Ein Loch ist im Eimer, Karl-Otto, Karl-Otto…

Erdgas

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Ab 2024 will Norwegen nach einem Bericht in der „taz“ große Mengen CO2 – insbesondere aus industriellen Quellen – 100 Kilometer vor der Küste und 3 Kilometer unter der Nordsee in eine ausgeförderte Erdgas-Lagerstätte verpressen. Das Vorhaben eignet sich für wunderschöne Grafiken: 50 Jahre lange hat Norwegen von der Gasförderung profitiert. Nun vervollständigt es seinen Service, indem es das unerwünschte Verbrennungsprodukt CO2 zurücknimmt und entsorgt. So schließt sich der Kreis.

Die technische Infrastruktur für Transport und „Injektion“ des CO2 befindet sich – auf hohem Qualitätsniveau – im Aufbau. In den Darstellungen ausgeblendet wird allerdings die Frage der Dichtigkeit der als „Speicher“ bezeichneten geologischen Strukturen. Die Befüllungstechnik ist ausgereift, ob die Gasflasche Löcher hat, interessiert jedoch nicht? Klingt nach Schildbürgerstreich – und ist es auch! Denn die sogenannten geologischen Speicher haben definitiv Löcher: Die Bohrungen, durch welche das Erdgas hochgeholt und gleichzeitig Platz für das CO2 geschaffen wurde.

So teilte das Institut Geomar bereits Mitte 2019 mit: „In den letzten Jahrzehnten wurden … mehr als 10.000 [Greenpeace: 15.000] Bohrungen in den Meeresboden der Nordsee niedergebracht, um Öl und Gas zu fördern. An vielen dieser Bohrlöcher tritt Methangas … aus, da die umgebenden Sedimente während des Bohrprozesses mechanisch gestört und geschwächt wurden. Kohlendioxid, das in der Nähe solcher Bohrlöcher gespeichert wird, könnte die Speicherformationen ebenfalls verlassen, ins Meerwasser entweichen und schließlich in die Atmosphäre zurückkehren.“

Das ist der grundlegende Pferdefuß der ganzen geologischen CO2-Speicherung: die „Speicher“ sind nicht dicht und können es auch gar nicht sein. In den 46 Paragraphen des deutschen CCS-Gesetzes kommen die Begriffe „Leckagen und erhebliche Unregelmäßigkeiten“ mindestens 20 Mal vor. Der Referentenentwurf verdeutlichte: „Die Leckagedefinition erfüllen sowohl geringfügige ‚schleichende‘ Leckagen als auch plötzlich auftretende große Leckagen.“ Das Gesetz verlangt, diese unverzüglich zu beseitigen. Wie das technisch realisierbar sein soll, wird nicht gesagt.

Wie könnte es auch! Am 21. November 1990 wurde 200 Kilometer vor der Küste Schottlands versehentlich eine Methanblase angebohrt. Seit nunmehr 32 Jahren entweichen dort pro Sekunde 1000 Liter Methan. Vermutlich wegen Aussichtslosigkeit hat man nicht einmal versucht, die Öffnung abzudichten oder zu verkleinern. Man beruhigt sich damit, dass das Methan aus dem Blowout nur einen Anteil von einem Prozent des insgesamt unter der Nordsee aus undichten Bohrlöchern und natürlichen Wegsamkeiten entweichenden Methans ausmachen würde.

Die CCS-Lobby selbst hebt das Thema „Leckagen“ hervor: Nach der von ihr initiierten und im Januar 2014 vom EU-Parlament verabschiedeten CCS-Resolution soll der Betreiber im Fall von Leckagen keine CO2-Zertifikate zurückgeben müssen, da er durch seine „kostenintensiven Abhilfebemühungen“ schon genug benachteiligt sei und andernfalls das Interesse an CCS-Projekten schwinden könnte. Um mit der Problematik möglichst nichts zu tun zu bekommen, soll die Haftung für gefüllte Speicher frühzeitig auf den Staat, der sie genehmigt hat, abgeschoben werden.

Weil mit Leckagen sicher zu rechnen ist, wurde die CO2-Speicherung onshore abgeblasen. Hier wäre nämlich die Wahrheit im wahrsten Sinn des Wortes herausgekommen: Die Bevölkerung hätte nicht nur mitbekommen, dass Grundwasser kontaminiert wird, sondern auch, dass das unsichtbare und geruchlose CO2, welches  bei Konzentrationen im Prozentbereich schwerer als Luft ist, sich in Senken sammelt und dort zum Ersticken führt.

Indem man aufs Meer ausweicht, schafft man sich diese Probleme vom Hals. Denn welche Bürgerinitiative könnte herausfinden, wo aus dem Meeresgrund CO2 hervorblubbert, geschweige denn Demonstrationen auf See organisieren?

Das Motiv, das den norwegischen Staat treibt und veranlasst, das CCS-Projekt zu 80 Prozent zu finanzieren, dürfte an erster Stelle denn auch nicht unbedingt der Klimaschutz, sondern pekuniärer Art sein: Zurückgehende Gewinne aus dem Gasgeschäft sollen durch Einnahmen aus der CO2-Verpressung kompensiert werden. Hierfür ist es natürlich bedeutungslos, ob das CO2 dauerhaft im Untergrund verbleibt, oder die Verpressung nur eine Umleitung auf seinem Weg in die Atmosphäre darstellt. Auch peilt man in Norwegen schon die Möglichkeit an, die CO2-Verpressung als Feigenblatt für eine längerfristige Fortsetzung der Öl- und Gasförderung zu benutzen.

Auch in dänischen Gewässern wird ein CO2-Verpressungsprojekt geplant. Angestoßen von der „Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.“  hat die Landesregierung Schleswig-Holstein den Nachbarstaat darauf hingewiesen, dass es hierfür einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bedarf, an der Schleswig-Holstein zu beteiligen ist. Dem will Dänemark nachkommen.

Man kann nur hoffen, dass hierbei der Tatsache, dass sich das mit hohem Druck verpresste CO2 über viele Kilometer seitlich ausbreitet und dass in solch riesiger Fläche Wegsamkeiten nach oben mit Sicherheit vorhanden sind, Rechnung getragen wird.

Die Wiederherstellung eines gesunden Klimas auf der Erde erfordert nicht nur den Stopp der Treibhausgas-Emissionen, sondern auch eine Minderung des bereits viel zu hohen CO2-Gehaltes der Luft. Technische Rückholmaßnahmen sind mit ungeheurem Aufwand an Energie und Material verbunden und bieten als Endstation für das CO2 meist besagte „geologische Speicherung“ an.

Dabei könnte man die Arbeit der natürlichen Photosynthese mit ihren vielfältigen positiven Begleiterscheinungen überlassen. Man sucht nach Möglichkeiten, CO2 für die Herstellung sinnvoller Materialien zu nutzen. Das sinnvollste Material, das durch CO2 hergestellt werden kann, dürfte das Holz sein! Wie seine Einsatzmöglichkeiten als Baumaterial in den letzten Jahren erweitert wurden, führt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in dem Artikel „Gebäude können zu einer globalen CO2-Senke werden mit dem Baustoff Holz statt Zement und Stahl“ aus.

Am Ende der Holznutzung muss darauf geachtet werden, dass der in ihm eingelagerte Kohlenstoff durch Verbrennung oder Verrottung nicht wieder als CO2 in die Atmosphäre gelangt. Dies wird dadurch vermieden, dass das ausgediente Holz dauerhaft unter Luftabschluss, also unterirdisch, gelagert wird. Hierfür bieten sich stillgelegte Tagebaue und Bergwerke an. Auf diese Möglichkeit hat Fritz Scholz, Professor an der Universität Greifswald, bereits im Jahr 2008 hingewiesen.

Warum also den gefährlichen, teuren und letztlich erfolglosen Versuch unternehmen, lebensfeindlichen Auswirkungen der Technik durch noch mehr Technik zu begegnen? Besinnung auf die Natur ist gerade auch für die CO2-Rückholung dasjenige, was in die Zukunft weist.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung,  Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —

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