RWTH Aachen: Einkommensabhängige EEG-Umlage gesellschaftlich besser als ersatzlose Streichung

Solaranlage auf einem Hausdach unter dem strahlend blauen Himmel

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Der Strom könnte bald sieben Cent pro Kilowattstunde günstiger werden, denn die Tage EEG-Umlage sind gezählt. Nachdem Olaf Scholz am Mittwoch zum Bundeskanzler vereidigt wurde und die neue Regierung damit ihre Arbeit aufnehmen kann, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass die Umlage, wie schon vor den Wahlen von den drei Regierungspartnern angekündigt, zum Jahr 2023 abgeschafft wird. Forschende am Lehrstuhl für Energieökonomie der RWTH Aachen haben sich mit den sozio-ökonomischen Folgen der EEG-Umlage und unterschiedlichen Reformoptionen befasst. Das Ergebnis: Die Abschaffung wäre nicht das effektivste Mittel, die Einkommensungleichheit und Energiearmut zu reduzieren.

Die Gruppe um Aaron Praktiknjo, der den Lehrstuhl für Energiesystemökonomie an der RWTH Aachen leitet, untersuchte, welchen Effekt die EEG-Umlage auf die Verteilung von Wohlstand in der Gesellschaft und auf Energiearmut hat. Die Wohlstandsverteilung wurde gemäß des Gini-Koeffizienten ermittelt. Für die Energiearmut wählten die Forschenden den „High cost low income“ (HCLI) Indikator. Beides sind gängige Mittel in sozio-ökonomischen Forschungsfeldern. Für die Untersuchung hat die Gruppe Daten zu Energie und Einkommen von 40.000 Haushalten für den Zeitraum von 2003 bis 2018 analysiert.

Zunächst wird in der Studie festgehalten, dass die deutschen Haushalte im europäischen Vergleich einen sehr hohen Strompreis zahlen. 2003 noch lag der Preis bei durchschnittlich 17,19 Cent pro Kilowattstunde, doch 15 Jahre später waren es bereits 31,94 Cent pro Kilowattstunde. Folglich sind die Strompreise um etwa 71 Prozent angestiegen, wovon 37 Prozent auf die EEG-Umlage zurückzuführen seien, schreiben die Forschenden in ihren Studienergebnissen. Der Gini-Koeffizient, mit dem sich die ungleiche Verteilung von Wohlstand in einer Gesellschaft quantifizieren lässt, verschlechtert sich im Sinne einer ungleichen Verteilung um 0,23 Prozent, nur durch die EEG-Umlage, schreiben die Aachener Forschenden. Die Energiearmut nach dem HCLI-Indikator nahm demzufolge um 11,3 Prozent zu.

„Sie [die EEG-Umlage, Anm. der Red,] war äußerst wirksam für den bisherigen Erfolg der Energiewende. Allerdings können wir einen signifikanten negativen Effekt auf den Gini-Koeffizienten messen, der die Schere zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten abbildet“, analysiert Aaron Praktiknjo, Professor am Lehrstuhl für Energiesystemökonomik. „In Deutschland fallen infolge der einkommensunabhängigen EEG-Umlage rund 40.000 Haushalte zusätzlich unter die Armutsgefährdungsschwelle.“

Jetzt soll die Umlage weichen und so würden die Energiepreise um etwa 6 bis 7 Cent fallen. Praktiknjo und sein Team haben untersucht, welche Auswirkung das Wegfallen der EEG-Umlage auf den Gini-Koeffizienten und den Energiearmutsindikator hat. Darüber hinaus überlegten sich die Forschenden noch, ob es möglich wäre, eine einkommensabhängige EEG-Umlage zu verrichten. Dafür wurden noch sie Effekte einer einkommensprogressiven und einer einkommensdegressiven Umlage analysiert und mit den Werten der Abschaffung der EEG-Umlage verglichen. Dabei gab es die Option, die EEG-Umlage in Abhängigkeit der Höhe der Einkommensteuer zu stellen. Diese Variante nannten die Forschenden einkommensprogressive EEG-Umlage. Die Variante, bei der eine gleichbleibend hohe Umlage zu entrichten ist, bei der aber die Möglichkeit besteht, durch die Steuererklärung einen Teil des EEG-Umlage als Gutschrift zurückzuerhalten, wurde einkommensdegressive EEG-Umlage genannt.

Die Analyse der Daten zeigt, dass das Wegfallen der EEG-Umlage den Gini-Koeffizienten um 0,23 Prozent verbessern würden. Die einkommensprogressive Variante würde diesen Wert sogar um 0,32 Prozent verbessern und die einkommensdegressive Variante würde die ungleiche Verteilung von Wohlstand um 0,59 Prozent verringern. Der Grund warum die einkommensabhängigen Varianten besser abschneiden liegt darin, dass einkommensstarke Haushalte durch effizientere Elektrogeräte und eigene Photovoltaik-Anlage gegensteuern können. Einkommenschwache Haushalte hätten kaum solche Möglichkeiten und wären komplett von den Strompreisen der Energieversorger abhängig.

Auch bei der Energiearmut lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Varianten erkennen. So berechneten die Forschenden, dass durch die ersatzlose Streichung der EEG-Umlage die Energiearmut nach dem HCLI-Indikator um 11,3 Prozent abnehmen würden. Führte die neue Bundesregierung stattdessen eine einkommens-progressive EEG-Umlage ein ließe sich die Energiearmut um 30,45 Prozent senken. Bei der einkommensdegressiven Variante war es eine Verringerung von 31,45 Prozent, die die Forschenden berechneten. „Rund 30.000 Haushalte weniger lägen bei unserem Vorschlag unter der Armutsgefährdungsschwelle im Vergleich zur geplanten Abschaffung der EEG-Umlage“, so Jan Priesmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Energiesystemökonomik. „Das durch die Gutschrift zusätzlich verfügbare Kapital könnte in energieeffizientere Geräte investiert werden.“

Die Ergebnisse der Forschungsgruppe erschienen in einem sogenannten Preprint, also einer Vorab-Veröffentlichung und können hier in englischer Sprache nachgelesen werden.

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