Was könnten wir von Putin lernen?

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Zugegeben – diese Überschrift mag sicherlich sehr provokativ klingen angesichts des unendlich großen Leids, das dieser autokratische Herrscher momentan über die Bürger der Ukraine bringt.  Trotzdem muss man wohl sachlich konstatieren, auch wenn seine Ziele zweifellos vollkommen falsch, ungerecht und unmenschlich sind, scheint er auf jeden Fall welche zu haben und versucht, sie konsequent zu verfolgen.

Und manchmal müssen wir uns fast fragen, wo ist ein vergleichbarer Weitblick und wo sind langfristige Ziele in unserer Politik? Wann spüren wir bei uns ein aktives Agieren statt ein ständiges Reagieren? Wo ist das Denken über die nächste Wahlperiode hinaus? Das kann man natürlich vielleicht auch den Politikerinnen und Politikern selbst gar nicht unbedingt ankreiden, denn es ist unzweifelhaft eine Schwäche unseres demokratischen Systems, das wir ja eigentlich – vollkommen zu Recht – so sehr schätzen.

Wie viele andere, die diesen Beitrag vielleicht lesen werden, bin ich seit nunmehr über 20 Jahren in der Branche der erneuerbaren Energien tätig. Die Ausbauziele wurden innerhalb der Branche stets konstruktiv diskutiert. Über Ausbaupfade, über zu niedrige Einspeisevergütungen und zu hohe Degressionen und bürokratische Hürden wurde mal zu Recht und mal zu Unrecht diskutiert – in jedem Fall war aber immer das Ziel, die erneuerbaren Energien angesichts der drohenden Klimakatastrophe weiter auszubauen. Und viele werden sich erinnern, dass man diese Ziele meistens nicht mit der Politik, sondern eigentlich oft gegen die Politik, meistens sogar ohne die Politik diskutieren musste. Eigentlich muss man sogar sagen, dass die Branche sie meistens sogar unter sich diskutieren musste, weil die allermeisten Veranstaltungen gar nicht durch den Besuch eines zuständigen Politikers oder gar Ministers gewürdigt wurden.

Wer wagte sich schon jemals in die Höhle des Löwen der Erneuerbaren-Branche, außer wenn er oder sie im wörtlichen Sinne beim Losen den Kürzeren gezogen hatte?  Einige damals schon weit blickende Personen und Persönlichkeiten, insbesondere die Väter des EEG muss man hier natürlich ausnehmen. Aber Minister in Bad Staffelstein? Nie! Auch bei Veranstaltungen in Berlin war der Weg für die zuständigen Minister wohl immer zu weit.

Wenn nun ein Christian Lindner heutzutage sagt, erneuerbare Energien seien Freiheitsenergien, dann soll er bitte auch dazu sagen, dass er gerade diese Energien sowohl im Bundestag als auch bei jeder anderen denkbaren Gelegenheit, sei es bei einer Anne Will oder bei einem Markus Lanz, unter dem Deckmantel der Marktfähigkeit stets bis aufs Messer bekämpft hat. Trotzdem darf natürlich auch er seine Meinung ändern, man kann nur hoffen, dass es auch dabei bleibt. Denn erneuerbare Energien, seien wir doch mal ehrlich, konnten sich am Markt alleine vom Systemdesign her am Anfang nicht selbst behaupten. Denn solange der Verbrauch fossiler Energien die Folgekosten nicht einschließt, ist dieser Vergleich ganz einfach nicht fair. Es wird immer billiger sein, noch das letzte Stück Kohle zusammenzukratzen, so lange bis eben nichts mehr da ist.

Eine Folge dieser Politik ohne Weitblick war ein fast komplettes Ende der industriellen Modulproduktion in Deutschland. Und auch noch heutzutage muss man sich fragen, wieso etwa ein Eicke Weber Initiativen wie die Wiederbelebung einer Modulproduktion in Deutschland als Einzelkämpfer vorantreiben muss und wieso die Politik nicht viel mehr dahinter steht?

Mit zur Politik muss man natürlich auch Bürokratie und Ämter zählen. Betrachten wir doch einmal das Bundeskartellamt. Würden sich morgen Puma und Adidas zusammenschließen, so wäre das für das Kartellamt ein Affront sondergleichen, es könnten ja Kunden mit überteuerten Turnschuhen benachteiligt werden! Mit Bayer und Monsanto hatte man damals aber schon weniger Probleme. Dafür hatte man aber – ein anderes Beispiel – erfolgreich dafür gesorgt, dass beispielsweise Bayern einen Großteil seiner Wasserkraftwerke nach Österreich verkaufen musste – aus kartellrechtlichen Gründen. Schade eigentlich! Nun sind überteuerte Turnschuhe vielleicht für den Einzelnen aber doch weniger kritisch als unbezahlbare Energiekosten.

Aber das Bundeskartellamt und auch die ganze deutsche Politik hatten scheinbar auch nichts dagegen einzuwenden, dass etwa der größte deutsche Erdgasspeicher ganz einfach mal an die Gazprom verkauft wurde. Ein Gasspeicher, ein Hoffnungsträger der von jedem Politiker so oft in den Mund genommenen „Power2Gas-Strategie“! Also genau das Element, das uns ja über längere Zeitspannen eine kontinuierliche Versorgung unabhängig von Lieferschwankungen und wenn möglich von politischen Instabilitäten garantieren sollte. Ein russischer Speicher auf unserem deutschen Grund und Boden. Auch das ist wieder ein bedeutendes Beispiel, wie uns ein Wladimir Putin jeden Tag neu vorführt. Es macht uns deutlich, dass er die momentanen Entwicklungen schon von langer Hand geplant hat. Denn er hat ja schon Monate zuvor die deutschen Gasspeicher gezielt leerlaufen lassen, um uns nun besser erpressen zu können. Das war uns aber zunächst nicht mehr wert als ein paar Zeilen in der Presse nach dem Motto „die deutschen Gasspeicher haben in diesem Jahr einen ungewöhnlich geringen Füllstand“. Hinterfragt haben wir das nicht, aber nun sehen wir sowohl die Gründe für dieses Handeln als auch die Folgen.

Noch mehr: Ganz unabhängig von der momentanen Versorgungskrise stellt sich ja auch die Frage, worauf wir denn das viel diskutierte und viel gepriesene „Power2Gas-Modell“ und die saisonale Speicherung denn in Zukunft aufbauen wollen, wenn uns die Gasspeicher gar nicht mehr selber gehören? Rechnen wir vielleicht  damit, dass uns ein Herr Putin diese Speicher bereitwillig zur Verfügung stellt, damit wir uns von ihm und seinen Gaslieferungen unabhängiger machen? Wie naiv sind wir eigentlich?

Momentan stehen diese Fragen auch sicher nicht mit erster Priorität zur Diskussion, denn momentan tobt ein Krieg – mitten in Europa. Apropos Krieg, wie geht es unserer Bundeswehr? Sehr schnell haben wir beschlossen, 100 Milliarden Euro zu aktivieren, das ist aber auch nur etwa doppelt so viel, wie wir auch die letzten Jahre in die Bundeswehr hineingesteckt haben. Es ist nur die Frage, wie viel davon im Beraterleistungen, wie viel in Verwaltung und wie wenig tatsächlich in die Ausrüstung der noch verbliebenen Mannschaft geflossen sind. Angesichts all dieser Entwicklungen, muss man sich fast fragen, warum nicht Berater sogar auf die grandiose Idee gekommen sind, dass man Panzer oder Flugzeuge vielleicht ja gar nicht selber kaufen muss? Man könnte  sie ja vielleicht einfach leasen? Beispielsweise in Russland oder China oder auch in Katar. Die Idee mag fast kurios klingen, aber Gasspeicher und kritische Versorgungsinfrastruktur zu verkaufen, klingt ja auch nicht wesentlich vernünftiger.

Man kann nur hoffen, dass die aktuellen Entwicklungen das bewirken, was wir im Hinblick auf die nächste Krise – die Klimakrise – dringend brauchen: Mehr Weitblick in der Politik, aber auch Bürger, die das würdigen und schätzen!

Und gerade die Erneuerbaren-Branche würde sich wünschen, dass die Politik sie endlich nicht mehr als Gegner, sondern als Verbündeten betrachtet, dass unabhängige Wissenschaftlicher und Wissenschaftlerinnen in den Ministerien aus- und eingehen und nicht Lobby-Vertreter, dass wir ausreichend Wertschöpfung und Produktion in unserem Land behalten, und damit nicht mehr vollkommen abhängig und erpressbar werden. Und dass wir all das in Zukunft als gemeinsame Aufgabe betrachten und diese große Herausforderung endlich annehmen. Unsere Kinder werden es uns danken!

— Der Autor Hans Urban hat den Solarbereich bei Schletter aufgebaut. Seit seinem Ausscheiden aus der dortigen Geschäftsleitung ist er als Berater tätig. Zudem hält er deutschlandweit Vorträge zu Themen rund um erneuerbare Energien und Elektrombilität. —

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