Im Frühsommer dieses Jahres wird das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm das nach eigenen Angaben größte unabhängige Testfeld für Brennstoffzellen in Europa eröffnen. Direkt daneben haben die Forscher nun den ersten Spatenstich für eine neue Brennstoffzellen-Forschungsfabrik namens „HyFaB-2“ gesetzt: Auf 3.000 Quadratmetern wollen die Wissenschaftler gemeinsam mit der Industrie Fertigungsverfahren für Brennstoffzellenstapel und dessen Komponenten unter seriennahen Bedingungen entwickeln und verbessern. Zudem entstehen dort Seminar- und Büroräume. Die Fabrik soll im Juni 2023 in Betrieb gehen.
Das Land Baden-Württemberg fördert den Bau der HyFaB-2 mit 7,75 Millionen Euro aus europäischen Fördermitteln des Covid-19-Recovery Fund (REACT-EU). Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wiederum sieht eine Projektförderung unter Industriebeteiligung von bis zu 30 Millionen Euro für die HyFaB vor, von denen in diesem Jahr bis zu 10 Millionen Euro bewilligt werden sollen. An der Spatenstich-Feier haben auch Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) teilgenommen.
Den Schwerlastverkehr im Visier
Mit der neuen Forschungsfabrik will das ZSW Firmen unterstützen, in den Brennstoffzellen-Massenmarkt einzusteigen. „In der HyFaB treibt das ZSW mit Unternehmen aus der Komponenten- und Zulieferindustrie die beginnende Serienproduktion von Brennstoffzellen-Stacks voran“, sagt Markus Hölzle, Leiter der ZSW-Aktivitäten in Ulm. „Mit HyFaB-2 entsteht eine weltweit einzigartige Modellfabrik, die es erlaubt, einzelne Prozessschritte für verschiedene Brennstoffzellen-Stack-Designs oder Hersteller voneinander unabhängig zu entwickeln.“
Das ZSW hat als Einsatzfeld für die Brennstoffzellen besonders den Schwerlastverkehr im Visier. Dafür wollen die Wissenschaftler in der neuen Forschungsfabrik mit der Automobil- und Brennstoffzellen-Zulieferindustrie genauso zusammenarbeiten wir mit Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Neben Herstellprozessen sollen auch Fachkräfte qualifiziert und Branchenwissen generiert werden. Außer dem ZSW sind das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) als ausführende Partner am HyFaB-Projekt beteiligt.
„In Baden-Württemberg sind deutschlandweit die mit Abstand leistungsfähigsten Industriefirmen im Bereich der Brennstoffzelle angesiedelt. Mit dem HyFaB-Projekt bietet das ZSW diesen Unternehmen eine einzigartige Plattform, die von der Produktion über die Testung bis hin zur Schulung Angebote für gemeinsame Projekte bereitstellt“, freut sich Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Das HyFaB-Projekt werde einen großen Beitrag dazu leisten, damit Brennstoffzellen in Deutschland im industriellen Maßstab produziert werden können.
ZSW erhält weitere Förderungen für Wasserstoff-Projekte
Darüber hinaus wird das ZSW seine Forschungsinfrastruktur im Bereich Wasserstoff-Erzeugung und eFuels am Standort Stuttgart weiter ausbauen. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg stellt dafür Fördermittel in Höhe von über vier Millionen Euro aus dem Programm „REACT-EU“ zur Verfügung. Die Erweiterungen der Forschungen am ZSW betreffen vor allem drei Bereiche: Elektrolysesystem- und Elektrolyseprüftechnik, Recyclingtechnologien für die Erzeugung von Wasserstoff aus Kunststoffabfällen sowie Direct Air Capture-Technologien zur CO2-Gewinnung aus Luft als Grundlage für die Synthese von kohlenstoffbasierten synthetischen Kraftstoffen (eFuels).
Konkret will das ZSW mit dem Projekt HyGenLab (Hydrogen Generation Labor) seine Laborinfrastruktur im Bereich von Schlüsseltechnologien zur Wasserstofferzeugung erweitern, um die Entwicklung für die Industrie zu beschleunigen. Das betrifft insbesondere die Elektrolysetechnologie. „Unser Ziel ist es, innovative Ansätze für die Technologieskalierung zu entwickeln und der Industrie standardisierte Testmöglichkeiten anzubieten, um den Markthochlauf der Wasserstofftechnologien zügig voranzutreiben“, so Marc-Simon Löffler, Fachgebietsleiter Regenerative Energieträger und Verfahren bei ZSW. Das sei die Voraussetzung für den Übergang zur Serienfertigung von Elektrolyseuren bis in den Multi-Megawatt-Maßstab. Die Erweiterung der Laborinfrastruktur, die bis Mitte 2023 am ZSW abgeschlossen sein soll, umfasst neben verschiedenen Elektrolyseprüfständen vom Kilowatt- bis in den Megawatt-Maßstab auch Messtechnik und Analysegeräte für die Qualitätssicherung von Bauteilen und Komponenten für Elektrolyseure. Hierzu zählt unter anderem die standardisierte Handhabung der mehrere Tonnen schweren Elektrolyseblöcke.
Weil viele Unternehmen in die Wasserstoff-Produktion einsteigen werden, rechnet Löffler damit, dass der Testbedarf für die Hersteller von Elektrolyseuren und deren Komponenten signifikant zunehmen und damit auch die Anforderung an das Qualitätsmanagement steigen wird. Das ZSW betreibt am Standort Stuttgart bereits ein Testfeld für Alkalische Elektrolyseure. Für die Zukunft ist der Aufbau eines Elektrolysetestzentrums geplant.
Wasserstoff aus Kunststoffabfällen
Neben dem Bereich Elektrolyse soll das HyGenLab auch mit einer Hochtemperatur-Prozesstechnik für die Erforschung der Pyrolyse von Kunststoffabfällen ausgestattet werden, um mit dieser Technik Wasserstoff zurückzugewinnen. Die Pyrolyse ist ein thermochemischer Umwandlungsprozess, in dem organische Verbindungen bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten werden. Mit der Laborerweiterung sollen verschiedene Recyclingtechnologien für umweltfreundliche und nachhaltige Kreisläufe entwickelt werden. Dazu gehören unter anderem Verfahren, um CO₂-neutralen Wasserstoff und festen Kohlenstoff aus nichtsortenreinen Kunststoffabfällen zu erzeugen. Dabei fallen die CO₂ Emissionen weg, die ansonsten bei der Verbrennung von Kunststoffabfällen entstehen. Voraussetzungen für die CO₂-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs in fester Form.
Der dritte Schwerpunkt des HyGenLab betrifft die Umwandlung von Wasserstoff in eFuels. Für den Syntheseprozess wird mittel- bis langfristig die Bereitstellung von CO₂ aus der Luft notwendig sein. Das gilt insbesondere für Produktionsstandorte in Wüstenregionen, die über keine anderen CO₂-Quellen verfügen. „Wir wollen unsere bereits bestehende Testinfrastruktur im Bereich Direct Air Capture (DAC) weiter ausbauen, um DAC-Technologien für eine effiziente, kostengünstige und in große Maßstäbe skalierbare CO₂-Bereitstellung aus der Luft zu entwickeln. So können wir den Markthochlauf und die Industrialisierung dieser Zukunftstechnologie unterstützen“, erklärt Löffler.
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