Erst seit Mittwochnachmittag sind die Ergebnisse aus den wochenlangen Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene bekannt, doch die Reaktionen der Verbände haben nicht lange auf sich warten lassen. Wir haben die Stimmen zusammengetragen und fügen fortlaufend neue Kommentare hinzu.
Ein Bild zeichnet sich ab: Die Verbände zeigen sich einigermaßen zufrieden mit den Plänen zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Die teils auch deutliche Kritik gilt dem Programm im Mobilitätssektor. Außerdem dürfen die ambitionierten Ziele im Energiesektor zeitlich nicht verschleppt werden. So mahnen die Verbände zur zügigen Umsetzung.
Deutsche Umwelthilfe
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der deutschen Umwelthilfe sagt zur Energiepolitik: „Der große Fortschritt beim Klimaschutz liegt im Energiesektor. Mit dem Kohleausstieg 2030 und dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien werden die Weichen gestellt, um in diesem Sektor die Klima-Ziele von Paris zu erreichen. Es braucht jetzt allerdings ein ambitioniertes Sofortprogramm in den ersten 100 Tagen, damit diese Projekte auch ausreichend schnell und energisch umgesetzt werden. Der Einstieg in den Erdgasausstieg muss dadurch vorbereitet werden, dass Gaskraftwerke nur noch auf begrenzte Zeit zugelassen werden und grundsätzlich auf grünen Wasserstoff umrüstbar sein müssen. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die deutlich angehobene Naturschutzfinanzierung, die auf neue, sichere Beine gestellt wurde und das Ziel zum Ausbau des ökologischen Landbaus auf 30 Prozent der Fläche bis 2030.“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer kommentiert die Ansätze zum Mobilitätssektor: „Die Handschrift der Autokonzerne ist unübersehbar. Unglaublich, dass die CSU-Autolobby-Politik nahtlos fortgesetzt werden soll. Deutschland soll das Land der Raser, immer größerer SUV-Stadtpanzer und vom Staat finanzierten Klimakiller-Dienstwagen bleiben. Selbst die Subventionierung von Diesel sollen bleiben und die zukünftige Abgasnorm Euro 7 soll „Wertschöpfung und Arbeitsplätze“ nicht gefährden. Keine Maßnahmen die in den nächsten vier Jahren den CO2-Ausstoß signifikant senken. Kein Tempolimit, kein klares Verbrenner-Aus – im Gegenteil: eFuel-Verbrenner sollen sogar über 2035 fortbestehen. Der Verkehrsteil verstößt klar gegen den von uns mit erwirkten Klimaschutz-Grundsatzentscheid des Bundesverfassungsgerichts. Daher werden wir über unsere bereits anhängige Klimaklage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Ampel-Regierung zu kurzfristig wirksamen Maßnahmen wie einem Tempolimit auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts und Tempo 30 in der Stadt zwingen, mit dem sich bis zu acht Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen lassen.“
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin kommentiert die Ergebnisse im Gebäudesektor: „Im Gebäudebereich ist Licht und Schatten. Positiv zu bewerten ist, dass neue Effizienzstandards gesetzt werden und der CO2-Preis beim Heizen auf Mieter und Vermieter aufgeteilt wird. Viele weitere Ausführungen vor allem zu Sanierung und Dämmung bleiben aber zu vage. Die neue Ministerin oder der neue Minister wird hier sofort nachbessern müssen, um den Gebäudebereich endlich wirklich auf den Paris-Pfad zu bringen. In der so wichtigen Kreislaufwirtschaft verstecken sich die Koalitionäre vor allem hinter europäischen Mindeststandards. Dazu kommen freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie, die nachweislich nicht funktioniert haben. Wir brauchen ambitionierte nationale und gesetzlich zwingende Vorgaben, um Deutschlands traurigen Horror-Titel als Verpackungs-Europameister endlich abzulegen. Insgesamt braucht es mehr Anstrengung, schnelle Nachbesserungen und klare Leitlinien in den kommenden vier Jahren. Andernfalls sind die Paris-Grenzen nicht einzuhalten. Dann zerstört auch die nächste Bundesregierung die Zukunft unserer Kinder und Enkel.“
BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Antje von Broock, Bundesgeschäftsführerin des BUND kommentiert: „Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung finden sich deutlich mehr Klimaschutz und Naturschutz als in dem Regierungshandeln der Großen Koalition: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde dezentral und in der Hand von Bürger*innen und Kommunen gestärkt, der Kohleausstieg vorgezogen. Das waren überfällige Schritte für das Gelingen der Energiewende. Nun werden die ersten Monate zeigen, wie ernst die Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag nimmt und ob diese Regierung tatsächlich wie behauptet auf 1,5-Grad-Pfad liegt. Als BUND werden wir die Dringlichkeit der Krisen deutlich machen und die Umsetzung kritisch begleiten. Denn schon heute ist klar, dass diese Koalition wie auch bereits in anderen Krisen in den kommenden vier Jahren über den Koalitionsvertrag hinauswachsen muss.“
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND sagt: „Die Ampel-Koalition hat sich auf einen umweltpolitischen Koalitionsvertrag verständigt, der gegenüber allen Vorgängerregierungen einen Fortschritt bedeutet. Teile davon möchte ich explizit loben. Ich zweifle jedoch daran, dass die getroffenen Vereinbarungen reichen, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Kritisch sehen wir diesbezüglich beispielweise die Maßnahmen im Verkehrssektor, der Gasinfrastruktur und beim Abbau umweltschädlicher Subventionen. Die Ampel-Koalition hat einen ambitionierten Einstieg in den Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Nun wird es darum gehen, die Agrarpolitik im Geiste der Zukunftskommission Landwirtschaft zu gestalten.“
BSW-Solar – Bundesverband Solarwirtschaft
Carsten Körnig, BSW-Hauptgeschäftsführer kommentiert: „Der Koalitionsvertrag ist eine solide Startrampe für die erfolgreiche Solarisierung der Energieversorgung in Deutschland. Damit diese Solar-Rakete rasch abheben kann, müssen jetzt schnell die Triebwerke gezündet werden. Aus dem Koalitionsvertrag ist der Wille ablesbar, Solarenergie endlich zu entfesseln. Wir hoffen, dass zahlreiche Marktbarrieren jetzt tatsächlich schnell beseitigt und rasch attraktive Investitionsbedingungen für Photovoltaik, Solarthermie und Speichertechnologien geschaffen werden. Die Investitionsbereitschaft in der Bevölkerung und bei Unternehmern ist da und die Solarwirtschaft steht in den Startlöchern. Viele von der Branche seit Jahren adressierte Empfehlungen wurden im Koalitionsvertrag aufgegriffen: Neben dem erklärten Ziel, die Photovoltaik in Deutschland von derzeit knapp 60 Gigawatt „bis 2030 auf zirka 200 Gigawatt“ auszubauen, sollen Vergütungssätze entsprechend angepasst und „alle Hürden und Hemmnisse für den Ausbau Erneuerbarer Energien aus dem Weg geräumt“ werden. Der BSW begrüßt ebenso die Zielsetzung, dass die Wärmeversorgung bis 2030 zur Hälfte klimaneutral und Speicher als eigenständige Säule des Energiesystems endlich rechtlich definiert werden sollen.
Der BSW unterstreicht die Notwendigkeit eines Sofortprogramms zur gewünschten Beschleunigung des Solar-Ausbaus. Eile sei dringend geboten, um die Versäumnisse und politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Legislaturperiode zu korrigieren und zunehmend negativ wirkende Marktbremsen zu lösen. Körnig: „In den ersten 100 Tagen wird sich entscheiden, ob der überfällige Klimaschutz-Turbo in dieser Legislaturperiode gezündet wird. Dann kann die gewaltige Klimaschutz- und Ökoenergie-Lücke in letzter Minute noch geschlossen werden. Als überaus beliebte, preiswerte und schnell skalierbare Energieform wird die Solarenergie den entscheidenden Ausschlag geben, ob die erfreulichen Regierungsziele insgesamt erreicht werden und die Klimaschutz-Ampel auf Grün springt.“
bne – Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Rober Busch, Geschäftsführer des bne sagt: „Was wir heute erleben, ist ein vollständiger Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Die Energiewende wird erstmals zur Querschnittsaufgabe einer Bundesregierung. Endlich gibt es ein glasklares Bekenntnis zu deutlich mehr erneuerbaren Energien. Die Ampel-Koalition legt mit dem Koalitionsvertrag ein enormes Konjunkturprogramm für die ökologische Transformation vor und schafft das dafür nötige Investitionsklima. Dafür müssen Genehmigungen beschleunigt und bürokratische Überregulierungen abgebaut werden. Jetzt kommt es schnell auf sehr viele gut orchestrierte Maßnahmen an. Das Gute ist: Fast alles ist bekannt. Nun ist keine Rocket Science gefragt, sondern vieles ist ein Abarbeiten dessen, was bisher verbockt, ignoriert oder verweigert wurde“.
Mit der deutlichen Anhebung des Erneuerbare-Energien-Ziels von 65 auf 80 Prozent am Strommix bis 2030 wird eine Vollversorgung aus Photovoltaik und Windenergie bis 2035 zum Greifen nah. Die Elektrifizierung ist der entscheidende Hebel, um die Energiewende auch im Wärme- und Mobilitätssektor voranzubringen. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass die Prognose für den höheren Bruttostrombedarf von 680-750 Terrawattstunden im Jahr 2030 erstmals realistisch wird. „In den ersten 100 Tagen muss die neue Bundesregierung jetzt konkrete Schritte einleiten, um bei der Photovoltaik und der Windenergie schneller voranzukommen“, so Busch. Im Bereich der Gebäude-PV kann der Solar-Standard für Neubauten einen regelrechten Boom auslösen und die Vor-Ort-Energie weiter voranbringen.
Die Streichung der EEG-Umlage ab Januar 2023 wird den Strompreis spürbar senken und die Sektorenkopplung anreizen. Für ein System mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien braucht es darüber hinaus ein weiterentwickeltes Strommarktdesign, das sich auf den Markt stützt und Markteingriffe vermeidet. „Der Strommarkt gibt ausreichend Anreize für Flexibilität, um auch bei einem vorgezogenen Kohleausstieg die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Staatlich regulierte Kapazitätsmärkte sind überflüssig; es ist daher gut, dass diese nicht vorgesehen sind“, betont Busch. Gaskraftwerke sollten nicht vom Staat gefördert werden. Der Begriff „H2-ready“ darf nicht zum Greenwashing missbraucht werden. Hier wird es auf die genaue Definition ankommen. Darüber hinaus begrüßt der bne die vorgesehene Stärkung des Emissionshandels und das Ziel, bis 2030 50 Prozent der Wärme auf erneuerbare Energien umzustellen. Beim Abbau klimaschädlicher Subventionen hätte sich der bne mehr Mut erhofft und setzt darauf, dass die Ampel auch jenseits des Koalitionsvertrages aktiv wird. „Der Fahrplan, den sich die neue Regierung gibt, ist außerordentlich ehrgeizig. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft und seine Mitgliedsunternehmen begrüßen dies und stehen für die beschleunigte ökologische Modernisierung bereit“, so Busch abschließend.
Fridays for Future
Das Klimaaktivisten kommentieren den heute veröffentlichten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP: „Während die Welt auf knapp drei Grad Erhitzung hin steuert, verfehlt der Vertrag von SPD, Grüne und FDP noch vor Amtsantritt die eigenen Versprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem feiern wir nach 154 Wochen Klimastreiks auch Erfolge der Klimabewegung wie den Kohleausstieg 2030. Nur: Der aktuelle Koalitionsvertrag allein reicht für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht aus. Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise. Es ist ein Skandal, dass die Ampel den CO2-Preis nicht erhöhen will, die Erdgasinfrastruktur ausbauen möchte und nicht alle Dörfer an der Kohlegrube Garzweiler vor der Zerstörung schützt. Die notwendige Klimaneutralität bis 2035 ist mit diesen Maßnahmen nicht zu erreichen. Um diese Krise tatsächlich zu lösen, brauchen wir eine echte Transformation der Gesellschaft, die soziale Fragen ernst nimmt. Angesichts der zerstörerischen Extremwetter in Deutschland und weltweit, Klimaschäden in Milliarden-Höhe und massenhaftem gesellschaftlichen Protests fragen wir uns: Was zur Hölle braucht es denn noch, bis Deutschland seine internationalen Versprechen zu Klimagerechtigkeit einhält?
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung erklärt: „Die zukünftige Regierungskoalition hat die Dringlichkeit beim Thema Klimaschutz erkannt und in ihrem Koalitionsvertrag den Weg für die notwendige Transformation geebnet.(…) Positiv ist, dass die Koalitionäre Ihren Überlegungen einen höheren Bruttostrombedarf in Höhe von 680-750 Terrawattstunden im Jahr 2030 zugrunde legen. Die Anhebung der Ausbauziele für Erneuerbare auf 80 Prozent ist allerdings gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Stromverbrauchs sehr ambitioniert. (…)
Die im Koalitionsvertrag angedachten Vereinfachungen von Planungs- und Genehmigungsverfahren haben das Potenzial, wie ein Turbo zu wirken und den Ausbau Erneuerbarer Energien wieder deutlich zu beschleunigen. Wichtige Hebel sind die geplanten bundeseinheitlichen Regelungen beim Artenschutz, einfachere Repowering-Verfahren sowie die technische, personelle und organisatorische Stärkung der Behörden. Auch die Flächenbereitstellung von zwei Prozent der Bundesflächen für Windkraftanlagen und die PV-Pflicht für Gewerbe können zusätzlich Wind unter die Segel des Erneuerbaren-Ausbaus bringen. Das angekündigte Auslaufen der Erneuerbare Energien-Förderung muss im Zuge der angedachten Strommarkt-Reform daran geknüpft werden, ausreichende Erlösmöglichkeiten zu schaffen, damit auch nach 2030 ausreichend zugebaut wird.
Auch bei der Wärmeversorgung brauchen wir einen Booster. Die geplanten 50 Prozent Erneuerbaren-Anteil bei der Wärmeversorgung sind sehr ambitioniert, wenn man den Status Quo von 14 Prozent betrachtet. (…) Wir dürfen beim Umbau der Wärmeversorgung nicht aus den Augen verlieren, dass wir aus dem Handwerk und dem Gewerbe Unterstützung und Fachkräfte brauchen, die heute so noch nicht verfügbar sind. Die Gewinnung von Nachwuchs in den technischen Berufen muss mitgedacht werden.
Damit auch die Verkehrswende an Fahrt gewinnt, sind die angepeilten 15 Millionen Elektro-Pkw bis 2030 ein wichtiger Schritt. Mit Blick auf den Ausbaubedarf der Ladeinfrastruktur schießt die Koalition allerdings über das Ziel hinaus: Eine Million Ladepunkte werden nicht benötigt, das haben Berechnungen der NPM gezeigt. Vielmehr brauchen wir dynamische Ausbauziele und stabile Rahmenbedingungen für den bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur und ambitionierte Flottengrenzwerte für einen schnellen Fahrzeughochlauf.
Solarenergie-Förderverein Deutschland
Der Verein bermerkt, dass die Koalitionäre beim Thema Klima durchaus ein Problembewusstsein entwickelt hätten, bemängelt jedoch auch das „vieles im Ungefähren“ bleibt. Zwar sei es begrüßenswert, dass beim Ausbau der Solarenergie aufs Tempo gedrückt werden soll, doch die anvisierten 200 Gigawatt bis 2030 wären „noch immer deutlich zu kurz gegriffen.“
Der Verband äußert sich weiter: „Auch einige der angesprochenen Maßnahmen sind richtig erkannt. So können Vereinfachungen beim Netzanschluss und die Anpassung der Vergütungssätze große Hebelwirkungen entfalten. Auch die formulierten Impulse zur Entwicklung der Bürgerenergie, der Förderung von Energiegemeinschaften und der Entlastung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten sind wichtig. Wir werden ihre Umsetzung kritisch und konstruktiv begleiten. Den großen Wurf bei der Photovoltaik schafft man allerdings nur, wenn alle Deckel beseitigt und klare Signale für einen gesicherten wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen gesetzt werden. Lediglich „die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel (zu) prüfen“, wie der Koalitionsvertrag formuliert, ist viel zu zaghaft. Auch Bekenntnisse, man werde in den nächsten Jahren auf eine Handelssystem-Förderung wie PPA und Herkunftsnachweise setzen, zeigen, dass eher große Investoren und zentrale Versorgungsstrukturen angereizt werden sollen, als die Bürgerenergie.“
Kritik gibt es auch beim Thema CO2-Preis. Der Verband bezieht sich auf eine Stellungnahme von Robert Habeck (B´90/ Die Grünen) die darauf deuten solle, dass der CO2-Preis weiterhin bei um die 60 Euro pro Tonnen bestehen bleibt.
Der Verband äußerst sich dazu: „Wir verstehen nicht, dass ein Emissionspreis von 60 Euro je Tonne CO2, der heute einen rentablen Betrieb der Kohlekraftwerke ermöglicht, sie bis 2030 aus dem Markt gedrängt haben soll. Wenn also auf einen ordnungsrechtlichen Kohleausstieg verzichtet wird, dann fordern wir, dass die CO2-Bepreisung die bisher von der Allgemeinheit getragenen Klimaschäden der Treibhausgas-Emission vollständig abdecken muss. Diese Schäden werden von Expert:innen auf 180 Euro pro Tonne CO2 geschätzt. Um unsere Volkswirtschaft nicht zu überfordern, sollte die Regierung einen Mindestpreis in dieser Höhe (180 Euro pro Tonne) für das Jahr 2030 anpeilen. Die Untergrenze für das Jahr 2022 kann bei den 60 Euro des Koalitionsvertrags liegen; der Mindestpreis muss dann aber in jedem Folgejahr um 15 Euro pro Tonne steigen. Auf diese Weise können sich die Wirtschafts-Akteure auf einen verlässlichen Pfad einstellen“.
Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft
Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft kommentiert den Koalitionsvertrag: „Der BNW begrüßt, dass die Ampel-Koalition von einem höheren Bruttostrombedarf im Jahr 2030 ausgeht. Ebenso ist es zu begrüßen, dass 2030 80 Prozent dieses Strombedarfs von Erneuerbaren Energien gedeckt werden sollen. Die Ausbauziele von ca. 200 GW bis 2030 Photovoltaik und mindestens 30 GW bis 2030 für Windenergie auf See decken sich mit denen des BNW. „Der frühere Kohleausstieg bis 2030 gelingt uns sicherlich auch dank der Markt-Impulse. Daher ist nicht zu verstehen, warum der Vertrag erneut das Wörtchen „idealerweise“ enthält. Der BNW ist enttäuscht, dass das Thema „Wahre Preise“ im Koalitionsvertrag eine untergeordnete Rolle spielt. Wir benötigen Preise, die die ökologische und soziale Wahrheit sagen. Von der Pestizidabgabe in der Landwirtschaft, der Besteuerung von Kerosin zum CO2-Preis. Nur so schaffen wir ein Umsteuern der ganzen Wirtschaft. Diese Chance für faire Märkte beim Klimaschutz wird nicht genutzt. Zwar spiele der CO2-Preis für die Ampel-Koalition eine „zentrale Rolle“, aber der BNW sieht den ETS-Handel dafür nicht als geeignetes Instrument an.“
E3G
Lisa Fischer, Programme Leader Climate Neutral Energy Systems bei E3G: “Deutschland verpasst hier eine geo-, wirtschafts- und klimapolitische Riesenchance: den geordneten Ausstieg aus dem Erdgas festzulegen. Statt Modernisierung und Einfluss durch moderne, effiziente Technologie und Schutz globaler Güter, wählt es Abhängigkeit von Autokraten und fossilen Lösungen. Mehr Klimafokus in der Energienetzplanung ist jedoch zu begrüßen und ein essentieller und längst überfälliger Schritt – genauso wie das Bekenntnis zu mehr europäischer Zusammenarbeit in der Offshore Wind Nutzung.”
German Zero
Die Mitglieder von German Zero schreiben selber seit zwei Jahren ein Gesetzespaket mit dem Ziel Deutschland auf einen 1,5-Grad-konformen Kurs zubringen. Beim Abgleichen der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und den eigenen Vorstellungen, bemerken die Gesetzesschreiber des Verein jedoch, dass die Ambitionen der Koalitionäre hinter den Ansprüchen eines 1,5-Grad-Ziels zurückbleiben.
„Wir begrüßen den klimapolitischen Fortschritt, insbesondere das dringend notwendige Klimaschutzsofortprogramm bis Ende 2022”, so Julian Zuber, Geschäftsführer von German Zero. Um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, seien die im Koalitionsvertrag skizierten Maßnahmen jedoch noch ungenügend. “Dafür fehlt unter anderem ein verbindliches Treibhausgas-Restbudget, eine Reform des Brennstoffemissionshandels und ein Zulassungsstopp für Pkw mit Verbrennungsmotoren ab 2025”, so Lea Nesselhauf, Mitautorin des Gesetzespakets von German Zero. “Ein 1,5-Grad-konformes Klimagesetzespaket ist jedoch machbar: Wir haben es als Erste vorgemacht und bieten der Politik parteiübergreifende Zusammenarbeit an“, so Zuber.
Eurosolar
Auch bei den Verbandsmitgliedern von Eurosolar ist die Stimmung gut. So erinnerte der Verband in seiner Stellungnahme zuerst daran, dass die Vereinigung 1988 von Hermann Scheer gegründet wurde, gefolgt von den Worten „Deutschland wieder endlich auf dem Weg zum solaren Energiezeitalter“. „Hoffnung macht das klare Bekenntnis der Koalitionsparteien für die Stärkung des dezentralen Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der Bürgerenergie“, schreibt der Verband. „Verbesserungen für Quartierskonzepte und gestärkte Prosumer gilt es entschlossen umzusetzen sowie den Spielraum der Beihilfeleitlinien bei den De-minimis-Regelungen für kleinere Windparks auszuschöpfen. Wichtig ist auch, dass Mieterinnen und Mieter endlich zu Gewinnerinnen und Gewinnern der Energiewende werden und günstigen Solarstrom einfach nutzen können“.
Trotz aller Euphorie gibt es auch bei Eurosolar Kritik. „Sorgenvoll blickt Eurosolar diesbezüglich auf die Beibehaltung der Ausschreibungsverfahren und das Festhalten an der Beihilfekontrolle durch die EU-Kommission anstatt das EEG endlich wieder – wie ursprünglich – beihilfefrei auszugestalten. Mit dieser Vorgehensweise macht sich die Bundesregierung abhängig vom widersprüchlichen Verwaltungshandeln der EU-Kommission, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Sonntagsreden lobt und unter anderem durch Beihilfeverfahren behindert. Dass ausgerechnet der EU-Rechtsrahmen „Fit for 55“ und die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie „technologieoffen“ oder „technologieneutral“ ausgestaltet werden sollen, widerspricht fundamental dem sonstigen Geist des Koalitionsvertrags, der die Erneuerbaren Energien und insbesondere Solar- und Windenergie ins Zentrum stellt. Um diese Risiken zu mindern, wird es im Regierungshandeln entscheidend darauf ankommen, wie sich die Bundesregierung verhält. Nur mit einer starken Interessenwahrnehmung in Brüssel, insbesondere durch Bundeskanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, können die Erneuerbaren-Energien-Ziele erreicht werden.“
Fraunhofer Gesellschaft
Der Präsident der Fraunhofer Gesellschaft Reimund Neugebauer, kommentiert den Vertrag: „Der vorgestellte Koalitionsvertrag ebnet Deutschlands Weg zu einer technologisch getriebenen und wirtschaftlich umsetzbaren Klimaneutralität. Die neue Regierung vereint ökonomische, ökologische und soziale Ziele. Sie setzt wichtige Signale des Aufbruchs für Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltige Wertschöpfung und technologische Souveränität. Künstliche Intelligenz, Quanten- und Wasserstofftechnologien sind wesentliche Innovationstreiber. Fraunhofer begrüßt insbesondere die konkrete Festlegung, bis 2025 die FuE-Investitionen auf einen Anteil von mindestens 3,5 Prozent am BIP zu steigern. Unsere 75 Fraunhofer-Institute schaffen nicht nur Wertschöpfung vor Ort. Hier entsteht täglich wertvolles technologisches Wissen und Know-how für den Transfer von Ideen zur wirtschaftlichen Anwendung. Als verlässlicher Partner von Industrie und Gesellschaft freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierungskoalition bei allen aktuellen und kommenden Herausforderungen.“
en2X – Wirtschaftsverband Fuels und Energie
Die Frage nach der Herkunft stellt sich auch beim Wasserstoff. Laut Koalitionsvertrag setzt die zukünftige Reigeirung auf Wasserstoff aus Deutschland und das könnte der Einschätzung von en2X Ko-Hauptgeschäftsführer Christian Küchen schwierig werden. Schon heute gebe es Studien die zeigen würden, dass es ohne einen massiven Import on grünem Wasserstoff nicht gehen wird. „Selbstverständlich werden wir künftig viel mehr erneuerbaren Strom benötigen. Auch der Ausbau der Elektromobilität ist auf jeden Fall erforderlich. Doch es ist riskant, so einseitig auf Elektrifizierung zu setzen, wie es die künftige Bundesregierung offenbar vorhat. Ein robuster Weg zu mehr Klimaschutz muss daher alle Technologieoptionen und CO2-neutralen Produkte einschließen“, sagt Küchen.
Aus Sicht des Verbandes ist es wichtig, geeignete Rahmenbedingungen für grüne Energien in möglichst großer Menge zu schaffen – aus Deutschland und anderen Staaten. Adrian Willig der zweite Ko-Hauptgeschäftsführer von en2X sagt dazu: „Die neue Bundesregierung muss mehr Klimaschutz wagen. So wird die jetzt notwendige Transformation – weg von fossilen Produkten und Rohstoffen und hin zu klimaschonenden Alternativen – im Hinblick auf CO2-neutralen Wasserstoff zwar gut berücksichtigt. Das gilt jedoch nicht für flüssige Energien, die mit grünem Strom hergestellt werden, wie auch für nachhaltige Kraft- und Treibstoffe aus Biomasse. Solche CO2-neutralen Energieträger sind im See- und Luftverkehr unverzichtbar. Sie können und müssen aber auch im Gebäudebestand und bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor für deutlich mehr Klimaschutz sorgen“, so Willig.
Notwendig sei zum Beispiel eine ausdrückliche Anerkennung alternativer Fuels in der EU-Flottenregulierung und eine neue Energiesteuer, die sich an der Klimawirkung von Kraftstoffen orientiert, wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hat. „Nimmt die neue Koalition diese Punkte gleich zum Start stärker in den Fokus, steigen die Chancen, die ehrgeizigen Klimaschutzziele auch zu erreichen.“
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Ich bin von diesen Verhandlungsergebnis einfach enttäuscht
Bei aller Euphorie, die ich auch als Aufbruchsstimmung mit demProgram teile; wo bleibt der Verkehr?
Es ist festzuhalten dass jeder dritte, wenn nicht jeder zweite LKW mit ausländischem Kennzeichen auf den Autobahnen unterwegs ist. Warum ist das so?
Werden deren Tankvolumina auch in einer nationalen Bilanz erfasst?
Durch Ausbau des Personennahverkers werden wir das erheliche Verkehrsaufkommen von meist Ost – Trucks nicht wirklich lösen können.
Wo bleiben dafür die Lösungsansätze? Manch 6-spuriger Ausbauvon etlichen Autobahnkilometern liesse sich eventuell vermeiden.
Wie weit wird die staatlich organisierte DB verpflichtet, entsprechende konkurenzfähige Transport-Angebote zu unterbreiten?
Mal so ein Ansatz.