Erdgas, CCS und Atom: fruchtlose Versuche gegen die Überlegenheit der Erneuerbaren

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Ungläubig reiben wir Akteure der Energiewende uns die Augen, doch tatsächlich: unsere eigenen seit Jahr und Tag erhobenen Forderungen samt den von uns immer wieder verwendeten Vokabeln und Begriffen – wir finden sie im „Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP“:

„Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Dazu werden  wir  Planungs-  und  Genehmigungsverfahren  erheblich  beschleunigen.  Den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien wollen wir stärken. … Bürokratische Hürden werden wir abbauen.“

Bei dem Satz „Der menschengemachte Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.“ lässt die Begeisterung allerdings schon wieder nach. Denn wenn der Klimawandel „eine der größten Herausforderungen“ ist, welche anderen Herausforderungen sind dann ebenso groß oder größer als der Klimawandel? Sehr geehrte Koalitionäre, bitte antworten!

Klimaschädlicher Umweg über die Erdgas-“Brücke“

Ja, und dann tritt man bereitwillig in die breiten Fußstapfen, die Noch-Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU hinterlassen wird. Seine intensiven Bemühungen, möglichst viel Erdgas für Deutschland zu organisieren, sollen doch nicht umsonst gewesen sein. Also plant die Ampel-Regierung „die Errichtung moderner Gaskraftwerke“.

Um sie schmackhaft zu machen, sollen sie „so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können“. Doch wofür dieser Umweg? Warum mit dem Geld, das die Gaskraftwerke kosten, nicht die Erneuerbaren ausbauen? Das Erdgas ist durch die mit seiner Produktion verbundenen Methanemissionen mindestens so klimaschädlich wie die Kohle. Kohle durch Erdgas zu ersetzen, ist hinsichtlich Klimaschutz ein Nullsummenspiel, absurd und lediglich teurer, als die Kohlekraftwerke weiter laufen zu lassen.

Dena-Studie „Aufbruch Klimaneutralität“: Griff in die CCS-Mottenkiste

Wenn wir nun den Blick über die Sondierungsergebnisse hinaus schweifen lassen, dann fällt er beispielsweise auf die Dena-Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“. Diese gibt mit ihren gewichtigen 300 Seiten der neuen Bundesregierung zu verstehen: An uns kommt ihr nicht vorbei. „Es ist also ganz bewusst eine sehr praxisorientierte „bottom-up“-Perspektive auf das, was für die neue Bundesregierung und mit ihr für alle Akteure – uns als Deutsche Energie-Agentur (Dena) inbegriffen – nun ansteht.“

Ein besonders bemerkenswerter Teil dieser Studie ist ganz gewiss nicht „bottom-up“: Es wird nämlich die Abscheidung und unterirdische Verpressung von CO2 – „Carbon Capture and Storage,  CCS“ – mal wieder als angeblich unverzichtbare Klimaschutz-Maßnahme aus der Mottenkiste geholt – also das, was vor einem Jahrzehnt von der Bevölkerung mit der Parole „Stoppt den Wahnsinn!“ abgewiesen wurde.

Der hauptsächliche Wahn liegt neben weiteren Faktoren darin, dass kein sogenannter „geologischer Speicher“ dicht sein kann. Je nach eingepresster Menge breitet sich das CO2 unterirdisch aus mit einem Radius, der ohne weiteres 50 Kilometer betragen kann. Dass sich auf einer solch riesigen Fläche keine einzige Wegsamkeit nach oben befindet, ist absolut unwahrscheinlich. Das bestreitet auch die einschlägige Wissenschaft nicht. Der ganze Aufwand fügt letztlich also nur eine Umleitung in den Weg des CO2 zur Atmosphäre ein.

In den 46 Paragrafen des deutschen CCS-Gesetzes werden denn auch „Leckagen und erhebliche Unregelmäßigkeiten“ mindestens 20 Mal angesprochen. Der Referentenentwurf verdeutlicht: „Die Leckagedefinition erfüllen sowohl geringfügige ‚schleichende‘ Leckagen als auch plötzlich auftretende große Leckagen.“ Das Gesetz verlangt, diese unverzüglich zu beseitigen. Wie das technisch realisiert werden kann, wird nicht gesagt. Es ist hierbei zu beachten, dass CO2 unsichtbar, geruchlos und bei einer Konzentration von sieben Prozent schwerer als Luft ist. Es sammelt sich daher in Senken und ist dort für Mensch und Tier tödlich.

Die CCS-Lobby selbst macht auf das Thema „Leckagen“ eindringlich aufmerksam: In der von ihr initiierten und am 14.01.2014 vom EU-Parlament verabschiedeten CCS-Resolution wird in den Punkten 24 und 28 eine möglichst frühe Abwälzung der Haftung für gefüllte Speicher auf den Staat verlangt. Auch soll der Betreiber im Fall von Leckagen keine CO2-Zertifikate zurückgeben müssen, da er durch seine „kostenintensiven Abhilfebemühungen“ schon genug benachteiligt sei und andernfalls das Interesse an CCS-Projekten schwinden könnte.

So liegt es nahe, dass die CCS-Lobby – und damit auch die Dena – sich aufs weite Meer hinausgezogen fühlt. Denn welche Bürgerinitiative kann dort schon feststellen, wo CO2 aus dem Untergrund hervor blubbert oder in großen Mengen frei wird?

Man darf also gespannt sein, was aus den Aussagen im Sondierungsergebnis wird, wenn die zu erwartende Ampel-Regierung es mit der Dena-Studie zu tun bekommt.

Auch noch Atom-Renaissance?

Neben den CCS-lern scharren die Atom-Freunde mit den Hufen. Hochrangige Politiker, wie CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, liebäugeln mit der Atomenergie als angeblich klimaschützender Technik. Eine neue „Generation 4.0“ von Kernreaktoren ist im Gespräch. In Deutschland läuft die Atommüll-Endlagersuche. Das Endlager an sich ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits wollen wir, dass der gefährliche Müll möglichst bald sicher gelagert wird, andererseits kann das Endlager Einladung für weitere Atomenergie-Nutzung sein, denn deren Hauptmanko, die fehlende Müllentsorgung, wäre damit beseitigt. Dieser ungewollten Wirkung könnte ein Riegel vorgeschoben werden, indem das Endlager nicht größer dimensioniert wird als zur Aufnahme des bis 2022 produzierten Mülls erforderlich. Das scheint aber gerade nicht beabsichtigt zu sein. Als Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), kürzlich einen möglichen Standort in der Altmark aufsuchte und diesbezüglich gefragt wurde, antwortete er ausweichend. Höchste Wachsamkeit ist also angebracht. Sonst könnte das Endlager statt zum Schlussstrich unter einen technologischen Irrweg zur Startbahn für eine Revitalisierung der Kernenergie werden.

Überlegenheit der Erneuerbaren: Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bewusstseinsmäßig

Alle drei Punkte, Erdgas, CCS und Atom haben einen gemeinsamen Nenner: Sie sind Geschäftsfelder für das große Kapital. Und dieses versucht damit, die Bedrohung durch die erneuerbaren Energien, die längst kostengünstiger sind, zu reduzieren und hinauszuschieben.

Die Erneuerbaren sind nun mal dezentral, kleinteilig und individuell. Das ist kein Terrain für Konzerne, sondern Domäne des Mittelstandes. (siehe das Gespräch Piepenbrink/Farenski „Umbruch am Installationsmarkt“ https://www.youtube.com/watch?v=NuGhSLuG5-8). Im Mittelstand ist die Mentalität auch anders als beim Großkapital: Zwar muss auch ein mittelständischer Betrieb Gewinn erwirtschaften, aber vorrangig ist vielfach die Motivation, ein gutes und besonderes Produkt zur Verfügung zu stellen. Beim Großkapital steht der Profit an erster Stelle. Das Produkt muss nur so geartet sein, dass es Käufer findet.

Der Umstieg von den fossilen auf die erneuerbaren Energien bedeutet nicht nur eine Veränderung der Energietechnik, sondern einen grundlegenden Wandel. So wie die Erfindung der Dampfmaschine die industrielle Revolution auslöste, die Massenproduktion und die Massengesellschaft, so verlangt und fördert die Energiegewinnung aus Sonne, Wind oder Wasser das dezentrale Moment und den Individualismus. Das ist ein Fortschritt gegenüber der kapitalistischen Mentalität, befindet sich auf einer höheren Bewusstseinsebene und kann auf Dauer nicht aufgehalten werden.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung,  Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Seit 2013 verfügt der stellvertretende Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ im Bündnis Bürgerenergie (BBEn) über eine 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak. —

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