe ich nichts gegen Smartmeter. Eine gesetzliche Verpflichtung verdirbt die Preisfindung durch Angebot und Nachfrage und treibt die Kosten für die Energiewende enorm in die Höhe. Es wird nicht lange dauern bis die Messstellenbetreiber um einen Nachschlag bitten. Es ist einfach konstruktiv falsch, dass man hier einen festen Preis statt einer Amortisation eingesetzt hat.
Für mich persönlich wäre Preissicherheit eine wichtige Eigenschaft. Ein Energieversorger könnte z.b. anbieten, dass der Preis im mengengewichteten Tagesmittel nicht teurer als der Basispreis ist und würde damit also keine Verluste machen. Falls die Börse günstigeren Strom anbietet, wäre für Verbraucher und Energieversorger außerdem eine deutliche Win Win Option vorhanden.
Ich habe allerdings meine Zweifel, ob man das Merit-Order-Prinzip kippen könnte. Die Vergütung großer EEG Anlagen ist daran vertraglich gebunden. Außerdem gibt es für das EEG Konto Gewinne und Verluste, die durch Merit Order teilweise ausgeglichen werden. Immerhin liegt die kWh erneuerbare Energie im Schnitt noch immer bei ca. 15 Cent.
Ich finde es sehr traurig, dass wieder einmal die Gewinngier über die Vernunft gesiegt hat: Smartmeter vergrößern auf lange Sicht nur die Marktmacht der Netze und sie machen den Strommarkt durch die möglichen Eingriffe nur anfälliger für Fehler in Software (siehe Debakel bei elektronischen Kassen) und var allem für Digitalangriffe durch kriminelle Hackerbanden oder feindliche Staaten. HÄNDE weg !!!
ist das Smart Meter eigenlich eine kostenlose Leistung des EVU’s oder fällt da eine Gebühr an?
Schauen Sie sich die Preisseiten von transparent arbeitenden Stromlieferanten an, z.B. BEG Freising, Bürgerstrom. Da ist aufgelistet, wie die monatliche Grundgebühr steigt (um mehr als 10€/Monat), wenn der Messstellenbetreiber ein intelligentes Messsystem installiert hat.
Bei intransparenten Anbietern wird Ihnen nur ein Tarif mit verhältnismäßig hoher Grundgebühr angeboten, ohne dass Sie erfahren, warum die so hoch ist.
Wahrscheinlich sind die Grenzen, ab denen diese teuren Zähler eingesetzt werden müssen, viel zu niedrig angesetzt. Die einen (Betonköpfe) machen das, um die Ökos zu ärgern, die anderen (gefühlige Ökos), weil sie glauben, damit könne man den Stromverbrauch im Privatbereich besser dem Stromangebot im Netz anpassen. Es läuft aber immer aufs gleiche hinaus: Hohe Kosten und Sicherheitsrisiken, für sehr wenig Effekt.
Es würde schon reichen, wenn man aus der „muss“- eine „kann“-Regelung macht. Damit vermeidet man, dass wieder eine dieser gläsernen Grenzen entsteht, die trotz guter technischer Möglichkeiten nicht überschritten wird, um bürokratische und ökonomische Erschwernisse zu vermeiden. Dann kann sich jeder überlegen, ob das für ihn sinnvoll ist. Manche Leute müssen einen Fehler ja auch erstmal gemacht haben um zu merken, dass es ein Fehler war. Andere setzen sich vorher auf den Hosenboden, machen sinnvolle Annahmen und Schätzungen auf deren Grundlage sie es sich dann ausrechnen können.
Auf der Gegenseite (dem Verordnungsgeber) läuft es genau so.