„Ich glaube, dass Spiele einen wahnsinnige Multiplikationsfunktion haben können“, sagte Michael Kellner, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, zur Eröffnung der Konferenz „Spielklima“. Auf 15 Veranstaltungen, online und vor Ort, beschäftigen sich von Dienstag bis Freitag Teilnehmer aus verschiedenen Disziplinen damit, wie das Medium Spiel für mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung für Klimawandel und Energiewende sorgen kann. Aber auch, wie es Mechanismen und Lösungsansätze erklären kann. Die Fachbegriffe heißen Serious Games und Gamification. Unter den Teilnehmern sind Vertreter von Energieversorgern, Psychologen, Philosophen, Klimaforscher und Forscher aus dem Bereich erneuerbare Energien – und natürlich Mitglieder der Spielebranche.
Gefragte Produkte
Kellner verweist auf das starke Wachstum des Sektors. In den vergangenen Jahren hat die Nachfrage nach Brett- und Kartenspielen rasant zugelegt, überproportional zum Spielwarenmarkt. Aber Spiele haben laut Kellner nicht nur einen hohen wirtschaftlichen Wert. „Das Medium Spiel leistet eine wertvolle Unterstützung bei der Klimakommunikation“, ist sich der Staatssekretär sicher.
Sebastian Metzger, Leiter Projektentwicklung, Kooperationen und Research und Mitglied der Geschäftsleitung bei co2online, stimmt ihm zu. „Wir können mit Spielen Informationen vermitteln“, sagt der Energieexperte. Informationen, die man über die reine Informationsebene nicht vermitteln kann.
Auch Computerspiele eignen sich für die Kommunikation. „Nach 60 Jahren Entwicklung in der Branche sind wir in der Lage, Welten zu bauen, in denen sich alles denken und umsetzen lässt“, erklärt Linda Breitlauch, Professorin für Gestaltung & Intermedia Design an der Hochschule Trier. Spielen und lernen gehen dabei einher, transformatives Lernen nennt sie das. „Beim Spiel entdecken die Menschen übertragbare Muster und Systeme“, sagt die Wissenschaftlerin. So ist es in der Regel sinnvoller, den Holzfäller nah am Wald zu platzieren, beschreibt sie ein einfaches Beispiel. Der audiovisuelle Ansatz der Computerspiele sei dabei ein zusätzlicher Vorteil. Allerdings kennt sie das Vorurteil, serious gaming sei langweilig. „Das liegt daran, dass viele langweilig sind“, hat sie beobachtet. Positive Wirkung erzielten aber nur Spiele, die Spaß machten.
Am falschen Ende gespart
Tatsächlich passiert es immer wieder, sowohl bei virtuellen als auch bei anfassbaren Produkten, dass eine Nichtregierungsorganisation, ein Versorger, eine staatliche Einrichtung oder ein anderer Akteur ein Spiel auflegt, um eigene Themen der Bevölkerung näher zu bringen – und keinen Spieleentwickler hinzuzieht. Die Folge: Oft hapert es an der Spielmechanik, der Spaß kommt zu kurz, das Spiel wird nicht gespielt, der Aufwand war vergeblich. Damit verschenken die Initiatoren das das Potenzial des Mediums.
Psychologie des Spiels
Psychologen haben untersucht, warum Spiele sich so gut für die Kommunikation eignen. Menschen neigen dazu, psychologische Distanzen zu negativen Themen wie den Folgen des Klimawandels aufzubauen. „Spiele helfen, diese Distanz abzubauen“, erklärt Stefanie Schlösser, Mitglied bei Psychologists for Future. Spiele bieten zudem die Möglichkeit, sich in eine andere Rolle zu versetzen, erklärt ihr Kollege Armin-Laszlo Halbach. Das kann der Eisbär auf der schmelzenden Eisscholle sein oder der Industriemagnat, der die Emissionen seines Unternehmens reduzieren muss. „Damit begebe ich mich in die Rolle des Betroffenen, das fördert die Empathie“, sagt Halbach.
Hinzu kommt die Möglichkeit des Siegs. Wer gewinnt, aktiviert sein Belohnungssystem. Schlösser erklärt den Effekt an einem Beispiel: Wenn ein Mensch Wasser spart, macht er das mehr oder weniger stark. Vergleicht er sich aber mit anderen, beispielsweise über eine App, will er plötzlich der beste Wassersparer werden. „Psychologen nennen das intrinsische Motivation“, sagt Schlösser.
Stromschlucker Computerspiel
Bei Computerspielen sollten Hersteller und Spieler aber aufpassen: Laut Jonas Hansen, Professor für Design und Medientechnologie an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, zählt Gaming in den USA bereits heute zu den größten Energieverbräuchen in privaten Haushalten. Benötigte die erste Konsolengeneration noch rund fünf Watt, liegen aktuelle Geräte bei 200 Watt. „Gaming-Highend-Computer brauchen 700 Watt“, sagt Hansen. Er fordert: „Gamer sollten den eigenen CO2-Fußabdruck betrachten.“ Tatsächlich sollten sich Akteure daher überlegen, wie viel Energie das Spiel benötigt, um Klimawandel und Energiewende den Spielern näherzubringen. (Jochen Bettzieche)
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