AECEA: Chinas Stromkrise trifft auch die Photovoltaik-Industrie

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Beim Thema Energie setzt China auf eine „Politik der doppelten Kontrolle“. Das bedeutet, das sowohl der gesamte Energieverbrauch sinken soll als auch die Menge der pro BIP-Wachstumseinheit verbrauchten Energie. Wie das Beratungsunternehmen Asia Europe Clean Energy (Solar) Advisory (AECEA) erläutert, hat China entsprechende Zielvorgaben für die einzelnen Provinzen erlassen, die wiederum individuelle Aktionspläne erarbeitet haben, um die Ziele erreichen zu können. Die Provinzregierung von Yunnan hat laut AECEA beispielsweise eine Mitteilung veröffentlicht, in der sie anordnet, die industrielle Siliziumproduktion von September bis Dezember um 90 Prozent zu reduzieren – von Januar bis August machte die industrielle Siliziumproduktion von Yunnan etwa 20 Prozent des gesamten chinesischen Inlandsangebots aus. Lokale Aluminiumhersteller in der Provinz haben 200.000 von 730.000 Tonnen Produktionskapazität stillgelegt. Und ab 1. Januar 2022 will die Provinz Yunnan zudem die Stromtarife für die industrielle Nutzung um 50 Prozent erhöhen.

Preise hoch, Produktion runter

Bereits jetzt sind die Preise für Industriesilizium auf 80.000 bis 90.000 Renminbi (10.700 bis 12.100 Euro) pro Tonne gestiegen, so AECEA, was einem Anstieg von 300 Prozent entspreche. Der Aluminiumpreis sei auf das höchste Preisniveau seit Mitte der 2000er Jahre gestiegen. Auch Soda, ein wichtiges Material für Solarglas, habe inzwischen das höchste Preisniveau der vergangenen zehn Jahre erreicht. Angesichts des Preisanstiegs bei den Rohstoffen, der sich in höheren Preisen für Polysilizium, EVA, Rückseitenfolien, Aluminiumrahmen, Solarglas, Anschlussdosen und so weiter niederschlage, seien die Preise für Solarmodule nun höher als in den letzten 12 bis 18 Monaten. Und alles deute darauf hin, so AECEA, dass die Modulpreise in den nächsten zwei Quartalen hoch bleiben könnten oder dass die Hersteller in den kommenden sechs bis sieben Monaten nicht bereit sind, ihre Preise zu senken.

In Anbetracht des hohen Preisniveaus haben laut AECEA verschiedene Hersteller ihre Produktionsleistung gesenkt. Die durchschnittliche Auslastung von 26 Modul- und 52 Zellproduktionslinien liege zurzeit bei 46 beziehungsweise 43 Pozent. Vor der Nationalfeiertagswoche sei der Kapazitätsfaktor der Zelllinien jedoch um fast 30 Prozent höher gewesen.
Yunnan ist kein Einzelfall. Laut AECEA wurden inzwischen in 20 von 30 Provinzen und Regionen Strombeschränkungen verhängt. Deren Befristungen seien unterschiedlich – von nur ein bis zwei Wohen bis hin zu mehreren Monaten oder sogar bis September nächsten Jahres. Ob Photovoltaik-Hersteller in den kommenden Tagen oder Wochen von den Strombeschränkungen ausgenommen werden sollen, da sie von strategischer Bedeutung sind, ist dem Beratungsunternehmen zufolge bislang unklar.

Ausnahmen für die Photovoltaik-Industrie?

Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) habe im Oktober 2020 die fünfte Serie von 719 staatlich zugelassenen grünen Fabriken und 1073 grünen Produkten veröffentlicht. Darin seien Photovoltaik-bezogene Produkte enthalten, aber weniger als ein Dutzend Photovoltaik-Hersteller. Auch auf den Listen der Provinzen Jiangsu und Zhejiang, wo Hunderte von Solarunternehmen ansässig seien, seien nur etwa eine Handvoll davon vertreten. Ob diese Listen bei der Entscheidung, ob Photovoltaik-Unternehmen von den Strombeschränkungen ausgenommen werden, berücksichtigt werden, sei bisher noch nicht bekannt. Hoffnung mache eine Entscheidung der Inneren Mongolei, so AECEA. Die Provinz hatte ihre Energieziele verfehlt und war von der Regierung aufgefordert worden, ihre Produktion zu reduzieren oder ganz einzustellen. Nachdem ein lokales Wafer-Unternehmen jedoch argumentierte, dass Industrien von strategischer Bedeutung ausgenommen werden sollten, wurde ihm die Wiederaufnahme der Produktion gestattet.

Weiterer Druck auf verschiedene Industriesektoren könnte laut AECEA durch den bevorstehenden „Herbst- und Winterplan zur Luftreinhaltung für Schlüsselgebiete 2021-2022“ entstehen. Ein erster Entwurf ziele auf 60 Städte ab und könne zu erheblichen Produktionsbeschränkungen führen, was auch die gesamte Photovoltaik-Lieferkette weiter negativ beeinflussen könnte. Möglicher Hintergrund seien die Anfang Februar nächsten Jahres beginnenden Olympischen Winterspiele in China – und das Bestreben, während der Spiele für blauen Himmel zu sorgen.

Dezentrale Photovoltaik wird noch attraktiver

Eine positive Seite kann AECEA dem Szenario immerhin abgewinnen: Die dezentrale Photovoltaik könnte in China weiter erheblich an Bedeutung gewinnen, weil sie es Fabriken ermöglicht, ihren lokal erzeugten Strom vor Ort zu verbrauchen – und zu wesentlich günstigeren Preisen als bei Netzstrom. Derzeit betrage die durchschnittliche Amortisationszeit für gewerbliche und industrielle Aufdachanlagen rund fünf bis sechs Jahre. Zudem könnten eigene Photovoltaik-Anlagen die CO2-Bilanz der Unternehmen verbessern und ihre Abhängigkeit von Kohlestrom zu verringern.

In diesem Zusammenhang hat Chinas Nationale Energiebehörde (NEA) Ende August ein neues Pilotprogramm aufgelegt, das speziell dezentrale Solaranlagen fördern soll. Demnach sollen bis Ende 2023 bestehende staatliche, öffentliche, gewerbliche und ländliche Gebäude in 676 Bezirken zu 50 , 40, 30 beziehungsweise 20 Prozent mit einer Solaranlage auf dem Dach ausgestattet werden. Geht man von 200 bis 250 Megawatt pro Landkreis aus, könnte die Gesamtnachfrage allein aus diesem Programm bis Ende 2023 zwischen 130 und 170 Gigawatt betragen. Hinzu kommt, so AECEA weiter, dass etwa zwei Drittel aller Provinzen bereits jetzt vorschreiben, dass neue Photovoltaik-Anlagen mit einem Speicher kombiniert werden müssen. Und eine neue Leitlinie für die Stadtentwicklung fördere ausdrücklich den Einsatz von dezentralen Photovoltaik-Anlagen und Geschäftsmodellen auf der Grundlage von Energieleistungsmanagementverträgen.

Neue Großprojekte, neue Tarifstrukturen

Angesichts der drohenden Engpässen bei der Stromversorgung hat Chinas Premierminister Li Keqiang gerade gefordert, unter anderem in der Wüste Gobi sogenannte „GW Hybrid Bases“ auszubauen. Dieses Konzept sieht laut AECEA je nach Standort eine Kombination aus allen erneuerbaren Energien, Wasserkraft und Kohle vor. Dem Staatschef zufolge sei der Bau eines ersten solchen Projeks mit einer Kapazität von bis zu 100 Gigawatt bereits eingeleitet worden. Details nannte er jedoch nicht.

Um eine rationellere Nutzung der Energie zu fördern, planen zudem immer mehr Provinzen die Einführung einer beispielsweise nach Tageszeiten differenzierteren Stromtarifstruktur. Solche verbrauchsabhängigen Stromtarife, die voraussichtlich im Oktober oder November in Kraft treten werden, werden laut AECEA das Entstehen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle fördern, insbesondere in Kombination mit dezentraler Photovoltaik.

Expansionspläne im Bereich Silizium

Gleichzeitig schmieden etliche Unternehmen neue Expansionspläne. Vor allem Produktionskapazitäten für Polysilizium sollen laut AECEA erweitert ider neu gebaut werden. Jüngsten Schätzungen zufolge könnten bis 2025/26 insgesamt drei Millionen Tonnen Silizium pro Jahr produziert werden – wenn alle 18 derzeit geplanten Projekte realisiert werden. Kurzfristig dürften die Preise für Polysilizium jedoch hoch bleiben, da in den nächsten Monaten nur ein begrenztes zusätzliches Angebot zur Verfügung stehen und sich die Nachfrage von 2021 auf 2022 massiv verschieben wird. In den vergangenen Wochen hätten zahlreiche Provinzen Solarprojekte im zweistelligen Gigawatt-Bereich genehmigt, von denen die überwiegende Mehrheit bis Dezember 2022 ans Netz angeschlossen werden soll.

2021 wurden nach Zahlen der chinesischen NEA zwischen Januar und September insgesamt 22 Gigawatt Photovoltaik in China installiert, was einem Anstieg von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen schätzt die AECEA, dass der Markt bis 2021 um 4 bis 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen und damit die 300-Gigawatt-Marke überschreiten könnte.

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