Agora Energiewende: Photovoltaik, Windkraft und Energieeffizienz als kurzfristiger Gasersatz

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Bis zum Ausbruch des Ukraine-Krieges galt Gas als „Brückentechnologie“ für die Energiewende in den nächsten Jahren. Doch vor dem Hintergrund möglicher Lieferausfälle von russischem Erdgas muss die Strategie aktuell überdacht werden, wobei Versorgungssicherheit und Klimaschutz gleichermaßen ins Gewicht fallen. Agora Energiewende hat am Donnerstag eine Studie veröffentlicht, wonach mit einer ambitionierten Wärmewende und einem massiven Ausbau von Photovoltaik und Windkraft in den nächsten fünf Jahren der Gasbedarf in Deutschland um rund ein Fünftel reduziert werden könnte. Daneben seien jedoch auch eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz, die Elektrifizierung von Industrieprozessen und Gebäudewärme notwendig, um die Nachfrage nach Gas in Deutschland bis 2027 um etwa 200 Terawattstunden zu senken.

Bei einem akuten Komplettausfall der russischen Gaslieferungen müsste Deutschland trotz europäischer Ersatzstrategie auf einen Schlag rund 290 Terawattstunden Erdgas einsparen, wie die aktuellen Berechnungen zeigen, die Agora Energiewende gemeinsam mit Prognos und dem Wuppertal-Institut erstellt hat. Dann müsste Erdgas in der Strom-, Wärme- und Industrieproduktion durch alternative Brennstoffe ersetzt werden oder die Raumtemperatur um 0,5 bis 1,5 Grad Celsius abgesenkt werden, so die Analyse. Energiesparmaßnahmen und Erneuerbaren könnten vorübergehend den Gasverbrauch um rund 160 bis 260 Terawattstunden senken.

Um Deutschland aus der strukturellen Abhängigkeit von fossilen Energieimporten herauszuführen, braucht es Agora Energiewende zufolge schnelle energiepolitische Entscheidungen. So könnten mit einem Ausbau von 84 Gigawatt Photovoltaik und 44,5 Gigawatt Windkraft, davon 39 Gigawatt onshore, in den nächsten fünf Jahren innerhalb des Stromsystems etwa 50 Terawattstunden Erdgas ersetzt werden. In der Fernwärmeerzeugung könnte zudem eine Kombination von Wärmepumpen, Elektrodenkesseln, Solar- und Geothermie, Nutzung von Abwärme und grünem Wasserstoff Erdgas im Umfang von 27 Terawattstunden einsparen.

„Die Regierung muss nun zusammen mit der Bevölkerung und der Industrie alle Kräfte bündeln, um der fossilen Energiekrise vor allem strukturell zu begegnen“, sagt Simon Müller, Direktor der Deutschlandarbeit von Agora Energiewende. Dafür müsse neben kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur Einsparung von Erdgas umgehend der Ausbau von erneuerbaren Energien und die Wärmewende beschleunigt werden, um Energiesouveränität für Deutschland zu erreichen. „Jede Wärmepumpe, jede Solarzelle und jedes Windrad macht uns unabhängiger von fossilen Energieimporten und hilft zugleich unser 2030-Klimaziel zu erreichen“, sagt Müller.

Der Großteil des Erdgases wird allerdings in Gebäuden verbraucht. Bis 2027 plädiert Agora Energiewende daher für drei Millionen neu installierte Wärmepumpen. „Bei der Sanierungsoffensive müssen wir insbesondere die ineffizienten Ein- und Zweifamilienhäuser anpacken, um schnell substanzielle Einspareffekte zu erzielen“, sagt Müller. „Der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen muss unverzüglich beendet werden. Klare rechtliche Vorgaben müssen mit einer sozial gerechten Förderung kombiniert werden.“ Bis 2027 ließen sich im Gebäudebereich auf diese Weise 55 Terawattstunden Erdgas einsparen.

Für die Industrie wird ebenfalls ein Umstieg auf Wärmepumpen und Elektrokessel sowie Investitionen in Effizienzmaßnahmen bei der Prozesswärme vorgeschlagen. Zudem werde ein schneller Hochlauf von grünem Wasserstoff zentral sein, um die Abhängigkeit der Industrie vom Erdgas zu senken. Das Sparpotenzial liege in diesem Sektor bei 69 Terawattstunden bis 2027.

Insgesamt müsse kurzfristig auch ein Brennstoffwechsel in Betracht gezogen werden, würden die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben. Als Ersatz für Gaskraftwerke käme so neben den Erneuerbaren auch ein Rückgriff auf Kohle und Öl in Betracht.

Immerhin hat Deutschland im vergangenen Jahr 912 Terawattstunden Erdgas verbraucht, davon mussten rund 90 Prozent importiert werden. Russland deckte etwa die Hälfte dieser Importe ab.

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