Vor gut einem Jahr verlieh unsere Jury den Gründern von Charge@Friends ein pv magazine spotlight. Eine Auszeichnung für Ideen, die großes Potenzial versprechen. Ein Jahr später haben wir bei Mitbegründer Ralf Kinauer nachgefragt, wie sich seine Idee, private Ladestationen öffentlich für Fahrer von Elektroautos zugänglich zu machen, entwickelt hat.
„Wir haben im vergangenen Jahr vor allem daran gearbeitet, dass unsere Software und damit das Backend für unsere unterschiedlichen App-Versionen problemlos läuft“, sagt Kinauer, der seine Leidenschaft für Charge@Friends als Elektroautofahrer und aus seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer der Photovoltaik-Firma Soluwa GmbH entwickelt hat. Neben ihm gehören die beiden Unternehmer Rainer Linder und Alexander Marseille zum Gründer-Team.
„Die Entwicklungsarbeiten der App haben sich aufwändiger als gedacht herausgestellt, da wir unterschiedliche Versionen berücksichtigen mussten“, erzählt Kinauer. So muss die App von Charge@Friends einmal für Wallboxen, die nur einfach Laden können, und auch für Wallboxen, die mit einer OCPP-Schnittstelle ausgestattet sind, geeignet sein. Aus Sicht der Elektroautofahrer war es natürlich auch notwendig die App für IOS- und Android-Nutzer verfügbar zu machen. „Jetzt sind wir seit gut zwei Wochen offiziell im Markt verfügbar“, sagt Kinauer weiter. Seit Mitte November kann die App in den Stores heruntergeladen werden und zudem können sich alle Wallboxbesitzer auf der Website von Charge@Friends mit ihren eigenen Wallboxen registrieren.
Die Registrierung der eigenen Wallbox ist ganz einfach und benötigt nur etwa zehn Minuten, wie das Feedback der bisher registrierten User zeigt. Dabei unterstützen Kinauer und seine Mitgründer die Wallboxen-Besitzer nach Kräften. Zudem gebe es noch viele Interessenten auf der Warteliste, die nun sukzessive kontaktiert und registriert würden. Nach der Entwicklungsphase mit 10 Teststationen seien jetzt 15 Ladesäulenbesitzer registriert. Rund 50 „Friends“ nutzten mittlerweile das Angebot, ihre Elektroautos bei diesen zu laden.
Welche Wallbox soll es sein?
In der pv magazine Übersicht zu Wallboxen und Ladesäulen finden Sie übr 50 technische Details zu über 120 Produkten und in der begleitenden Magazinausgabe einen Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Es zahlt sich aus, dass das Team von Charge@Friends bereits viele eigene Tests und Ladevorgänge bis zur kompletten Belegerstellung durchführen konnte. Dabei sind weitere interessante Feature entstanden, die die Nutzung der App zukünftig noch komfortabler gestalten werden, erklärt Kinauer. So soll es für die Besitzer der Wallboxen möglich werden, unterschiedliche Tarife anbieten zu können. Für Besitzer von Photovoltaik-Anlagen wird es damit noch attraktiver, ihren Solarstrom über einen „Sunshine-Tarif“ tagsüber günstiger anzubieten und in der Nacht dann auf den höheren „Moonshine-Tarif“ umzustellen.
Gleichzeitig läuft auch die Suche nach einem passenden Investor auf Hochtouren. „Die ersten Gespräche gibt es bereits“, sagt Kinauer. Oftmals gestalteten sich die Gespräche schwieriger, gerade dann, wenn Investoren, nicht aus den Bereichen erneuerbare Energien oder Elektromobilität kommen, und die Chancen und den Nutzen der Selfservice-Plattform für Elektromobilität nicht sähen. Die ersten Umsätze über die Plattform, verbunden mit einem wachsenden Bekanntheitsgrad im Markt der Elektromobilität stimmen die Gründer jedoch positiv, den genannten Investor jetzt auch zu finden.
Auf der Habenseite von Kinauer und seinen Mitgründern steht auf jeden Fall, dass ihr System die technische Reife bereits erwiesen hat. Gemeinsam mit einem Investor will Kinauer dann richtig durchstarten, denn das Team von Charge@Friends will seine Idee zum Bespiel auch in die Hotel- und Gaststättenbranche bringen. „Gerade wegen des implizierten und sehr einfachen Abrechnungssystems könnte es gerade für diese Bereichen und auch bei anderen Gewerbeunternehmen interessant sein, ihren Kunden während des Aufenthalts auch das Laden der Elektroautos über ihre Elektroladesäulen zu ermöglichen.“
So funktioniert die Abrechnung
Kinauer beschreibt das Abrechnungsszenario für einfache Ladesäulen wie folgt: Die Besitzer müssen zusätzlich nur noch einen geeichten Zähler installieren, wenn sie nur eine einfache Wallbox ohne OCPP-Schnittstelle haben. Die „Freunde“, die ihre Elektroautos laden wollen, können die Wallbox buchen und reservieren. Sie fahren dann zur angegebenen Zeit zur Wallbox und scannen den vorhandenen QR-Code auf der Wallbox und schon kann es losgehen. Vor Beginn des Ladevorgangs fotografieren die Elektroautofahrer den Zählerstand und nach dem Ende nochmals. Die Bilder und Zählerstände werden an den Betreiber übermittelt und nach seiner Bestätigung wird die Rechnung voll automatisiert erstellt, wie Kinauer erklärt. Gegen einen möglichen „Stromklau“ bei einfachen Wallboxen will Charge@Friends seine Teilnehmer über ein Bewertungssystem des einzelnen Ladevorgangs schützen, dass derzeit in der Entwicklung ist.
„In das Thema Rechtssicherheit haben wir viel Zeit investiert“, sagt Kinauer. Dabei haben die Gründer auch schon über die Grenzen von Deutschland hinausgedacht. Mittelfristig wollen wir unser Modell auch nach Österreich, die Schweiz und weitere europäische Länder bringen, längerfristig dann auch international an den Start gehen. Die Markenanmeldung in mehreren Ländern sei bereits erfolgt oder laufe derzeit, so Kinauer weiter. Kurzfristige Änderungen der Rechtsrahmen seien dabei kein Problem. „Unser System für die Rechnungserstellung ist sehr flexibel.“ Auch wenn im nächsten Jahr die EEG-Umlage deutlich sinke und 2023 vielleicht ganz wegfalle, könne das problemlos im System eingearbeitet werden.
Kein Risiko für Wallboxbesitzer und Elektroautofahrer
Kinauer und seine beiden Mitgründer glauben fest an den Erfolg Ihrer Idee, zumal Charge@Friends keinerlei Risiko für die Wallboxbesitzer oder Elektroautofahrer berge. Die einen könnten mit ihren Ladesäulen zusätzliche Einnahmen generieren oder überschüssigen Solarstrom gewinnbringend verkaufen, denn 25 Cent je Kilowattstunde liegt deutlich über den Tarifen für die Netzeinspeisung von Dachanlagen der vergangenen Jahre. Die Besitzer von Elektroautos könnten andererseits günstiger als an öffentlichen Stationen laden. „Besonders freut mich, dass uns immer wieder Nachrichten von Menschen erreichen, die die Anschaffung eines Elektroautos bereits ad acta gelegt hatten, weil sie keine Möglichkeiten haben, eine eigene Wallbox zu installieren, und nun aufgrund unserer Initiative wieder den Kauf in Betracht ziehen“, sagt Kinauer.
Zugleich könnte der Zeitpunkt für den Markteintritt von Charge@Friends nicht günstiger sein. Das Thema Elektromobilität boomt und dank der KfW-Förderung werden Wallboxen bei Privathaushalten und Unternehmen gleichermaßen massenweise installiert. Die Besitzer der geförderten Ladestationen müssten zwar in den ersten zwölf Monaten das Gerät nur für das Beladen des eigenen Elektrofahrzeuges nutzen und dürften keinen Strom an „Freunde“ verkaufen. Doch angesichts der aktuell noch langen Lieferzeiten für Wallboxen und Elektroautos wird dieses eine Jahr schnell vergehen. Und dann steht Charge@Friends mit seinem beständig weiterentwickelten Angebot bereit, zu dem künftig auch noch eine Community beitragen soll. „Dann gilt volle Watt voraus“, sagt Kinauer.
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Die Idee hinter der App ist zwar nett, die gewählte Lösung wie Abgerechnet wird jedoch mangelhaft. Die App setzt voraus, dass alle ladenden Personen sich fair gegenüber dem Wallboxbetreiber verhalten.
Da die Wallbox nicht extern geschaltet wird, kann die ladende Person einfach anstecken. Der Betreiber bleibt so auf die Kosten sitzen. Anderes Szenario, aber selbe Ergebnis: Die ladende Person kann auch vorher offiziell den Ladevorgang beenden und dann einfach weiter laden.
Ohne externe Schaltung der Wallbox und digitale Übertragung des Verbrauchs/Abrechnung z.B. über die S0 Schnittstelle, ist die App meiner Meinung nach nur für Träumer. Schade, wäre es doch für einige Wallboxbetreiber interessant.
Selbstverständlich ist unsere App und damit unser Backend in der Lage eine Wallbox, die über eine OCPP-Schnittstelle verfügt, direkt anzusteuern.
Einfach bei uns über die webside registrieren und entsprechend testen
„Kasse des Vertrauens“ nur in digital.
Warum nicht?! Funktioniert ja auch überall bei Erzeugern von landwirtschaftlichen Produkten.
Wer da immer nur das schlechteste im Menschen sieht und eher misstrauisch durch Leben geht, für den ist das keine Option.
Dies ist eine praktikable Lösung damit Nachbarn oder Bekannte ihr Auto über Stunden an einer üblicherweise max. 11/22 kW Wallbox laden können – da sollte von kein Minusgeschäft drohen – eher ist davon auszugehen das der Betrag „aufgerundet“ wird. Der unbekannte Transitreisende wird diese Zeit für die langsame Ladung eher nicht aufbringen wollen/können.
Und „Freunden“ wird man den Strom wohl eher – so wie bisher auch – schenken/ausgeben bzw. wird in Naturalien vergütet.
Danke, Lars.
Ja da Thema Vertrauen ist unser Gesellschaft mittlerweile sehr weit nach hinten gerückt…
Über unsere community werden alle Teilnehmer zukünftig die einzelnen Ladevorgänge bewerten können.
Bist Du Teilnehmer bei charge@friends kannst Du natürlich auch weiterhin wenn Du möchtest, zusätzlich Deinen guten Bekannten Deinen Strom kostenfrei zur Verfügung stellen.
Wir ergänzen mit unserem Service die öffentlichen Ladestationen und sehen unseren Focus unter dem Gedanken Laden am Ziel einer Fahrt. Da ist in der Regel kein Lademöglichkeit.
Einfacher – wenn auch wenig interessant für ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen – wäre eine Community “ Charge & Friends“ zu begründen, in der in der App jeder interessierte private Wallbox-Besitzer mit seinen Angebotskonditionen gelistet wird. Der Laden wollende Mitteilnehmer der Community folgt dann den Hinweisen, die in der App vermerkt sind ( Ort, Abrechnungsmodalitäten, Ladestationsmerkmale ). Der Erwerb der App sollte kostengünstig und evtl. auch ein jährlicher Basis-Beitrag erhebbar sein, so dass viele mitmachen und der Anbieter der App auch nicht finanziell leer ausgeht. Das klappt übrigens schon sehr gut in anderen Bereichen („Couchsurfing“, „Airbnb“ u.a.).
Ansonsten fürchte ich, dass das Projekt an der mangelnden Teilnahme scheitert ( zu viele elektronische Bedingungen, finanzrechtliche Forderungen (MWSt!?)). „Keep it simple“ ist meist der schnellste und effektivste Weg!